Fünfundzwanzig Jahre – dieses Wort muss ausgeschrieben werden, denn nur dann ergibt sich in etwa eine Vorstellung von der Dauer. Fünfundzwanzig Jahre – unser Redakteur Raphael Wlotzki ist siebenundzwanzig Jahre alt. – Vor 25. Jahren wurde das erste Mal in der deutsch-deutschen Geschichte der Tag der Deutschen Einheit gefeiert.
Trier / Frankfurt / Berlin. Der Leser erlaube mir diesen Sprung über Frankfurt nach Berlin. Denn in Frankfurt findet heute das „Deutschlandfest“ statt, das mit dem Jahr 1990 jeweils in einer anderen Stadt im wiedervereinigten Deutschland stattfindet. (Mainz war auch schon dran, im Jahr 2001 – und ist für das Jahr 2017 erneut vorgesehen). Damit entsteht ein Netzwerk von Städten, die den Tag der Deutschen Einheit in ihrem Einzugsgebiet feiern.
Über diesem Tag steht diese in unzähligen Bildern und Film-Mitschnitten festgehaltene Nacht des 9. Novembers 1989. Diese von allen Medien aus Berlin in die ganze Welt verbreitete Meldung: Die Grenzen sind offen:
Die Deutsche Presseagentur ließ um 19.04 Uhr folgende Eilmeldung verbreiten: Von sofort an können DDR-Bürger direkt über alle Grenzstellen zwischen der DDR und der Bundesrepublik ausreisen. Dies teilte SED-Politbüromitglied Günter Schabowski auf einer Pressekonferenz in Ost-Berlin mit.
Alle waren am Fernseher oder direkt an der Mauer
Die Meldung machte die Runde, das Fernsehen war dabei. Die Skepsis in Ost wie West war wie eine dunkle Wolke über Berlin. Bis sie platzte und um 21.30 Uhr fing eine Bewegung von Ost- nach Westberlin an, eine Bewegung die an diesem Tag und mit diesem Tag nicht mehr zu stoppen war. Eine friedliche Revolution hat zwei Länder, zwei politische Strukturen zusammengebracht.
Jeder der Leser, die diesen Tag bewusst erlebt haben – denn dieser Tag führte zum Wiedervereinigungsvertrag – wird rückblickend mit mir versucht sein zu sagen: Ach du Kacke, schon 25 Jahre! Denn diese 25 Jahre sind tatsächlich eine Dauer für die man sich hinsetzen muss, will man jedes einzelne der vergangenen Jahre Revue passieren lassen.
Keiner kann da sagen: Was sind schon 25 Jahre. Denn 25 Jahre wiegen schwer; sie haben uns bis ins Jahr 2015 gebracht.
So haben sich zu diesen eingeprägten Bildern der Freude – diesem einmaligen Erleben der Menschen, die am 9. November 1989 nach Westberlin kamen – ganz andere hinzugefügt, haben unsere Erinnerung mit beeinflusst.
Schockierend unvergesslich bleibt der 11. September 2001, die von zwei Flugzeugen getroffenen Türme des World Trade Centers. Die Bilder des Tsunami im Indischen Ozean vom 26. Dezember 2004. Das Erdbeben auf Haiti 2010 oder dieser 11. März 2011, als ein Erdbeben mit Tsunami-Folge die Westküste Japans zerstörte und das Kernkraftwerk Fukushima eine ganze Region kontaminierte. Oder – ebenso unvergesslich (im positiven Sinne) – der Arabische Frühling des Jahres 2011.
Daraus ergeben sich Konsequenzen, die wir – selbst in Trier – nicht mehr nur im Fernsehen mitverfolgen können. Wenn 4 Millionen Syrer auf der Flucht sind, dann kippt die Hoffnung des Wartens in ein Suchen. Die Lager im Libanon, Jordanien, dem Irak und der Türkei können keine Zukunft für einen Menschen darstellen. Und wenn das „Hab und Gut“ einer ganzen Familie in einen Koffer passt (wohlgemerkt: einer Familie), dann entsteht eine Sehnsucht, die unmittelbar Europa bedeutet.
Fünfundzwanzig Jahre sind allerdings nicht nur die uns von den Medien gelieferten Bilder. Jedes Jahr, jeder Monat, jeder Tag hat jedem Einzelnen Bilder gebracht. Sie haben sich eingeprägt, sie haben Freude, Leid, ein Lachen, Tränen und immer wieder den nächsten Morgen zu uns gebracht.
Dieses Bewusstsein, diese Dauer, dieses Glück der 25 erlebten Jahre ist heute mein ganz persönlicher „Tag der Deutschen Einheit“. – Und um mich „passend“ wiederholen zu können, sage ich „Merde!“. Denn die Franzosen wünschen mit diesem Ausruf „Viel Glück“ oder „Erfolg“. Denn da sind weitere 25 Jahre, die auf uns warten!
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