„Wir trauen uns“ sagen im Wonnemonat Mai besonders viele Leute. Stefanie Braun von 5vier.de sprach mit drei Paaren, die entweder erst vor einem Jahr den Bund fürs Leben schlossen, seit fast 40 Jahren ein gemeinsames Leben führen oder sich erst diesen Sommer „trauen“ wollen. Den Anfang machen:
Jennifer und Björn
Das erste Paar mit dem ich mich traf war das (fast) frisch vermählte Ehepaar Jennifer und Björn, die im Sommer letzten Jahres ihre Hochzeit gefeiert haben. Zu diesem Zeitpunkt waren sie ein Jahr verlobt und drei Jahre zusammen, eine Zeitspanne die vielen etwas zu knapp erscheinen dürfte. Zumal Jennifer zum Zeitpunkt der Eheschließung erst süße 21 Jahre alt war. Ihr damaliger Verlobter war immerhin schon 28. Darauf angesprochen sind sich beide einig:
„Es kommt nicht darauf an, wie jung oder alt man ist, sondern wie sicher man sich ist. Es gibt Paare, die zehn Jahre zusammen sind und sich immer noch nicht sicher sind und es gibt Paare, die es bereits nach zwei Wochen wissen.Wenn man sich sicher sei, könne man ja auch heiraten“, so Björn. „Meine Mutter war aber auch schockiert“, lacht Jennifer. „Vor allem weil ich noch so jung bin und es ihr generell alles zu schnell ging. Wir sind ja auch nach drei Wochen schon zusammengezogen.“
Wie haben Freunde und Verwandte denn überhaupt reagiert, will ich wissen. „Bei mir war es genau anders herum als bei ihr, ich bin in dem Alter in dem man ans Heiraten denken kann und meine Familie vertraute mir voll und ganz. Überrascht zeigten sich meine Arbeitskollegen.“ Björn arbeitet im sozialen Bereich, da wird das Individuum groß geschrieben und die konventionellen Heiratsvorstellungen passen eher weniger in dieses Umfeld. Auch Jennifers Arbeitskollegen waren anfangs skeptisch: „Sie meinten alle, ich solle meine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin erst fertig machen, schon allein weil bei einer Eheschließung auch das Kindergeld wegfällt.“
Was hat sich denn überhaupt rein finanziell geändert? Jennifer zuckt mit den Achseln: „Zunächst hat sich mal die Steuerklasse geändert, ich verdiene in meiner Ausbildung recht wenig und jetzt sogar noch etwas weniger. Das merke ich schon auf dem Gehaltszettel. Dafür verdient Björn etwas mehr.“ Im Prinzip verdient er genau das, was ihr nun fehlt, zusätzlich zu dem weggefallenen Kindergeld. „Für uns hat es sich nicht ‚gelohnt‘ zu heiraten“, meint er. „Es ist nicht so, dass wir alles durchgerechnet hätten und deswegen geheiratet haben“, sagt Jennifer. „Der Grund zu heiraten war kein praktischer oder finanzieller – es ging bei uns in erster Linie um die Liebe“, erklärt Björn.
„Der Grund, warum wir gerade zu diesem Zeitpunkt geheiratet haben, war allerdings noch ein anderer“, räumt Jennifer ein. „Wir wollen dieses Jahr noch umziehen – rund 600 Kilometer weit weg – und es war einfach praktischer, weil nur eine Familie nach Trier kommen musste und meine Eltern vor Ort waren. So mussten nicht beide Familien eine weite Reise auf sich nehmen. Mal abgesehen davon, dass wir nur für eine Familie das Hotel bezahlen mussten. Allerdings“, so sagt sie weiter, „hätten sie auch noch wesentlich früher heiraten können.“
Warum sie denn überhaupt geheiratet hätten, will ich wissen, die böse Scheidungsrate im Hinterkopf herum schwirrend. Wenn man sich doch sicher ist, dass man zusammen bleibt, wozu braucht man da noch ein Blatt Papier auf dem selbiges steht?
„Wir sind beide sehr traditionell, daher haben wir auch kirchlich geheiratet. Das war uns einfach wichtig. Zum anderen arbeiten wir beide im sozialen Bereich und da haben viele Arbeitsstellen auch kirchliche Träger. Uns ging es vor allem um die Stimmung, im Standesamt kann man vielleicht zehn Leute mitbringen, aber in einer Kirche kann man mit wesentlich mehr Leuten feiern.“
Bei dem Stichwort „kirchliche Trauung“ kommen mir direkt Schreckensszenarien à la Frank – Der Weddingplaner in den Sinn: von pompösen Kleidern mit meterlangen Schleppen, weißen Kutschen mit noch strahlenderen Roßen und reichlich geschmückten Kirchbänken. „Wir haben allen möglichen Schnickschnack und Kitsch weggelassen. Ich habe zum Beispiel auch nicht in Weiß geheiratet“, erzählt Jennifer. Ihr Brautkleid war ein schwarz-blaues Kleid von der Stange, dass sie für 100 Euro in einem hiesigen Kaufhaus erstanden hat. Eine Verwandte, die sehr gut nähen konnte, hat es dann mit Freuden für sie umgenäht.
„Um Fotos zu machen, haben wir Freunde gefragt, die eine gute Kamera besitzen und auch mit Leidenschaft fotografieren“, so erzählt Jennifer weiter. „Wir wollten eben alles nicht so streng aufziehen. Am Anfang wollten wir sogar einfach eine Grillhüte mieten und die Hochzeit dort feiern.“ Dafür waren sie dann zu spät dran, alle Grillhütten in der Umgebung waren für den gewünschten Termin bereits ausgebucht. Das Weglassen diverser Hochzeits-typischer Dinge hatte allerdings auch einen praktischen Grund, denn manches hätte den finanziellen Rahmen einfach gesprengt.
Hat denn nicht was gefehlt? Immerhin wird einem von vielen Seiten suggeriert, dass eine ordentlich Hochzeit ohne ein Mindestmaß an Kitsch gar nicht auskommen kann. Jennifer lacht: „Einen Affen hätte ich gerne gehabt.“ Björn überhört das und erklärt mir: „Wir haben uns bestimmte Kleinigkeiten gegönnt, die wir schön fanden, aber eben nicht viel gekostet haben. In der Messe hatten wir spezielle Lieder, die zu uns gepasst haben, der Spruch in unseren Ringen war sehr individuell und statt Reis werfen zu lassen haben wir Seifenblasenspender in Hochzeitstortenform im Internet bestellt und an die Gäste verteilt.“ Jennifer erzählt, dass sie für einen kurzen Moment überlegt hatte, ob sie nicht doch in Weiß heiraten soll: „Allein wegen meiner Mutter, die sich das immer gewünscht hatte.“ Aber sie hätte das Kleid ja nur einmal angehabt und wollte dafür einfach keine hunderte von Euro ausgeben. „Außerdem hätte weiß an mir etwas komisch ausgesehen,“ meint die Rothaarige mit der hellen Haut. Im ersten Moment war ihr blau-schwarzes Brautkleid wohl ein Schock, doch bald kamen die ersten zu ihr und gaben ihr recht, dass es ihr einfach besser stehe und dass es eben etwas ganz individuelles war.
„Aber ich fand nicht, dass wir wegen des Geldes auf etwas verzichten mussten“, Jennifer sieht zu Björn, der beinah nahtlos fortfährt: „Im Gegenteil, es erwies sich sogar oft als positiv, wenn wir an irgendeiner Stelle gespart haben.“ Seine Schwiegermutter backt und kocht leidenschaftlich gerne und hat sich sofort bereit erklärt den Hochzeitskuchen zu backen. Freunde von ihnen wollten die Hochzeitsfotos machen und andere stellten sogar ihr Auto zur Verfügung – als Brautwagen. „Wir haben niemanden gezwungen, die wollten das alle“, scherzt Jennifer und Björn erklärt: „Statt einen Konditor zu bestellen, hatten wir jemanden im näheren Kreis, der den Kuchen sofort backen wollte und stolz auf seine tolle Arbeit sein konnte. Das war für uns eine tolle Möglichkeit viele Leute in unsere Hochzeit einbinden – auf eine ganz besondere Weise.“
Auf die Frage nach dem Tag danach müssen beide erstmal tief durchatmen. „Der war anstrengend.“ sagt Jennifer. Erstmal mussten sie organisieren, dass alle Verwandten wieder gut Zuhause ankamen, dann musste die komplette Feier bezahlt werden. „Also haben wir die Geschenkkarten aufgerissen, das Geld zusammen gezählen und damit bezahlen. Da blieb nicht viel Zeit für Romantik.“ Der zweite Tag war mit einem Nachbarschaftskaffee aus Jennifers Heimatort auch nicht viel entspannter, am dritten Tag folgten die Behördengänge und am vierten Tag konnten sie sich dann endlich mal ein bisschen Ruhe gönnen. Nur einen Tag später war der Urlaub für die beiden schon zu Ende.
Einen Tipp für alle, die heiraten möchten, haben die beiden aber auch noch auf Lager: „Die eigene Hochzeit ist etwas für einen selbst und für den Zukünftigen, da kommt es nicht darauf an, dass andere damit glücklich sind. Unsere Hochzeit war so schön, weil sie individuell war und eben nicht typisch“, sagt Jennifer.
Ob sie noch etwas anmerken wollen, frage ich und Jennifer dreht sich grinsend zu ihrem Mann: „Ich wollt dir nur sagen, ich lass mich scheiden“, und lacht los. Björn kann sich das Schmunzeln nicht verkneifen, wendet sich zuerst an seine junge Frau, dann an mich und meint: „Damit beenden wir das wohl.“ Selbstverständlich hat er damit nur das Interview gemeint. Seine Ehe besteht auch weiterhin.
In unserer nächsten Folge geht es weiter mit Karin und Jürgen (die beiden sind seit über 30 Jahren verheiratet) und Marina und Heiko (beide möchten demnächst den Bund für’s Leben schließen).
Fluppe meint
Das ist irgendwie total süß. Schönes Paar! Meine Freundin sagt immer sie will in rot heiraten. Ich schick ihr mal den Artikel (wegen auch nicht weiß und so) ^^