Am Samstag, 5. Mai, gab es eine weitere Premiere im Theater Trier, dieses Mal allerdings nicht auf der Großen Bühne, sondern im Studio, das dafür bekannt ist, eher experimentelle und neuere Stücke in Szene zu setzen. „Der kalte Kuss von warmem Bier“ lautete der Titel.
Richard, gespielt von Neuzugang Daniel Kröhnert, war ein deutscher Soldat im Kriegseinsatz und ist vor drei Jahren aus Afghanistan zurückgekehrt. Seitdem ist viel passiert: Seine Verlobte hat ihn vor die Tür gesetzt und er hat drei Menschen überfahren, weil neben seinem Auto ein Feuerwerkskörper hochgegangen ist.
Die Diagnose ist klar: PTBS, posttraumatische Belastungsstörung. Eines der Überbleibsel aus dem Krieg, welches er mit Maik, alias Manfred-Paul Hänig teilt; der war vor 20 Jahren Wachmann der deutsch-deutschen Grenze und „leidet“ seitdem ebenfalls. Allerdings eher an den für ihn langweiligen Therapiestunden, die beide über sich ergehen lassen müssen.
So beschließen sie auszubrechen; auf der Suche nach dem nächsten Tropfen landen sie schließlich in der Bar von Yvonne, gespielt von Barbara Ullmann, und ihrem ebenso erfolglosen wie brutalen Lebensgefährten. Als die beiden Ausreißer beobachten, wie dieser Yvonne ins Gesicht schlägt, jagt eine Kurzschlussreaktion die nächste und bald sind sie wieder in alte Verhaltensmuster zurückgefallen. Und über alle dem schwebt stets der Geist des letzten Krieges.
Daniel Kröhnert in der Rolle des „Richard“
Daniel Kröhnert, der zuletzt in Maria Stuart (5vier.de berichtete) eine weniger überzeugende Leistung brachte, hat sich in dieser Inszenierung um einige Prozentpunkte verbessert. Zwar wirkt er auch hier oft noch etwas übermotiviert, seine Bewegungen sind oft hektisch und sprunghaft, dennoch erkennt man deutlich ein tieferes Verständnis für die Rolle.
Seine Kollegen Hänig und Ullmann lieferten wie immer gekonnte Leistungen ab. Sie, als ruppige und doch sensible, vom Leben wenig verschonte, Barkeeperin, er als ebenso wenig verschonter, zynischer Exsoldat, der mit den Schatten seiner Vergangenheit zu kämpfen hat.
Christian Miedreich, hier in einer seiner stärksten Rollen, ist als Geist, als Wahn oder Hirngespinst Maiks zu sehen, dieser hatte damals an der deutsch-deutschen Grenze eine große Schuld auf sich geladen, die ihn bis heute zur Flasche greifen lässt. Miedreich taucht auf und verschwindet wieder und bringt dabei eine Spannung auf die Bühne, die dem Zuschauer den Ernst und die Tragik des Stückes sehr nahe bringt.
Die meiste Zeit wird ansonsten nämlich viel, sowie ausdauernd gelärmt und getobt. Es wird geschrien und mit den vielen leeren Bierkästen geworfen. Dieser Teil der Inszenierung wird wohl nicht jedem Zuschauer gefallen, denn anstatt die Schrecken des Krieges und den trügerischen Schein des heimatlichen Friedens zu verdeutlichen, wirkt diese Art der Inszenierung an manchen Stellen eher verstörend.
Die erschreckenden Konsequenzen des Krieges
Geht es in „Der kalte Kuss von warmem Bier“ doch nicht nur darum zu zeigen, welche erschreckenden Konsequenzen der Krieg auf die menschliche Seele hat, sondern auch welche Formen „Krieg“ im heimischen Frieden annehmen kann. So leidet Yvonne unter den brutalen Launen ihres Freundes und letztlich kann sie nur von zwei Exsoldaten daraus befreit werden. Dabei ist diese sprachliche Brutalität keineswegs an allen Stellen der Inszenierung sinnlos, wo geschrien werden muss wird geschrien. Wo körperliche Gewalt herrscht ebenfalls. Wo ein Schuldiger mit seinen Geistern streitet, da ist Geschrei sinnvoll und gut um sich in das Stück und die Figuren einzufinden. Doch dazu muss auch ein Gegengewicht an Stille und Schweigen hergestellt werden, damit ein Schrei nicht zu Geschrei und ein Tosen nicht zu Getöse wird. Diese stillen Momente sind vorhanden, gehen aber leider etwas unter.
Regisseurin Ingrid Müller-Farny inszenierte nicht nur, sondern gestaltete in Zusammenarbeit mit dem technischen Leiter Peter Müller auch das Bühnenbild. Zweites ist vor allem auf Wandelbarkeit ausgerichtet, wenige Rahmen und Kästen bilden mal einen Therapieraum, dann wieder eine Kneipe oder auch einen Ort der Selbsterkenntnis, an dem man Schreckgespenstern begegnen kann.
Die Kostüme von Yvonne Wallitzer, die bereits für „Bartsch-Kindermörder“ entwarf, bestechen auch diesmal wieder durch Feingefühl für die Figuren und zeugen von Kreativität.
Die Inszenierung selbst wird nicht für Jedermann das Richtige sein. War die Klientel in der Premiere, im Vergleich zum sonstigen Publikum, zwar wesentlich durchmischter und der Applaus auch langanhaltend, so gab es doch auch einige Gesichter, die nicht so zufrieden wirkten. In dieser Inszenierung wird viel geschrien, auch bei Botschaften, die an sich aussagekräftig genug sind. Diese Art von Verdeutlichung wird manchem Zuschauer wohl sauer aufstoßen, wer’s mag wird allerdings voll auf seine Kosten kommen.
Das Spiel von Wahn und Wirklichkeit
Denn es gibt auch viele wirklich gelungene, kreative Ansätze mit dem Stoff umzugehen. Einige Bilder, die Müller-Farny verwendet, verstören genauso, wie der allgegenwärtige Geräuschpegel, aber sie verstören auf eine aufrüttelnde Weise: das Spiel von Wahn und Wirklichkeit, das Maik durchleben muss, wenn sein verstorbener Wachkamerad die Bühne betritt, der Einsatz von Videos und Musik sowie natürlich solche Bilder wie das Einführen eines Alkoholgetränkten Tampons in den Anus und der anonyme Blow-Job in einem Klohäuschen. Das macht diese Inszenierung wiederum sehenswert und treibt eine Spannung auf die Spitze, die der Zuschauer in den wenigen ruhigen Momenten fast körperlich spürt.
Denn wo mal nicht geschrien und mit Dingen geworfen wird, entsteht schnell echte Dramatik. Eine Dramatik, die aus der Tragik der Figuren entsteht. Eine Dramatik, die ohne viel Getobe wirkt. Ein stärkeres Wechselbad der Gefühle hätte hier den letzten Schliff verliehen und auch geübteren Theatergängern eine zusätzliche Freude gemacht. Ansonsten kam diese moderne, aktuelle Inszenierung vor allem beim jungen Publikum sehr gut an und wird hoffentlich noch mehr junge Gesichter ins Theater locken können.
Der in London lebende T.V. Smith komponierte eigens für dieses Stück vier Lieder, die an passenden Stellen eingespielt werden. Nach der Premiere gab er noch einen exklusiven Live-Gig für alle Premierenbesucher. Auch dies war eine Idee von Müller-Farny, die T.V. Smith eigens dafür ins Boot holte.
Fazit: Ein Stück mit einer deutlichen Botschaft und vier motivierten und engagierten Schauspielern, das durch seinen Aktualitätsbezug auch etwas für das jüngere Publikum, insbesondere Schüler, sein könnte.
Fotos: Theater Trier
5vier-Redaktion meint
Danke an die Kommentarschreiber für die Hinweise. Wir haben den Fehler im Text berichtigt!
leonie maier meint
der musiker heißt t.v.smith und es wird nicht so oft geschrien wie hier geschrieben wird, es gibt sehr wohl einen berührenden wechsel zwischen laut und leise..außerdem ist der innere krieg auch oft innerlich laut für die betroffenen.
Mariann meint
Liebe Frau Braun, danke für Ihren Artikel, welcher das Theaterstück definitiv gut widerspiegelt! (ja, ich war bei der Première) Wie Sie allerdings auf den Namen T.V.Jones kommen, ist… hier fehlen mir schlicht die Worte…! Wenn Sie freundlicherweise eine Korrigenda verfassen und eventuell sogar erwähnen würden, dass der Musiker die vier für das Stück geschriebenen Lieder, auf ein neues Album aufgenommen hat, das man (oh Wunder!) sogar in der Studiobühne des Theater Triers kaufen kann…?
Mit Grüssen aus der Schweiz, Marinn Frei.
Saginet meint
Liebe Redaktion, bitte berichtigt doch den gravierenden Fehler in eurem Bericht. Der Musiker aus London heißt T.V. Smith und nicht Jones.
Viele Grüße
Saginet
Saginet meint
Geht’s noch ?
Bei dem Musiker aus London handelte es sich um
T. V. Smith!
http://de.wikipedia.org/wiki/T._V._Smith