Am Samstag, 28. April, hatte das Ibsen-Stück „Hedda Gabler“ Premiere im Theater Trier. Die Hauptrolle der Hedda Gabler übernahm Neuzugang Alina Wolff, Regie führte Intendant Gerhard Weber. 5vier.de Redakteurin Stefanie Braun sah sich das Stück an.
Hedda Gabler ist die Tochter eines hohen Generals, spielt gerne mit den Waffen ihres Vaters und langweilt sich mit ihrem neuen Gatten „zu Tode“. Der ist nämlich ein ausgeschriebener Bücherwurm: Dr. Jørgen Tesman, gespielt von Klaus-Michael Nix, hat nichts als seine Bücher über mittelalterliche Kunstgeschichte und seine angestrebte Professur im Kopf hat.
In der Hoffnung auf diese hat er seine Hedda nämlich erst heiraten können – einer Generalstochter muss man ja etwas bieten. Eine tolle Villa, eine kostspielige Einrichtung, Gesellschaften (damit die Gattin mit ihrer Schönheit glänzen kann), für all das hat sich Tesman ganz schön in Unkosten gestürzt, sogar sein altes Tantchen, Angelika Schmid, musste mit ihrer Rente bürgen. Aber die Professur hat man ja sicher.
Zumindest glaubten Tesman und seine frisch Angetraute das; bis sie erfahren, dass Tesmans alter Rivale und Heddas alte Flamme Eilert Løvborg, gespielt von Jan Brunhoeber, wieder in der Stadt ist. Wegen seiner Alkoholsucht und der Trennung von Hedda, der er schlicht und ergreifend nicht gut genug war, suchte er Erholung auf dem Land bei Herrn Elvsted und seiner Frau Thea. Die befreite ihn mit ihrer sanften Art nicht nur aus der Sucht, sondern unterstützte ihn auch bei seinem neuen Buch. Und gerade dieses Buch ist es, das Heddas und Jørgens Leben ganz schön ins Wanken bringt.
Denn durch den phänomenalen Erfolg von Løvborg kommt nun auch er für die Proffessur in Frage. Tesman gerät ins Schwitzen, während sich seine Frau wieder langweilt, soll er sich um seinen Kram alleine kümmern, denkt sie, ihr liegt etwas ganz anderes am Herzen: Einmal die Macht über das Schicksal eines anderen Menschen haben. Diese Chance bekommt sie, als ihr abgelegter Liebhaber mit seiner Muse Thea in ihr Haus kommt und ihr das Manuskript Løvborgs in die Hände fällt.
Ein Stück von 1890 – doch aktuell ist es bis heute
Henrik Ibsens „Hedda Gabler“ entwirft das Bild einer gelangweilten Ehefrau, die ihre Lebenslust und ihre Leidenschaft nicht in einem selbstbestimmten Lebensweg bündeln kann, sondern stattdessen das Leben aller Menschen um sie herum zum Scheitern führen will. Entstanden ist das Stück um 1890, doch aktuell ist es bis heute, geht es doch um moderne Ziele wie Selbstverwirklichung, Freiheitsdrang, aber auch Macht und Aggression. Was kann passieren, wenn ein leidenschaftlicher Mensch mit viel Lebenslust unter gesellschaftlichen Normen klein gehalten wird? Wohin kann es führen, wenn ein Mensch es nicht schafft, sein Leben in eigene Bahnen zu lenken?
Alina Wolff, die als Hedda ihre zweite (Haupt-) Rolle im Theater Trier bestreitet, musste sich zuletzt in „Keinohrhasen“, als Anna, neben ihren erfahrenen Kollegen als Hauptdarstellerin behaupten. Keine leichte Aufgabe schaut man sich einmal die Riege der mitwirkenden Kollegen an: Vanessa Daun, die ihre Rolle als Thea wie immer mit viel Leben fühlt, Jan Brunhoeber als verzweifelter, zurückgewiesener Liebhaber, Klaus-Michael Nix, dem die Rolle des Tesman passt wie eine zweite Haut und Michael Ophelders, dem die Rolle des aalglatten Richters Brack runter zu gehen scheint wie geschmolzene Butter. Eine stramme Aufgabe für eine junge Schauspielerin. Vielleicht etwas zu stramm.
Wieder erkennt man ein großes Talent, besonders in ihren ruhigen Momenten, wenn Hedda alleine mit sich und ihrer ungeheuren Langeweile ist. Gerade dann, wenn sie sich ihre wunderbar sinnliche Bühnenpräsenz nicht durch viele unnötige Gänge zerläuft, erkennt man die Tiefe ihrer Rolle und somit auch das Talent Alina Wolffs. Leider sind diese Momente in „Hedda Gabler“ recht sporadisch gesät, gerade wenn die Intensität der Hedda spürbar wird, verwischt ein Gang zu viel sie direkt wieder.
Ein tiefer, psychologischer Zugang zu den Figuren
Wo der Text Nähe und Sinnlichkeit verspricht, wird zwischen den Figuren gelaufen. Natürlich sind Ibsen-Stücke selten actiongeladen, hier passiert alles auf der Kommunikationsebene, aber gerade dadurch kann man einen tieferen, psychologischen Zugang zu den Figuren gewinnen. Gerade bei der Rolle der Hedda macht der Wechsel zwischen unnahbarer Kälte und feuriger Leidenschaft den Reiz aus; bei Alina Wolff erkennt man sehr viele gute Ansätze, die mit etwas mehr Übung und Erfahrung zu einer hervorragenden Hedda werden könnten.
Den Reiz an der aktuellen Hedda macht ihre große Sinnlichkeit aus, dazu die intensiven, aber seltenen Momente, wenn sie mit sich alleine ist. Die ruhige Hedda, wie sie gelangweilt auf dem Sofa liegt oder wie sie im Wahn das Manuskript verbrennt, eröffnen den Zugang zu einer vielschichtigen, höchst komplexen Figur. Schade, dass dieser gute Ansatz in der Inszenierung nicht weiter ausgebaut wurde.
Intendant Gerhard Webers Inszenierung will sich mit den großen Fragen des Stückes beschäftigen und er wählte eine zeitlose Herangehensweise an das Stück, seine Hedda Gabler könnte jetzt, wie auch zu allen anderen Zeiten, spielen. Das großartige Bühnenbild von Anouk Schlitz, das durch schlichte Eleganz besticht und die Kostüme von Carola Vollath, die wieder mal den Nerv des Stückes treffen, unterstützen optisch die Zeitlosigkeit der Themen im Stück und die Charaktere der Figuren: Hedda als gelangweilte Schönheit, Tesman als ewig studierender Bücherwurm, Thea als Seele von Mensch und Løvborg als am Leben gescheiterter Trinker.
Eine sinnliche Bühnenpräsenz der Hauptdarstellerin
In dieser Inszenierung kann Weber leider nicht immer an die Dichte seiner letzten Inszenierung „Maria Stuart“ anknüpfen. Dafür setzt er hier mehr auf schöne Bilder und die sinnliche Bühnenpräsenz seiner Hauptdarstellerin. Insgesamt hätte man sich mehr auf diese verlassen können. Mit diesem ambitionierten Team an guten Schauspielern kann man auf die innere Wirkung der Figuren bauen und Atmosphäre auf eine andere Weise schaffen.
Leider stören die vielen Gänge und die stellenweise große Distanz der Figuren diese eindringliche Atmosphäre. Wo sprachliche Nähe entstehen könnte, herrscht räumliche Distanz. Worte, die etwas über den Kern der Figuren aussagen, finden keinen rechten Punkt, um eine Wirkung im Zuschauer zu erzielen. Trotzdem gibt es Glanzmomente, in denen die Psyche der Figuren zugänglich wird, so etwa während Bracks Erpressungsversuch und Heddas Wahn, als sie das Manuskript vernichtet. Webers Hedda besticht durch starke Körperlichkeit, eine Sinnlichkeit, die auf die unübersehbare Schönheit der Hauptdarstellerin und auf die treffsichere Darstellung ihrer Kollegen zurückzuführen ist.
Fazit: Ein sinnliches Stück, das etwas mehr Feinschliff vertragen hätte, mit einem ungeschliffenen Rohdiamanten als Hauptdarstellerin.
Fotos: Theater Trier
Claudia Stephen meint
Diese hervorragend geschriebene Kritik macht sehr neugierig. Ich werde es mir sicher demnächst ansehen.