In einer voll besetzten Mayerschen-Buchhandlung gab sich der Weinkritiker und -journalist Jens Priewe die Ehre und gab Einblick in seine umfassenden Erfahrungen auf dem Planeten Wein. Eigentlich gekommen um sein neues Buch „Grundkurs Wein: Alles, was man über Wein wissen sollte“ zu präsentieren, kommentierte Priewe eine Verkostung italienischer Weine und gab Einblick in seine Weinphilosophie. 5vier.de-Redakteur Andreas Gniffke war vor Ort.
„Viele, die über Wein reden, geben Antworten auf Fragen, die nie gestellt wurden.“ Diese Auffassung Jens Priewes mag erklären, warum er ein neues Weinbuch für Einsteiger geschrieben hat, kann aber auch als Motto für seine Verkostung am gestrigen Mittwoch in der Mayerschen-Interbook am Trierer Kornmarkt ausgegeben werden. Zwar ist der 64-Jährige sicher kein geborener Entertainer (Stuart Pigott lässt grüßen), doch die Ausführungen über seine Passion Wein sind fundiert und vertreten eine klare Meinung. Ob man diese teilt oder nicht, ist eher unwichtig, entscheidend ist, dass man sich die richtigen Fragen gestellt hat.
Weinwelt im Wandel
Sechs Weine hatte Priewe im Gepäck. Alle aus Italien. Alle rot. Alle trocken. Naja, fast alle. Vorgestellt wurden fünf erschwingliche aber qualitativ hochwertige Alltagsweine, dazu noch ein Highlight aus dem gehobenen Preissegment. Um die Verkostung herum gab es aber auch einiges an Information und Priewe gab Einblick in seine persönliche Weinphilosophie, ohne dogmatisch oder oberlehrerhaft zu wirken. Auslöser für einen neuen Grundkurs Wein waren die umfassenden Veränderungen, denen sich die Weinwelt in den vergangenen Jahren ausgesetzt sah. Manches davon positiv, manches aber auch äußerst fragwürdig. Aber schon am Publikum im Buchladen sah man, dass sich eine neue Generation an Weintrinkern herausbildet. Einträchtig saßen Jung und Alt an den Tischen und diskutierten vorurteilsfrei über Wein.
Dabei hat sich einiges geändert in der Weinwelt. Priewe spricht von einer „Demokratisierung des Weins“ und meint damit, dass Wein heute für alle verfügbar und kein Privileg und Luxusgut einer bestimmten Käuferschicht mehr ist. Das hat auch den Zugang zum Wein grundsätzlich verändert, denn etwa neun von zehn Flaschen Wein werden heute im Supermarkt, Discounter oder Internet verkauft und nicht mehr beim Winzer oder beim Fachhändler um die Ecke. Dies ist nicht grundsätzlich zu verurteilen, hat aber Auswirkungen auf den Markt. So sind die Preise im Durchschnitt deutlich gesunken, da den Großteil vor allem extrem günstige Supermarktweine ausmachen. Dass bei einem chilenischen Wein für 3,99 € dabei keine Topqualität unter Verwendung von Original-Barriquefässern zu erwarten ist, sollte dem wachsamen Kunden eigentlich klar sein. Für den Verbraucher stellt sich hierbei die Frage: Wie erkenne ich im Supermarkt, in der Regel ohne fachkundige Beratung, einen guten Wein? Das Etikett gibt hierbei wertvolle Hinweise, hat aber seine Tücken und Fallstricke, die durchaus in die Irre und zu großen Enttäuschungen führen können.
Heute kaufen, in fünf Jahren trinken?
Eine klare Meinung hat Jens Priewe, wenn es um die Lagerfähigkeit bzw. den idealen Trinkzeitpunkt eines Weins geht. Wer kauft schon gerne eine Kiste Wein, um dann festzustellen, dass er diese am besten erst einmal ein paar Jahre in den Keller legen soll, bis der Wein zu trinken ist? „Das ist meiner Meinung nach absolut überbewertet und liegt daran, dass das ‚Modell-Bordeaux‘ auf alle Weine übertragen wird. Grob geschätzt können 98% aller Weine bedenkenlos und mit großer Freude sofort getrunken werden, wenn der Wein auf dem Markt ist. Das heißt natürlich nicht, dass sich der Wein im Keller nicht mehr weiterentwickelt. Für mich muss ein Wein noch die nötige Frische haben, daher tendiere ich dazu, die Weine nicht zu überlagern.“
Auch den neuen, modernen Techniken im Weinbau steht Priewe kritisch gegenüber. Neue Kellertechnologien sorgen zwar für eine insgesamt höhere Qualität der erzeugten Weine, doch es gibt auch Schattenseiten. Industriefreundlichere Weingesetze im Ausland, vor allem in Übersee, sorgen für einen Preisdruck, dem sich die heimischen Produkte nur schwer erwehren können. Konkurrieren müssen sie mit Weinen, die industriell dem Geschmack des Ziellandes angepasst wurden, mit Methoden, die kaum noch der Philosophie vom Wein als Naturprodukt entsprechen. Was natürlich nicht bedeutet, dass es keine guten Weine außerhalb der heilen deutschen Weinwelt gibt, nur muss hier der Verbraucher in die Verantwortung genommen werden, der zum Dumpingpreis keinen Qualitätswein nach den entsprechenden Kriterien erwarten kann.
Hohe Qualität zu erschwinglichen Preisen
Verkostet wurden insgesamt sechs, von Jens Priewe persönlich ausgewählte Weine, die zwar durchaus unterschiedlich waren, aber trotz des konsumentenfreundlichen Preises hohe Qualitäten aufwiesen. Nach einem ‚Pelofino Rosso‘ aus der Toskana und einem ‚Irpinia Aglianico‘ aus Kampanien wurde es interessant. Am Beispiel zweier vollkommen unterschiedlicher apulischer Weine der Rebsorte Primitivo zeigte Priewe, wie sehr sich der Boden auf den Geschmack des Weines auswirkte. Bemerkenswert, vor allem weil Priewe kein großer Freund des Primitivos ist… Nach einem Nero d’Avola aus Sizilien kam der Höhepunkt ins Glas, nämlich ein Coronato aus der Toskana, der sowohl preislich als auch geschmacklich die anderen Weine deutlich in den Schatten stellte. Der Wein vom neuen Gut der legendären Familie Antinori überragte alle anderen Weine des Abends an Komplexität und Finesse, was aber natürlich nur wenig überraschend war. Lecker war er dazu auch noch, auch wenn der Gastgeber des Abends diesem Begriff nur all zu wenig abgewinnen kann.
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