Am Samstag, 13. Oktober, durfte das Theater Trier eine weitere Premiere feiern. Mit Publikumsliebling und letztjähriger Theatermasken-Preisträgerin Adréana Kraschewski wurde „La Traviata“ zu einem vollen Erfolg.
Violetta liebt es leicht, mit rauschenden Partys, losen Beziehungen und jede Menge Verehrern. Bis der junge Alfredo in ihr Leben tritt und ihr seine unsterbliche Liebe offenbart; dabei wollte Violetta, gespielt von Adréana Kraschewski, doch immer nur frei sein, frei wie ein Vogel. Sie kennt die Liebe nicht und will sie auch eigentlich gar nicht kennenlernen, verrät ihr Bauchgefühl ihr doch, dass sie ihr nichts als Unglück bringen wird. Doch der liebestrunkene Alfredo, Svetislav Stojanovic, lässt nicht locker und erobert schließlich das Herz der heiß begehrten Schönheit. Die beiden fliehen aus der Stadt, lassen die Glamourwelt hinter sich und beschließen fortan nur noch für sich zu leben. Ein utopisches Liebesverhältnis, das freilich nicht von Bestand sein kann. Alfredos Vater, alias Amadeu Tasca, sieht die Verbindung seines Sohnes aus gutem Hause mit so einem leichten Mädchen gar nicht gerne, zumal sein und der Ruf der gesamten Familie unter dem Verhältnis leiden. Er sucht Violetta auf, um ihr die fatale Situation vor Augen zu führen und sie zu bitten von Alfredo abzulassen. Die tut dies schließlich schweren Herzens und versucht erneut Fuß in der Stadt zu fassen. Erschwert wird ihr das Ganze von herzzerreißendem Liebeskummer und Schüben einer todbringenden Krankheit, an der sie seit geraumer Zeit leidet. Als Alfredo sie auch noch auf einer Gesellschaft beleidigt und bloßstellt, bricht sie zusammen. Letztendlich fordert die Krankheit ihren Tribut, sie fristet ein einsames Ende. In (fast) letzter Sekunde schafft Alfredo es noch zu ihr, doch auch er und sein Vater können schließlich nur noch resümieren: Sie ist tot.
Zauberhaft und berührend
„La Traviata“ von Giuseppe Verdi, nach dem Weltroman von Alexandre Dumas, ist nicht zu Unrecht bis heute ein Garant für ein volles Haus und unter der Flagge von Regisseurin Birgit Scherzer und Hauptdarstellerin Adréana Kraschewski kann es nur gut aussehen für diese Inszenierung. Und das tut es auch! Zwar ist der erste Teil vor der Pause stellenweise etwas steif, doch der zweite Teil macht dies mit einer fast zauberhaften Langsamkeit wieder weg. Da zergeht jedes Wort, jeder Ton, jede Geste förmlich auf der Zunge.
Von Hauptdarsteller, über Nebendarsteller, bis hin zum Chor sitzt jede Bewegung, da merkt man die Arbeit von Scherzer deutlich, die ja eigentlich von der Choreografie kommt. Schon bei „The Voyage“ arbeitete Scherzer über Körperlichkeit und Bewegungen und verlangte ihren Sängern und auch dem Chor so einiges ab. Bei „La Traviata“ sind ihre Bewegungsabläufe nun um einiges langsamer, gleichmäßiger, meditativer, nichtsdestotrotz achtet sie darauf, dass jede Geste sitzt.
Genauigkeit in den Bewegungen und dennoch eine fast spielerische Leichtigkeit vereint Kraschewski in ihrer Darstellung der Violetta. Besonders ab der zweiten Hälfte schafft sie es ihr Spiel von Szene zu Szene noch mal mehr zu vertiefen, ihre Intensität zu steigern. Ein besonderer Leckerbissen bildet dabei der dritte Akt, in dem sie todkrank ihre letzten Stunden in einem Guckkasten fristet. Müde an die Wand gelehnt, statt auf einem Bett zusammengesunken. Gäbe es ja auch gar keins; als Lagerstätte dient ihr ein Haufen Kies. Ihre Dienerin schwebt als Todesengel mit einer weißen Lilie in der Hand über die Bühne. Alfredo und sein Vater bleiben stets außerhalb des Kastens, sie sind bei ihr und doch stirbt Violetta allein. Ihr Tod wird durch den Kasten zum Ausstellungsstück. Nahe kommt ihr niemand mehr. Der Tod als Feststellung.
Ein fantastisches Ensemble
Doch auch ihre Kollegen stehen Kraschewski in nichts nach, allen voran Svetislav Stojanovic, als rasend Verliebter oder verliebter Rasender. Dicht gefolgt von seinem „alten“ Väterchen Amadeu Tasca, der wirkt in der ersten Hälfte manchmal noch etwas steif, um dann nach der Pause als strenger Patriarch aufzutreten. Generell bleibt keine der Rollen zurück; haben die Figuren gerade keinen großen Auftritt, so verschmelzen sie mit der tragenden beziehungsweise tragischen Stimmung. Diese Stimmung verdankt die Inszenierung auch dem Bühnenbild von Gerd Hofffmann und Arlette Schwanenberg, das besonders im letzten Akt von psychologischem Feingefühl und Kreativität zeugt. Daneben überzeugen zum einen, die schräg stehende Bühne im ersten Akt, auf der Violetta ihr leichtfertiges Dasein inszeniert, und zum anderen die idyllische Natur“landschaft“, in die sich Violetta und Alfredo flüchten. All diese Bilder kommen mit wenigen zarten Andeutungen aus, Lichteffekte und wenige Details tun ihr übriges. Daneben Wände mit Namen berühmter Persönlichkeiten, die Assoziationen wecken und zum Nachdenken anregen.
Musikalisch hervorragend
Das stimmungsvolle Bühnenbild wird abgerundet von den detaillierten Kostümen von Gera Graf, die es gekonnt versteht, Charaktere und auch Situationswandel umzusetzen. So ist der Zuschauer bei einem Kostümwechsel live dabei und erfährt so hautnah den Abstieg Violettas von der in feines Tuch gehüllten Societydame zur todkranken Leidenden. Ihre Dienerin, gespielt von Angela Pavonet, zieht sie zwischen dem zweiten und dritten Akt auf der Bühne um. Von feiner Abendrobe in ein wenig feines Kittelkleid.
Ein besonderes Lob geht an Victor Puhl und sein Orchester, das neben dem Augenschmaus auf der Bühne, den Ohrenschmaus im Orchestergraben bot. Insgesamt kann man hier nur den Hut ziehen vor einer geschmackvollen, feinfühligen Inszenierung, die von ihrem Bewegungsapparat her ganz klar die Handschrift ihrer Regisseurin trägt. Daneben sieht man eine wie immer wunderbare Adréana Kraschewski und ein hoch motiviertes und stimmgewaltiges Ensemble. Absolut sehenswert.
Fotos: Theater Trier
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