Terry Pratchett ist der Meister der skurillen Fantasy. „Ab die Post“ ist sein dreißigster Scheibenweltroman – und einer seiner besten.
Die Scheibenwelt ist nicht wie normale Welten. Sie ist nicht nur flach, sondern steht auch auf dem Rücken von vier Elefenanten, die wiederum auf dem Rücken der uralten Schildkröte Groß-A-Tuin stehen. Damit ist schon mal eines klar: mit „Normal“ hat die Scheibenwelt nichts am Hut.
Der britische Autor und Journalist Terry Pratchett erschuf mit dem Scheibenweltzyklus eine skurille und doch unglaublich lebensnahe Fantasywelt, in der Vampire mit Blitzphotografie experimentieren, Orang-Utans Bibliotheken leiten und Fleisch rückwärts in der Zeit gelagert wird. Mit immer verschiedenen Charakteren und bestem britischen Humor erzählt Pratchett nun schon seit fast 30 Jahren Geschichten in und um die Metropole Ankh-Morpok. Mit seinem dreißigsten Roman eröffnet er noch einmal einen neuen Handlungsstrang der großen Scheibenwelt-Saga: die Geschichte des Tricksters Feucht von Lipwig.
Die Geschichte dreht sich nicht nur um den quirligen Betrüger, der vom Herrscher Ankh-Morpoks zu einer zweiten Chance auf ein ehrliches „überredet“ Leben wird, sondern vor allem um die Liebe zum geschriebenen Wort – insbesondere dem Brief.
Feucht von Lipwig muss sich dem seit Jahren völlig heruntergekommenen Postamt der Stadt annehmen. Keine leichte Aufgabe, denn es gibt eine neue Form der Kommunikation auf der Scheibenwelt: die Klacker, eine Mischung aus Telegraphen und den modernen virtuellen Kommunikationsmitteln. Lipwig lässt sich von seinen Chancen nicht schrecken und begibt sich mit der Hilfe des 80jährigen Junior-Postboten Herrn Grütze und dem Postbotenlehrling und passionierten Nadelsammler Stanley auf eine abgefahrene Reise, die man gelesen haben muss, um sie zu glauben.
Wir wollen nicht zuviel verraten, aber soviel sei gesagt: Im Verlauf dieser aberwitzigen Queste erfährt man nicht nur, wie ein Brief schneller sein kann als ein Telegramm, sondern erhält auch wichtige Gesundheitstipps (Schwefel in den Socken hält die Füße trocken) und erfährt interessante Dinge über andere Wesen (Was machen Golems auf dem Meeresgrund, wenn sie nichts zu tun haben?).
Dabei schafft Pratchett es wieder einmal, niemals wirklich in den Klamauk zu verfallen und ganz nebenbei auch noch eine echte, lebendige Geschichte mit liebenswerten Charakteren und mehr Parallelen zu unserer Gesellschaft, als uns lieb ist, zu erzählen. Dabei gelingt ihm immer wieder der Drahtseilakt, seine Leser zum Lachen, zum Weinen und zum Nachdenken zu bringen – nicht selten alles in einem Absatz.
Dazu bietet „Ab die Post“ eine Gelgenheit, die es seit langem nicht gab: Terry Pratchett bewegt sich zwar wie auch in seinen vorigen Romanen auf dem altbekanntem Boden von Ankh-Morpok, und es gibt auch jede Menge Auftritte altbekannter Gesichter, aber die Geschichte um Feucht von Lipwig ist neu und man braucht kein Vorwissen, um seine Reise zu verstehen oder genießen. Natürlich gibt es mehr zu sehen und mehr zu lachen, wenn man die vielen kleinen Anspielungen auf vorige Geschichten versteht, aber „Ab die Post“ bietet den besten Einstieg in den Scheibenwelt seit den ersten Romanen der Reihe.
„Ab die Post“ ist daher auch für nicht Fantasy-Fans ein echter Lesegenuss und macht Lust mal wieder einen Brief zu schreiben, wohlwissend, dass weder Regen noch Sturm die fleißigen Postboten aufhalten wird. Und das Tolle an der Sache ist, dass – wenn man mit „Ab die Post“ fertig ist – einen noch viele weitere Geschichten auf der Scheibenwelt erwarten, darunter auch „Schöne Scheine“, ein weiterer Roman mit Feucht von Lipwig.
Ein Tipp zum Schluss: Wer gut genug Englisch spricht, der sollte auf jeden Fall zur Originalfassung greifen. Zwar ist „Ab die Post“ sehr gut übersetzt, aber der volle Charme von Pratchetts Feder entfaltet sich nur im englischen Original.
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Bine meint
Ich habe das Buch auf Englisch gelesen und es ist wirklich sehr genial, ebenso wie der Nachfolger.
So traurig es ist, dass Sir Terry wohl nicht mehr lange schreiben wird, so sehr freue ich mich, dass uns die Scheibenwelt noch etwas erhalten bleibt. Moist, bzw. Feucht von Lipwig war auf jeden Fall schon mal eine Bereicherung.