Am Samstag, 24. März, hatte das Stück „Peter Grimes“ Premiere im Theater Trier. Die Oper von Benjamin Britten, mit Gianluca Zampieri in der Hauptrolle, befasst sich mit der Tragik von Schuld und Unschuld sowie der negativen Macht der Worte. Das Premierenpublikum war begeistert.
In einer kleinen Fischerstadt herrscht Aufruhr. Der als „geldgeil“ verschriene Fischer Peter Grimes wird angeklagt, seinen Lehrjungen fahrlässig getötet zu haben. Er wird freigesprochen. Doch nur vom Gericht, das Dorf hat die nicht bewiesene Missetat noch lange nicht verziehen. Und wird es auch nicht, egal was Grimes tut. Dabei will der griesgrämige, einsame Mann doch nur seine geliebte Ellen, die ortsansässige Lehrerin heiraten. Allerdings ohne das rufmordende Geschwätz der breiten Masse. Dafür braucht er vor allem eines: Geld, und zwar reichlich davon denn von einer Sache ist Grimes überzeugter als von allem anderen: Geld regiert die Welt.
Und notfalls erkauft man sich damit sogar das Schweigen der Leute. Um in seiner Gier genug verdienen zu können, ist allerdings eine billige Hilfe von Nöten. Ein neuer Lehrling muss her, nachdem der alte unter unglücklichen Umständen verstorben ist.
Damals hatte Grimes ihn mit zum Fischen genommen, ein Sturm war aufgekommen und hatte sie weit vom Festland abgetrieben. Nach drei Tagen war das Trinkwasser knapp geworden, Grimes hatte von seinen Reserven zehren können, der vom Waisenhaus abgemagerte Knabe nicht.
Ellen hilft Grimes einen neuen Lehrling aufzutreiben, glaubt sie doch an einen Neuanfang und ein Happy End. Doch als sie Spuren der Misshandlung an dem Jungen entdeckt, kommen in ihr die ersten Zweifel auf, ob Grimes wirklich vollkommen unschuldig an dem Tod seines ersten Lehrlings war. Damit sind auch die Zweifel im Volk wieder geschürt und der Mob fordert seine Vergeltung. Grimes will mit seinem Lehrling über die Klippen entkommen, doch dabei passiert wieder eines dieser tragischen Unglücke. Grimes bleibt nur noch eine Wahl, um dem Klatsch zu entkommen.
Schuldig oder Unschuldig?
Sie gilt als Benjamin Brittens bedeutendste Oper. „Peter Grimes“ wurde in Trier von Regisseur Matthias Kaiser inszeniert, mit einem überragenden Bühnenbild von Manfred Gruber und Kostümen von Angela C. Schuet. In den Hauptrollen sind Gianluca Zampieri, als Grimes und Susanne Schimmack als Ellen zu sehen. Eigentliche Hauptakteure sind in Brittens Oper jedoch die Mitglieder des Opernchores und Extrachores. Während der Chor in anderen Opern eher im Hintergrund fungiert, macht hier gerade die Masse der Sänger den reizvollen Effekt aus.
Als tratschende Dorfgemeinschaft stehen sie wie ein Mann gegen den grimmigen Grimes, der einfach nicht einsehen will, dass er selbst mit allem Geld der Welt die Münder der Leute nicht stopfen könnte. Durch seine verbissenen Versuche mit Geld seine Schuld am Tod eines Kindes reinzuwaschen und endlich in Frieden seine Ellen heiraten zu können, stürzen ihn und die Menschen um ihn herum nur tiefer ins Unglück. Eine tragische Geschichte, die ein alt bekanntes Problem aufgreift: Wer im Dorf lebt, sollte mit Geschwätz rechnen und wahrer Frieden kann nur aus einem Selbst kommen.
Wenig Soli, dafür umso beeindruckender
In seiner Inszenierung legt Kaiser besonderen Wert auf eben jene dörfliche Stimmung, kurz bevor die wöchentliche Hetzjagd beginnt. Die singende Masse tritt oft so stark in den Vordergrund, dass selbst die hauseigenen Solosänger Stojanovic, Beck, Aquirre, Caspar, Czekala, Czesla und Lukács ab und an dahinter zurückbleiben. Doch auch dieses tut seinen Dienst an dem Stück, denn „Peter Grimes“ ist keine Inszenierung für Singleplayer.
Stattdessen kann erst der enorme Einsatz des Chores die dichte, kalte, tragische Atmosphäre dieser Inszenierung schaffen. An dieser Stelle soll der Chor gelobt sein, der Spiel- und Einsatzfreude zeigt und dem Stück seine besondere Würze verleiht.
Die Rollen der anderen Sänger ergänzen und verfeinern das Bild der dörflichen Gemeinschaft: Da gibt es die Bar- und Puffbesitzerin Auntie, gespielt von Globetrotterin und international bekannter Mezzosopranistin Diane Pilcher, mit ihren zwei freizügigen Nichten, gespielt von Caspar und Csezla. Es begegnet einem der Dornenvögel-Reverend Horace Adams, alias Svetislav Stojanovic, Apotheker und Quacksalber Carlos Aquirre und eine schrullige Witwe mit Miss Marple-Qualitäten, gespielt von Claudia-Denise Beck. Luis Lay spielt den übergläubigen Methodisten und László Lukács passt einfach in die Rolle des ehemaligen Handelskapitän Balstrode. Sie alle fügen sich passend in das Bild der Dorfgemeinde, verleihen tiefere Einblicke in das Leben miteinander und sorgen für den gewissen Reiz.
Tiefe Einblicke in das Leben miteinander
Die Soli wirken gerade im Gegenspiel mit dem massenhaften Choreinsatz umso beeindruckender. Allerdings gelingt es vorwiegend Susanne Schimmack und Gianluca Zampieri als ausgeformte Einzelfiguren aufzutreten. Er, der einsame Griesgram, der zwar nicht gerade von zermürbenden Gewissensbissen geplagt wird, angesichts des Todes eines Kindes, aber trotzdem mit seiner eigenen Schuld zu kämpfen hat. So wird man das Gefühl nicht los, dass er zwar in einem gewissen Maße Schuld am Tod trägt, aber sein verzweifelter Versuch dem Klatsch und Tratsch ein Ende zu bereiten, nichts weiter ist als ein ebenso verzweifelter, wie fruchtloser Versuch, den eigenen inneren Frieden wieder herzustellen.
Zampieris Spiel schwangt dabei immer auf dem schmalen Grad zwischen Verbissenheit und Verrücktheit, so schafft er es einen Zugang zur Figur zu finden, die den Zuschauer in der Schwebe lässt, ob er mit dem Fischer Peter Grimes Mitleid haben kann oder nicht. Ebenso zwiespältig erscheint Susanne Schimmack als Ellen, die vielleicht allzu blauäugig an ein Happy End für ihren Verlobten und sich geglaubt hat und angesichts ihres Irrtums eine Mitschuld daran trägt, dass die Bürger erneut geschlossen gegen Grimes vorgehen. Beide verfügen über ein immenses stimmliches Volumen.
Tolle Atmosphäre, teilweise fehlende Tiefe
Insgesamt kann über Darsteller, Bühnenbild, Kostüme und Inszenierung nur als Einheit gesprochen werden. Die gesamte Musik des Orchesters, unter der Leitung von GMD Victor Puhl, vermittelt die passende düstere Grundstimmung, an dieser Stelle ein besonderes Lob. Durch die hervorragende Spielweise des Orchesters schwappt die mal bedrohliche, mal einsame, mal kalte Stimmung Welle um Welle auf den Zuschauer nieder.
Die Kostüme sowie Maske und Bühnenbild verstärken diesen Effekt. Die Kleider schaffen mit Fischerschürze und einheitlicher Färbung eine Verbindung zum fischerdörflichen Flair und für das Bühnenbild kann man nur lobende Worte finden. Doch vor allem zaubert das Bühnenbild, das mit Licht, Technik und Requisiten beeindruckt, ein beeindruckendes Fischerdorf auf die Bühne.
Bei Darstellung und Inszenierung ist es auch das Zusammenspiel von Chor und Solosängern, welches das Stück ausmacht. Dabei ist „Peter Grimes“ eine Oper, die wie für den Chor gemacht zu sein scheint. Hier zählt vor allem eines: Masse. Dadurch bekommt die Bedrohung und das Gerede im Volk erst eine bedeutende Wirkung. Allerdings birgt genau diese Masse auch einen spürbaren Nachteil mit sich: Oft verliert man wichtige Details aus dem Blick, die zwar nicht von Belang für den Fortgang der Geschichte sind, aber Einiges zum Tiefgang beigetragen hätten.
Mein Fazit ist eine in sich geschlossene Inszenierung, mit überzeugenden Darstellern und einer stimmungsvollen und passenden Atmosphäre, die an ein paar Stellen aber etwas mehr Tiefe in den Figuren vertragen könnte. Dennoch ist es die Stimmung, die den sehenswerten Reiz des Stückes ausmacht und den Zuschauer in seinen faszinierenden Bahn zieht.
Fotos: Theater Trier
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