Von Andreas Gniffke
„Freunde der Südsee, geht mir damit nicht auf den Sack.“ – Es ist sicher kein Zufall, dass Ben Redelings ausgerechnet ein Zitat des Meistertrainers und Dampfplauderers Jürgen Klopp als Titel für sein aktuelles Buch gewählt hat. Kloppo ist so etwas wie ein Konsenstrainer, dessen Präsenz zwischen Taktiktisch und Tapetenkleisterwerbung sicher den ein oder anderen Kunden zum Kauf des Buches animieren könnte. Redelings, Fan des VfL Bochum und eine Art Kulturbotschafter des Fußballs, verarbeitet in seinem sechsten Buch Erlebnisse aus seiner aktuellen Tournee, auf der er gewohnt unterhaltsam Anekdoten aus dem Kuriositätenkabinett der Fußballhistorie präsentierte. Entsprechend schwankt das Buch zwischen Tourtagebuch und mehr oder weniger bekannten Geschichtchen.
Ben Redelings hat es nicht leicht in diesen Tagen. Sein VfL hat in der Relegation gegen die Borussia aus Mönchengladbach als Trostpreis die Fahrkarte für 34 weitere Spiele in der zweiten Bundesliga erworben und darf sich anstatt auf Bayern München, Borussia Dortmund oder Schalke 04 nun wieder auf Spiele gegen Paderborn, den FSV Frankfurt oder Erzgebirge Aue freuen. Auch Redelings ist seit einigen Jahren mit seinen ‚Scudetto‘-Abenden in ganz Deutschland auf Tournee und präsentiert, häufig ergänzt von prominenten Gesprächspartnern, Geschichten und Skurriles aus der Fußballwelt.
Viele Autoren hätten sicherlich ein größeres Problem damit, ihre Werke als Klolektüre zu bezeichnen, doch ähnlich wie in seinem letzten Buch ‚Halbzeitpause: Die Fußball-Klolektüre‘ bietet auch ‚Freunde der Südsee. Meine Spielzeit‚ in 52 leichtverdaulichen, kurzen Häppchen beste Unterhaltung, die neben dem stillen Örtchen natürlich auch auf Auswärtsfahrt im Bus, auf der Terrasse oder sonst irgendwo genossen werden können. Auf Lesereise mit seinem ‚Halbzeitpause‘-Buch erlebte Redelings Abende in übelsten Spelunken, profitierte aber vom unerschöpflichen Anekdotenfundus von Fans unterschiedlichster Herkunft und einem zum Teil besorgniserregenden Grad an Fußballwahnsinn. Darüber erstattet der Autor nun ausführlich Auskunft in seinem Tourtagebuch und gibt einige der verrücktesten Anekdoten aus dem Fanuniversum zum Besten. Vom hygienisch nicht absolut einwandfreien Klowagen beim FC St. Pauli über einen verpatzten Junggesellenabschied bei Viktoria Pilsen bis zu einem einäugigen Trainer aus Aachen wird der Fußballalltag augenzwinkernd und zum Teil brüllend komisch zum Besten gegeben. So berichtet z.B. ein Besucher aus Eupen über seine Begegnung mit einem damals hoffnungsvollen Sturmtalent von Borussia Mönchengladbach:
Ich war mal vor Jahren auf einem Saisoneröffnungsspiel von BMG. In der 1. HZ spielte der junge Profi Benjamin Auer, wurde umjubelt, nach der Pause wurde durchgetauscht. Und plötzlich saß der neue Star/Liebling vor uns auf der Tribüne. Er setzte sich zu seinen Eltern. Benni war echt ’ne Rakete, ein Hoffnungsträger. Bis er diesen einen Satz sagte, mit gaaanz lieben Blick in die Augen seiner Mutter, mit dem er sich für alle Zeiten bei mir brandmarkte: „Mama, darf ich bitte ein Eis?“ Also immer wenn ich den jetzt sehe… schon klar, oder?
Auch wenn sich die große Karriere für Benni Auer nicht entwickelt hat, ist er immerhin in der gerade vergangenen Saison Zweiter der Zweitliga-Torschützenliste geworden, aber ich werde ihn wohl auch nie wieder mit den selben Augen sehen wie zuvor… Redelings verzichtet zwar in der Regel darauf, den genauen Ort seiner Lesungen zu nennen, der Leser erkennt jedoch aufgrund ortstypischer Details zumindest grob, wo die Geschichte spielt.
Etwas deplaziert wirken dagegen die eingestreuten Anekdoten, die die Tourberichte gelegentlich unterbrechen. Zwar ist z.B. Arnd Zeiglers Interview mit Jürgen Klopp über den desaströsen Saisonverlauf des BVB zweifellos enorm witzig. Doch in Zeiten von Internet und You Tube braucht eigentlich niemand eine schriftliche Version des Gesprächs, das vor allem durch den gespielten Ernst von Zeigler und Klopp gewinnt. Das geht in schriftlicher Form natürlich verloren und der Text wirkt geradezu anachronistisch. Daher hier noch einmal das Original:
[yframe url=’http://www.youtube.com/watch?v=whX5Chw3EpU‘]
Natürlich ist die Verwertung der Lesereise zu einem Buch nicht unbedingt die Krönung der Kreativität und zumindest in Kapitel 22 nimmt Ben Redelings den Vorwurf der Geldmacherei ironisch vorweg. Allerdings wird man mit einem Nischenprojekt wie Fußballcomedy sowohl auf der Bühne wie auch zwischen Buchdeckeln sicherlich nicht unermesslich reich und den Unterhaltungswert kann man dem Buch sicherlich nicht absprechen. Manche Anekdote hat man zwar schon mehrfach gehört, doch Redelings kann schreiben, was auch manche Plattheit erträglich macht. Klolektüre, vielleicht, aber Spaß macht es trotzdem! Und wenn er vom unsterblichen Helmut Rahn erzählt, ist es ehrliche Ehrfurcht und keine Denkmalschändung:
Bei der einen Geschichte ließ er sich in einer Schubkarre liegend durchs Rotlichtviertel fahren. Um den Hals hing dem Torschützen des entscheidenden Finaltores ein Pappschild, auf dem stand: „Wer will ein Kind vom Weltmeister?“ Und in einer kleinen Modifikation erzählte die andere Story davon, wie Rahn in einem Tanzlokal die hübschesten Mädchen zärtlich übers Parkett führte, sanft auf die Wange küsste und ihnen dann liebevoll ins Ohr säuselte: „Haben Sie, verehrte Dame schon einmal mit einem Weltmeister gebumst?“
Ben Redelings: Freunde der Südsee. Meine Spielzeit.
Werkstatt Verlag 2011, 9,90 €
Weitere Bücher von Ben Redelings:
- Ein Tor würde dem Spiel gut tun. Das ultimative Buch der Fußball-Wahrheiten (2006)
- Der Ball ist eine Kugel. Das große Buch der Fußballbücher (2007)
- Fußball ist nicht das Wichtigste im Leben – es ist das Einzige, Roman (2008)
- Dem Fußball sein Zuhause. Pöhlen, Pils und Pokale entlang der B1 (2009)
- Halbzeitpause — Die Fußball-Klolektüre (2010)
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