Letzten Freitag veröffentlichte der Trierer Jungfilmer Kolja Malik seinen neuen Kurzfilm (5vier berichtete). Wir waren bei der Premiere dabei und haben uns den Film angesehen.
Die Französin Aurelie kommt am Flughafen in Berlin an (gedreht wurde übrigens in Trier und Luxemburg). Ihr Freund, der sie abholen sollte, ist nicht da und auch nicht erreichbar. Zusammen mit der cholerischen Ruby, die ebenfalls versetzt wurde, macht sie sich auf den Weg in die Stadt, um auf einer Party die Zeit totzuschlagen. Dort treffen sie die depressive Kati, die ebenfalls gerade mit ihrem Freund Probleme hat. Sind sie anfangs noch zusammen unterwegs, verlieren sie sich bald im Rausch der Großstadt. Bald erlebt jede der Drei ihre eigene Geschichte: Aurelie trifft einen mysteriösen Fremden mit einem Feuerzeug, der ihr zeigt, was Freiheit wirklich bedeuten kann, Ruby kommt mithilfe eines Hippies ihrer spirituellen Seite näher und versöhnt sich am Ende mit Ihrem Freund, und Kati lernt, sich so zu akzeptieren, wie sie ist.
Künstlerischer Anspruch
Dass die Story so schnell erzählt ist und zugegebenermaßen etwas abgedroschen klingt, unterstreicht den künstlerischen Anspruch des Regisseurs, „Flackerfilme“ zu produzieren, also sowohl optisch, als auch inhaltlich verwaschen. Dies ist dem ihm, besonders vom handwerklichen Standpunkt her, sehr gut gelungen: Für einen Amateur (bzw. Halb-Amateur: Kolja Malik ist inzwischen Regieassistent am Theater in Aachen) ist die Kameraführung wirklich toll geworden, atmosphärische Shots aus weiter oder mittlerer Entfernung wechseln sich ab mit unruhigen Handkamerapassagen, sobald die Kamera mal auf nähere Tuchfühlung mit den Darstellern geht. Im Dunkeln sind die Bilder entsprechend körnig und lassen die Szenen erscheinen, als wären sie mit einer Überwachungskamera aufgenommen worden, was sicherlich auch so angedacht war. Auch dass fünfzig Prozent der Produktionszeit (also etwa ein halbes Jahr) in den Schnitt geflossen sind, merkt man hier.
Die Story selbst wird, vom „Oberflächlichen“ abgesehen, zunehmend surrealer: Man trifft schließlich nicht alle Tage in den dunklen Straßen Berlins einen Fremden, der einen mithilfe eines Feuerzeuges zum Aufbruch der gesellschaftlichen Ketten inspiriert. Auch in den anderen Episoden lassen sich unwirkliche Elemente feststellen, wie einen möglicherweise imaginären Philosophen, der Ruby begegnet, oder einem schwulen Barkeeper in Katis Erlebnissen, der für sie mehr ein Engel als ein Mensch aus Fleisch und Blut zu sein scheint.
Die Unsicherheit wird noch dadurch verstärkt, dass Aurelie im Film kein Deutsch spricht und sich in ihren Episoden deshalb hauptsächlich auf Englisch verständigt. Dies ist leider auch der größte Kritikpunkt an diesem Teil des Films: Ein französischer Akzent ist normalerweise sehr leicht zu erkennen, und dass Darstellerin Alice Fiedler nun mal Deutsche ist, hört man auch deutlich. So kann nicht einmal die ansonsten überaus charmante Spielweise der Trierin darüber hinwegtäuschen, dass man es hier eben nicht wirklich mit einer Englisch sprechenden Französin zu tun hat. Sicher keine Kritik, die man einer quasi budgetlosen Produktion zum Vorwurf machen kann, trotzdem beschädigt es die Glaubwürdigkeit.
Was ist Freiheit?
Ansonsten ist diese Episode inhaltlich die ansprechendste, auch weil Kolja Malik, als Darsteller des geheimnisvollen Feuerzeug-Mannes, angemessen exzentrisch auftritt. Sämtliche seiner Sprüche regen zum Nachdenken an („What is Freedom?“, „We have to loose our Minds to be free“) und könnten bei der nächsten Revolution ohne Änderung auf Plakaten und Wänden auftauchen. Zahlreiche Anspielungen auf Philosophen wie Sartre oder Baudrillard fallen zwar beim Ansehen nicht direkt auf, erscheinen aber spätestens nach der Lektüre des Filmheftes sinnvoll.
Den anderen Episoden fehlt zumindest diese philosophische Tiefe, besonders in Rubys Episode wirken die Bezüge auf die philosophische Disziplin der Pataphysik und auf hinduistische Spiritualität etwas arg gezwungen. Das könnte auch daran liegen, dass Yvonne Griesinger die impulsive, proletenhafte Ruby zwar gut spielt, aber hier das Drehbuch stellenweise übertreibt: So manches „Scheiße“ oder „Wichser“ hätte man sich sparen können. Wenn diese Szenen wirklich als Comic Relief geplant waren, wäre es in Ordnung gewesen, aber kombiniert mit dem derben Humor, geht der Anspruch stellenweise etwas verloren.
Anders Kati, die von ihrem Freund verlassen und verzweifelt in einer Bar landet, wo sie zuerst vom Barkeeper (Moritz Stangl in der besten schauspielerischen Leistung des Films, hier zeigt jemand Talent) wieder aufgebaut wird und danach zusammen mit einem anderen Bargast das Abschlusslied anstimmt, in dessen Begleitung die drei Episoden dann ausklingen. Der Song wurde geschrieben von Kati-Darstellerin Ellie Lorscheid und Valentin Henning (bekannt als Sänger der „Chopsticks“).
Alles in allem lässt sich festhalten, dass man es hier mit einem (dank seiner 48 Minuten relativ langen) Kurzfilm zu tun hat, der zwar mit den Mitteln des Amateurfilms gedreht wurde, aber definitiv Lust auf mehr macht. Ich für meinen Teil freue mich schon auf die nächste Produktion aus dem Hause Malik.
5vier.de wird natürlich dranbleiben, und auch über weitere Projekte des Trierer Regisseurs berichten. Wir wünschen alles Gute!
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