Seit ein paar Tagen kursiert auf Facebook eine gute Idee: der Kältebus-Notruf. Er sorgt dafür, dass Obdachlose nicht den Erfrierungstod erleiden müssen. Allerdings ist die Nummer, die dort „geliket“ und geteilt wird nicht immer zutreffend. 5vier-Redakteurin Stefanie Braun hat sich mal umgehört, was in der Großregion gegen die Kälte getan wird.
Die Idee ist gut und wichtig, denn jede größere und kleinere Stadt hat im Winter ein Problem. Gerade jetzt, wo eine „Sibirische Kälte“ Schnee und Eis über Deutschland bringt, kann für Menschen, die auf der Straße leben, jede Nacht die letzte sein. So auch im Winter 1994 in Berlin. Denn damals erfror ein Obdachloser, weil er keine Kraft mehr hatte selbst einen sicheren Platz zum übernachten aufzusuchen. Diese Nachricht schockierte nicht nur, sondern sie rief auch etwas ins Leben.
Mitarbeiter einer sogenannten City-Station, einem Restaurant mit Beratung und Seelsorge, suchten nach einer Soforthilfe und fanden sie. Allerdings erst nachdem sie es selbst angepackt hatten. In der nächsten Nacht fuhren sie mit einem VW-Bus los und retteten bis heute hunderte Menschen vor dem Kältetod. Bald fanden sich weitere Helfer in anderen Städten, die von der Idee begeistert waren und die diese ebenfalls verwirklichten.
Auch in Rheinland-Pfalz gibt es mit „Der Platte“ eine Organisation, die sich der vielen Obdachlosen annimmt und sie auf Wunsch an einen warmen Platz zur Übernachtung bringt. Mit finanzieller Unterstützung durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen können die Streetworker viele Materialien wie Decken, Isoliermatten, Schlafsäcken und Winterbekleidung verteilen. Daneben bringt der Kältebus Obdachlose bei Bedarf ins Krankenhaus oder in sogenannte Übernachtungs- und Resozialisierungsstellen.
Auf den Webseiten der jeweiligen Kältebuseinrichtungen einer Stadt oder eines Umkreises findet man Telefonnummern, die man anrufen kann, falls man beim abendlichen Spaziergang einen erfrierenden Obdachlosen sieht. Bis hierhin stimmen auch die Angaben auf Facebook. Doch Vorsicht! Wer jetzt schon sein Handy gezückt hat um sich die Nummer in die Schnellwähltaste einzuspeichern, sollte vier wichtige Dinge beachten:
Falsche Nummern im Netz
1. Wer einen offensichtlich frierenden Menschen ohne Obdach auf der Straße sieht, sollte trotzdem sicher gehen, dass dieser auch von einem Kältebus abgeholt werden will. Sonst fährt dieser aus und muss sich am Ende wieder fortschicken lassen, denn trotz Kälte wollen manche lieber im Freien schlafen. Der Bus muss dann unverrichteter Dinge nach Hause fahren und verpasst so womöglich den Anruf von jemandem der wirklich Hilfe will und braucht.
2. Sollte jemand bereits ohne Bewusstsein und nicht mehr ansprechbar sein, braucht man die Nummer des Kältebusses gar nicht erst im Handy zu suchen. Die richtige Nummer lautet dann 112 (Notruf).
3. Achtung hier nun für alle Facebooknutzer: Handynummern, die angegeben und auch geteilt werden überschreiten oft ihren Zuständigkeitsbereich. Die vielfach gelesene Nummer:0178-523 58 38 gilt nur für Berlin. In Rheinland-Pfalz gibt es einen Kältebus, dessen Sitz in Bingen ist. „Die Platte“ heißt die Organisation, ihre Nummer lautet: 0172-61 28 28 2. Doch auch der deckt nur den Großraum Bingen-Mainz ab. In Koblenz fährt dienstags, donnerstags und samstags abends ein Bus mit heißen Getränken, Decken und Bekleidung durch die Stadt und verteilt diese an Obdachlose.
4. Leider gibt es derzeit in Trier keine Einrichtung wie den Kältebus. Dafür kann man sich an andere helfende Hände wenden:
Streetworker in Trier
Raimund Ackermann, Streetworker in Trier, erzählte von der Problematik im Winter: Zwar gibt es in Trier keinen Kältebus, dafür patrollieren Polizei und Ordnungsamt, letztere bis 24:00 Uhr, die anderen die ganze Nacht. Allerdings weiß Ackermann aus eigener Erfahrung, dass die Polizei viele Verstecke kennt, aber Obdachlose meist schwer greifbar sind, da steht er meist mit Rat und Tat zu Seite.
Sobald das Thermometer unter null Grad wandert, klingeln bei allen Institutionen die Alarmglocken. Da heißt es eng zusammenarbeiten, denn gerade bei alkoholkranken Menschen machen Herz und Kreislauf bei Kälte schneller schlapp. Was kann man als Otto-Normal-Verbraucher im Ernstfall tun?
Ackermann gibt den Rat zuerst die Polizei zu rufen, nachdem man sich vergewissert hat, dass eine Eigengefährdung des Menschen besteht. Die Polizei, so sagt er, weiß meistens besser wie man mit Obdachlosen umgehen sollte, als ein Rettungsassistent oder Pflegepersonal im Krankenhaus. Die Polizei bringt sie dann in eines der Wohnheime des Caritasverbandes. Allerdings kann es auch dort zu Komplikationen kommen. Es herrscht striktes Alkoholverbot, so Ackermann, dies ist auch ein Grund warum manche die Nacht lieber im Freien verbringen, als in ein warmes Wohnheim zu gehen. Zudem sind die Einzelzimmer der Heime meist schon im November ausgebucht, geschlafen wird dann auf Feldbetten, mit mehreren Personen zusammen in einem Raum.
Sich anzupassen und Regeln zu befolgen ist für manche Menschen recht schwierig. Deshalb ist nach einer Nacht im warmen oft schon wieder Schluss und man sucht sich eines der alten Verstecke aus um die Nacht dort zu verbringen. Zwei beliebte Orte sind Bankeingäng und Tiefgaragen, dabei wissen Obdachlose meist genau wo sie hingehen können um auch ohne Karte durch Schiebetüren zu kommen oder ein Rolltor zu überwinden. Erschrockene Passanten sind da an der Tagesordnung, die Polizei tolleriert dies. Man könne die Menschen ja nicht dem Erfrierungstod überlassen, gibt Ackermann zu bedenken. Bleibt zu hoffen, dass in diesem Jahr niemand dieses schreckliche Schicksal ereilen wird und dass die Temperaturen bald wieder über die Null-Grad-Marke steigen.
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