Von Florian Schlecht sowie Anna Lena Bauer und Daniel Prediger (Fotos)
301 Tage sind eine lange Zeit, in der eine Menge passieren kann und die Welt viele turbulente, dramatische Wendungen erlebt. So galt Louis van Gaal vor genau 301 Tagen, am 7. November 2009, noch nicht als erfolgsverwöhntes „Partybiest“, sondern bei Wettbüros als heißer Kandidat auf eine vorzeitige Entlassung bei Bayern München. Der Bundespräsident hörte noch auf den Namen „Horst Köhler“, Lena Meyer-Landrut war eine angehende unbekannte Abiturientin aus Hannover, und Eintracht Trier feierte in der Regionalliga seinen letzten Heimsieg mit einem 2:1 gegen Waldhof Mannheim. Die düstere Serie in der alten Römerstadt ist nun endlich durchbrochen. 301 Tage nach dem letzten Erfolg im Moselstadion durfte die Mannschaft von Roland Seitz nach dem 3:0 gegen Fortuna Düsseldorf II mit ihren Fans einen Triumph vor heimischer Kulisse feiern, was sie auch enthusiastisch genoss. Torhüter Andreas Lengsfeld tanzte ausgelassen auf dem Rasen, die Welle schwappte von den Spielern zu den Fans am Gate 7, Josef Cinar klatschte erleichtert jeden Menschen ab, der ihm über den Weg lief, der Kapitän war ausgepumpt und erleichtert. Bilder, die lange nicht mehr zu sehen waren, die Cinar wie Öl über den Rücken liefen. „Es ist so schön, den Zuschauern wieder ein gutes Gefühl mit auf den Heimweg zu geben, das haben sie sich verdient.“ Die Leidenszeit im Moselstadion, nicht nur für den Kapitän war sie endlich vorbei.
Foto: So sehen Sieger aus – Torschütze Thomas Kraus bejubelt seinen Treffer zum 2:0.
Auch Roland Seitz war der schwere Ballast, der ihm nach zwei Niederlagen in Folge vom Herzen gefallen war, anzumerken. Der Trainer trat zur Pressekonferenz auf das Podium, trank einen tiefen Schluck Wasser, lächelte ausgeglichen. „Es ist ja schon eine Weile her mit dem Heimsieg“, murmelte er zufrieden. „Doch wir haben früh den Grundstein gelegt, um endlich wieder ein Erfolgserlebnis zu haben.“ Der Auftritt gegen die Fortuna war zugleich ein Hoffnungsschimmer, dass das Moselstadion in den kommenden Monaten wieder zu einer echten Bastion für die Eintracht werden kann. Es war beeindruckend, mit welcher Aggressivität, Leidenschaft und Spielfreude die Mannschaft auf den desolaten Auftritt in Münster reagierte, nach dem ein wütender Seitz eindringlich eine Trotzreaktion gefordert hatte. Die Antwort der Spieler folgte, sie war mit einem großen Ausrufezeichen versehen.
Das leicht umgestellte Team, in dem Torge Hollmann als „Mr. Zuverlässig“ und stabiler Rettungsanker in die Innenverteidigung zurückkehrte, Olivier Mvondo auf der rechten Außenbahn seine Premiere in der Startelf feierte und Tolgay Asma als Regisseur zum Einsatz kam, lief unter den „Hells Bells“ von AC/DC ein und legte gleich auch feurigen Hardrock auf den Rasen. Bis in die Haarspitzen konzentriert, energisch und lauernd auf ein frühes Tor, das war die Eintracht in der Anfangsphase. Der erste Schock nach wenigen Sekunden, als Lengsfeld vor dem eigenen Strafraum klären musste und seine Vorderleute aufrüttelte, sorgte für kein nachhaltiges Trauma, sondern war der entscheidende Wachmacher. Und fast spiegelverkehrt zur Pleite in Münster wurde der aggressive Auftritt in den ersten Minuten schnell belohnt, wurden die Weichen schnell auf ein Ende der Schreckensserie gelegt. Nach einem langen Ball von Thomas Drescher startete Thomas Kraus alleine auf das Fortuna-Tor durch, wurde von Andreas Altenbeck gelegt. Schiedsrichter Pascal Müller entschied direkt auf Elfmeter, er zeigte dem Sünder die rote Karte, der haderte und schimpfte verzweifelt. Alban Meha war es egal, der Zauberfuß verwandelte den Strafstoß wie im Trainingsspiel gegen das B-Team in der Woche sicher zum frühen 1:0 (5.), als Altenbeck noch meckernd vom Rasen schritt. Jubel bei der Eintracht, Ärger bei der Fortuna.
Und die unterschiedlichen Gefühlswelten drifteten weiter auseinander. Trier war außer Rand und Band, verbuchte einen überragenden Stefan Kohler auf der Abräumerposition, der die kompakte, geduldige Spielweise mit pfeilschnellen Angriffen in die Spitze wie kaum ein anderer an diesem Nachmittag personifizierte. Nach acht Minuten folgte schon die Vorentscheidung, als Thomas Kraus einen feinen Spielzug zum 2:0 vollendete. Tolgay Asma rechtfertigte die Spielmacher-Rolle mit einem präzisen Abspiel auf den agilen Olivier Mvondo, der auf den langen Pfosten, wo der „blonde Blitz“ schon lauerte, das Leder über die Linie drückte. Roland Seitz setzte sich erleichtert auf seinen blauen Sessel, diese Reaktion war ganz nach seinem Geschmack, lag die Eintracht in Münster zu diesem Zeitpunkt doch 0:2 hinten. Seine Jungs ackerten hingegen weiter, standen weiter geduldig, erarbeiteten sich über schnelle Kombinationen Chancen am Fließband. Zudem war erneut der ruhende Ball gefährlich. Alban Meha scheiterte per Freistoß an Fortuna-Keeper Maximilian Schulze-Niehues (16.), der auch Sekunden später erneut fix am Boden war (18.) und dem Leder kurz vor der Pause verzweifelt hinterher guckte, als es wuchtig an den Pfosten donnerte (38.). „Wenn die letzten Niederlagen nicht in den Köpfen gespukt hätten, dann wäre der Sack wohl früher zu gewesen“, meinte Seitz.
Foto: Der Anfang vom Ende für die Fortunen – „Rot“ für Andreas Altenbeck.
In die Bredouille kam die Eintracht aber auch im zweiten Durchgang nicht, obwohl die Chancenverwertung weiter das große Manko war. Vor allem über Mvondo auf der rechten Seite wurden reihenweise gute Angriffe eingeleitet, der Kameruner glänzte mit seiner Schnelligkeit und Technik. In der 65. Minute bediente er Kraus, der den Abschluss verpasste. Nico Patschinski trat kurz darauf aus guter Position über den Ball, Kraus zwang Schulze-Niehues im Anschluss per Hacke zu einer grandiosen Parade. Erst Tim Eckstein sorgte sieben Minuten nach seiner Einwechslung für die Entscheidung, als er einen trockenen Schuss ins Eck setzte (84.) und zeigte, wie gut er sich nach den Gerüchten um einen Wechsel nach Nürnberg wieder auf die Aufgabe in Trier konzentrieren kann. „Für ihn freut mich das Tor besonders“, lobte Seitz daher auch zufrieden, als sich seine Spieler in der Kabine in den Armen lagen. Das Moselstadion soll wieder zur Festung werden, der erste Schritt ist gemacht. Und erneut 301 Tage will der Trainer auf keinen Fall warten, so das Versprechen. „Wenn wir weiter diese Leidenschaft zeigen, nun noch mit den Neuzugängen arbeiten können, dann können wir in Ruhe weiterarbeiten und werden mit dem Abstieg nichts zu tun haben.“
Einzelkritik – Noten wie in der Schule:
Lengsfeld – Note 2, Cozza – Note 2, Cinar – Note 3, Hollmann – Note 2, Drescher – Note 2 (78. Zittlau – ohne Note), Kohler – Note 1, Mvondo – Note 1, Asma – Note 2 (57. Saccone – Note 2), Meha – Note 2, Kraus – Note 2, Patschinski – Note 3 (73. Eckstein – Note 2).
STIMMEN:
Olivier Mvondo (Foto): „Wir haben in dieser Woche gut trainiert und waren in unseren Köpfen voll auf die drei Punkte eingestellt. Das Spiel müssen wir natürlich noch höher gewinnen, wir haben uns viele Möglichkeiten erspielt, an der Chancen-Verwertung gilt es aber jetzt noch zu arbeiten. Mit meiner Leistung bin ich zufrieden, die Mannschaft hat mir toll geholfen. Ich weiß um meine Stärken, bin schnell und habe heute immer versucht, für Gefahr zu sorgen. Ich denke, das hat funktioniert.“
Josef Cinar: „Die frühe Führung und der Platzverweis für Düsseldorf haben uns natürlich in die Karten gespielt. Trotzdem kommt es selten vor, dass man einen dezimierten Gegner über 90 Minuten so kontrolliert, keine Chance zulässt und sich selber reihenweise Möglichkeiten erspielt. Es ging in dieser Woche im Training richtig zur Sache, jeder ist aggressiv in das Spiel gegangen, hat Gas gegeben. Den Schwung müssen wir nun mit in die nächsten Wochen nehmen.“
Thomas Kraus: „Wir wollen den Fans etwas zurückzahlen für die fantastische Stimmung bei den Heimspielen gegen Nürnberg und Wuppertal, das ist uns gelungen. Der Elfmeter zum 1:0 war glasklar, ich werde gerempelt, das ist ein Foul und auch eine rote Karte. Natürlich bin ich nicht doof und laufe einfach weiter, wenn ich gestoßen werde. Wir haben Düsseldorf danach mürbe gespielt, hätten aber viel höher gewinnen müssen. Aber vielleicht ist es gut, hier kein 6:0 gefeiert zu haben, weil ansonsten vielleicht schon wieder vom Aufstieg gesprochen worden wäre. Wir müssen jetzt hart weiterarbeiten, dürfen uns auf dem Sieg alleine nicht ausruhen.“
Thomas Drescher: „Es hat zum Glück einiges zusammengepasst mit dem 1:0 und dem Platzverweis nach fünf Minuten, das muss man ehrlich gestehen. Danach haben wir den Sieg aber sehr professionell eingefahren. Nicht nur den Fans, auch uns allen sind da schon einige Steine vom Herzen gefallen, die Heimspiele müssen wir einfach gewinnen.“
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