Get Well Soon – „gute Besserung“ – kommt morgen mit seinem zweiten Album in die Luxemburger Kulturfabrik in Esch sur Alzette. Wir hören uns das symphonisch-düstere Werk an.
Schon das Cover des Anfang 2010 erschienenen Albums ist ein Statement. Ein dunkelhaariger Mann gemalt in Öl, doch sein Gesicht zerfließt. Ist es Konstantin Gropper selbst, der bürgerliche Name von Get Well Soon? Ein Künstler, der nach seinem gefeierten Debüt seine Identität sucht? Bevor wir uns mit Interpretationen überschlagen – lassen wir zunächst die Musik sprechen.
Nach kurzem Intro und dem ruhigen „Nausea“ folgt mit „Seneca’s Silence“ der erste Höhepunkt der Platte. Über einem xylophon-getriebenem Rhythmus erhebt sich eine ganze Symphonie. Danach Dramatik pur, getrieben von Streichern, in „We Are Free“, überraschend beschwingt angesichts der ernsten Lyrics. Es folgt das zerbrechliche „Red Nose Day“ über perlendem Glockenspiel, mit einer sparsam gezupften Gitarre, das sich in ein bedrohliches Grummeln steigert. Nein, so weiß man als Hörer spätestens jetzt: einfach wird das Album nicht.
„5 Steps/7 Swords“, ein weiterer Höhepunkt, startet mit durcheinanderrufenden Stimmen, wird dann von unfassbar dunklen Bläsern getragen, garniert mit Trommelwirbeln. Der Herzschlag-Moment des schweren Songs gehört jedoch der Stelle, an der Groppers Stimme zum Flüstern wird, bevor einmal mehr die Bläser drohend herbeiziehen. Ein Flüstern inmitten der vollgeladenen Klänge – solche Kontraste finden sich immer wieder auf „Vexations“. Die mäandernde Form von „A Voice In The Louvre“, das als karger Song beginnt, mit viel Raum für Groppers Lyrics, immer wieder an Intensität zu- und abnimmt, schließlich in ein geradezu bombastisches Finale mündet. Oder, nur einen Song später, der Kontrast zwischen dem streichergetragenen „Werner Herzog Gets Shot“ und dem reduzierten, tieftraurigen „That Love“ mit einem Schlagzeug, das unendlich vorsichtig Groppers tiefdepressiven Gesang unterlegt. „A Burial At Sea“ lotet die Balance zwischen Ballast und Reduziertheit aus, setzt gezupfte, perlende Klänge gegen intensiver werdende Momente, mit einem Intermezzo aus Seemannsgesang und knarzenden Schiffsdielen.
Bild: Konstantin Gropper alias Get Well Soon kommt am Freitag in die Luxemburger Kulturfabrik (Foto: Jens Oellermann)
Großartig geradezu dann „Angry Young Men“, der das Tempo im Vergleich zum getragenen Rest des Albums gehörig anzieht – das Video gibt’s unten. Zum Abschluss wird’s wieder symphonisch, das ehrwürdige Römische Imperium wird ins Gedächtnis gerufen: „We Are The Roman Empire“ ist ein Abgesang, wie ein Abschied. „We’ll fight it all“ versichert Groppers Gesang, doch so recht glauben mag man ihm nicht – zu verloren klingt seine Stimme. Schließlich verliert sich der Song in Stille – die Römer, sie sind nicht mehr.
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Es ist eine düstere Scheibe geworden, die zweite von Konstantin Gropper alias Get Well Soon. Tiefschwarz ruft die Depression, man sieht kein Licht am Ende des Tunnels – er führt lediglich immer weiter nach unten. Nachdem sein überraschendes Debüt „Rest Now, Weary Head! You will Get Well Soon“ noch unter reduzierten Bedingungen aufgenommen wurde, ging es diesmal ins Studio, so richtig mit Musikern. Das schwierige zweite Album also, das die Kritiker spaltet – schön auf den Punkt gebracht von den beiden Intro-Spaltern. Get Well Soon scheint auf der Suche nach seiner Identität – und mit einem Konzeptalbum über die Stoiker hat er sich keine einfache Aufgabe gestellt. So erschließt sich das Album dem Hörer auch nicht beim ersten Anhören. Jedoch: Gibt man dem Album etwas Zeit, wächst es immer mehr, und hinter den ausladenden Klängen zeigen sich romantische Melodien, Lichter blitzen auf. Und dann bleibt ein großes Album zurück. Deutschland, 10 Punkte – und nun erobern Sie bitte die Nachbarn, Herr Gropper. Start ist um 20 Uhr in der Kulturfabrik in Esch sur Alzette, Tickets kosten 18 bzw. 22 Euro.
Für den Einstieg zu empfehlen ist übrigens Get Well Soons aktuelle EP „Live at the Konzerthaus Dortmund“, die er auf seiner Homepage zum kostenlosen Download anbietet. Eine schöne, acht Minuten lange Kurzdokumentation hat das Label City Slang auf YouTube gestellt – viel Spaß damit! By the way – Alles Gute zum Geburtstag, City Slang!
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Bildnachweis: Pressematerial Get Well Soon (Plattencover, Foto von Jens Oellermann), von der CC-Lizenz ausgenommen
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