Von Andreas Gniffke
Gefeiert wurde bei der WM 2010 eine junge deutsche Mannschaft, die einen erfrischenden Offensivfußball zelebrierte und international für Staunen sorgte. Doch der Weg in den Kader einer Profimannschaft ist hart und steinig. Einblicke in diese Welt zwischen Hoffen und Bangen, Spielerberater und Trainingsplatz bietet die gerade auf DVD erschienene Dokumentation “ Hauptsache Fußball – Junge Profis auf dem Weg ins Spiel“ von Andreas Bach. Die Kamera begleitet Jungprofis in ihrem Alltag und führt intensive Gespräche mit Trainern, Beratern und Experten. 5vier.de hat sich den Film für euch angesehen.
Jörg Neblung macht nicht den Eindruck eines windigen und unseriösen Geschäftemachers. Als Spielerberater übt er jedoch einen Beruf aus, der in der Öffentlichkeit einen Ruf irgendwo zwischen Versicherungsvertreter und Lude genießt, angesichts der zweifellos vorhandenen schwarzen Schafe in der Branche sicherlich auch nicht ganz zu Unrecht. Andreas Bachs Film gibt nun einen Eindruck in den Arbeitsalltag des Beraters und begleitet ihn und seine Schützlinge hautnah bei Vertrags- und Transferverhandlungen, seinen Besuchen auf dem Trainingsgelände und in seinem Büro, in dem immer noch die Trikots von Robert Enke an der Wand hängen, wohl seinem bekanntesten Spieler, den Neblung u.a. an den FC Barcelona und nach Lissabon vermittelt hatte. Gerade die Verhandlungsgespräche zwischen Spieler, Berater und Vereinsvertretern sind hochinteressant, finden sie doch sonst ausnahmslos hinter verschlossenen Türen statt. Doch wenn es ins Eingemachte geht, muss die Kamera auch hier ausgeschaltet werden. So beobachten wir z.B. den jungen Torwart Robin Himmelmann bei seinen Verhandlungen mit Schalke 04, die ihn für die U23 verpflichten wollen. Es offenbaren sich die Zweifel, sich im Konkurrenzkampf auf Schalke bei vier Torhütern und einem jungen Star wie Manuel Neuer im Tor der Profis nicht durchsetzen zu können und wichtige Jahre der Entwicklung verpassen zu können. Ausführlich zu Wort kommt auch Niclas Heimann, der aus der Jugend des FC Chelsea nun einen Vertrag als Torwart beim Brauseclub RB Salzburg unterschreibt.
Die einzelnen Sequenzen des Films sind locker miteinander verwoben, einzelne Erzählstränge werden immer wieder aufgegriffen, manche versanden jedoch im Nichts. Neben Berater Neblung geben noch eine ganze Reihe von mehr oder weniger prominenten Gesprächspartnern ausführlich Auskunft über die Situation von Jungprofis in Deutschland. Darunter mit Hermann Gerland, Nachwuchstrainer des FC Bayern München, wahrscheinlich der berühmteste und vielleicht auch beste seines Faches. Der ‚Tiger‘ tritt als akribischer Arbeiter auf, der zu seinen Spielern zwar hart ist, die Mannschaft jedoch als Familie und seine Arbeit als Verpflichtung für einen großen Verein wie den Bayern versteht. Nicht umsonst entstammen Spieler wie Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller oder Holger Badstuber seiner Schule und alle sprechen mit größter Hochachtung von ihrem Lehrmeister. Gerade Badstuber gibt ausführlich Auskunft über seinen Werdegang und auch die Rolle, die sein Vater dabei gespielt hat. Hermann Badstuber, selbst ein bekannter Trainer, verstarb 2009, kurz nachdem sein Sohn seinen ersten Profivertrag unterschrieben hatte. Gerland war eng mit ihm befreundet und es ist ergreifend mitanzusehen, wie offen er über den Tod Badstubers spricht. Ob dies unbedingt in diesen Film gehört, sei einmal dahingestellt. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, wie begeistert sich Gerland und Christian Nerlinger zur Arbeit des damaligen Bayerntrainers Louis van Gaal äußern. Davon ist zumindest bei Nerlinger später nicht mehr viel übrig geblieben. Weitere Gesprächspartner sind z.B. Jürgen Gelsdorf, Jugendkoordinator bei Bayer Leverkusen, Lars Ricken vom BVB, Michael Frontzeck, damals noch Trainer in Mönchengladbach oder ein vom harten Fußballerleben sichtlich zerfurchter Klaus Augenthaler, Traier in Unterhaching. Bei vielen von ihnen gelingt es den Machern, ehrliche Statements weit entfernt von den belanglosen Gesprächen und Standardantworten in den heute üblichen Interviews zu entlocken.
Gerade im Gespräch mit Jugendtrainern wie z.B. auch Dariusz Wosz vom VfL Bochum wird immer wieder die Generationenfrage gestellt. Bei den Proficlubs erleben selbst die Nachwuchsspieler professionelle Strukturen, in denen der Verein ihnen viele Dinge des alltäglichen Lebens abnimmt. Hier liegt es nun vor allem an den Trainern, auch Erzieher zu sein. Es zeigt sich aber auch das Dilemma der Clubs, die zum einen natürlich auf Jugendspieler aus den eigenen Reihen angewiesen sind, aber diesen in Zeiten, in denen nur der schnelle Erfolg zählt, oftmals nur wenig Zeit für deren Entwicklung gönnen können.
Die Stärken des Films liegen vor allem in diesen Sequenzen, die das eigentliche, im Titel genannte Thema beleuchten, nämlich das Leben von Jungprofis in Deutschland. Doch irgendwann bekommt man den Eindruck, dass der Film in knapp zweieinhalb Stunden Laufzeit den Versuch unternimmt, den heutigen Fußball in seiner Gesamtheit abbilden zu wollen. Ein Unternehmen, was misslingen muss. Völlig unverständlich ist z.B., warum die Reisen des SZ-Redakteurs Philipp Selldorf zum DFB-Pokalfinale oder dem Champions-League-Finale Bayern gegen Inter in Barcelona so ausführlich dokumentiert werden. Auch der Sinn der Fanimpressionen im Umfeld von verschiedenen Schlüsselspielen erschließt sich nicht wirklich. Mit dem ursprüngliche Thema hat dies wahrlich nur wenig zu tun. Dennoch erlaubt die Dokumentation trotz einiger Längen einen Einblick in den Profifußball, den man aus dieser Perspektive so noch nicht gesehen hat.
Fazit: Sehenswert!
Trailer:
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Hauptsache Fußball – Junge Profis auf dem Weg ins Spiel. DVD. Regie: Andreas Bach. 140 Minuten.
Fotos: Andreas Gniffke (1), Andreas Maldener (2)
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