Am vergangenen Donnerstag um 12.00 Uhr ging es los. In vielen Städten Deutschlands gingen Interessierte auf die Straße, um gegen das Bildungssystem zu demonstrieren – auch in Trier.
Hier hatte sich eine engagierte Masse auf dem Viehmarkt formiert, um auf „die chronische Unterfinanzierung der Bildung und die schlechten Lernbedingungen an Schulen und Universitäten“ zu verweisen. Zusammen ging es durch Trierers Innenstadt bis zum Wahrzeichen der Stadt. Die Endstation bildete gleichzeitig den Höhepunkt der Demonstration. Friedlich zeigten die Streikenden vor der Porta Nigra ihren Unmut und setzten sich einfach auf die Hauptstraße hin.
Warum ist das Bildungsstreik-Bündnis Trier unzufrieden?
„Wir sind für mehr Individualismus und kostenfreie Bildung für alle…“, hört man aus den Lautsprechern des Bildungsstreik-Bündnisses dröhnen. Zur Mittagszeit hatte sich am vergangen Donnerstag eine kleine, aber ansehnliche Gruppe versammelt. Alle Anwesenden haben denselben Gedanken. Sie möchten das angeschlagene Bildungssystem reformieren. Aber warum?
Nach einigen Klicks ist es glasklar: Das Mainzer Kabinett hat einen Entwurf für den Doppelhaushalt 2012/2013 herausgebracht. Darin steht vor allem eins auf der Tagesordnung: Sparen. Bereits jetzt hat die Studierendenschaft allen Grund zur Unruhe (5vier.de berichtete), doch durch die Sparvorgaben der rot-grünen Landesregierung für den Hochschulbereich werden die Studierenden und der wissenschaftliche Nachwuchs noch mehr in Mitleidenschaft gezogen. Noch weniger Lehrpersonal steht einer stetig steigenden Studentenschaft gegenüber. Somit plädiert das Bildungsstreikbündnis Trier für folgenden Punkte:
- kostenfreie Bildung
- mehr Investition in die Bildung statt in die Bankenrettung
- keine Streichung von Lehrstellen
- Personalzunahme an Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen
- gute Studien- und Ausbildungsplätze für alle
- Übernahme nach der Ausbildung
- eine Schule für alle: kein gegliedertes Schulsystem und somit auch die Abschaffung des Gymnasiums
- kein Turbo-Abi – also Rückführung in G9
- Abschaffung der Noten
- Abschaffung aller Zulassungsbeschränkungen
- Verlängerung der Regelstudienzeit
- keine Einsparungen im Bus- und Bahnverkehr: ausgebauter, kostenloser öffentlicher Nahverkehr für alle
- bezahlbarer Wohnraum für alle
Warum sich an dem Streik beteiligen?
5vier.de hat sich nun die Frage gestellt, welche Beweggründe die individuellen Demonstranten haben und ob sie allen Forderungen des Bildungsstreikbündnisses teilen. Inmitten der Masse sticht ein Demonstrant besonders hervor:
Der sechs Monate junge Klaus. Mit dabei hat er seinen Vater, Johannes. Er studiert im ersten Semester, möchte später Lehrer werden und bestätigt: „Ich sitze mit 70 Leuten im Seminar und bei den geringen Kapazitäten kommt die Qualität einfach zu kurz. Ich kann gar nicht viel mitbekommen und hoffe, dass sich in dieser Hinsicht etwas ändern wird.“ Aber Johannes hat nicht nur Kritik, sondern auch Lob für die Universität Trier übrig. Schließlich habe das Studierendenwerk das Studium für ihn und seine junge Familie sehr freundlich gestaltet. Hilfe werde ihm von allen Seiten geboten.
Caroline studiert im Bachelorstudiengang Psychologie und ist nach drei Semestern vom Bildungssystem sichtlich frustriert. Als BAföG-Empfängerin hat ihr das Bachelorsystem zusammen mit dem Verwaltungsapparat des BAföG-Amtes eine fast unüberwindbare Aufgabe gestellt: Im nächsten Semester muss sie eine bestimmte Anzahl an Seminarscheinen vorweisen. Allerdings ist dies aufgrund der eingeschränkten Kapazitäten nicht unbedingt möglich. Die Seminare sind überfüllt und noch weiß sie nicht, ob sie ein Platz erhalten wird. „Aber auch wenn ich ein Seminarplatz bekomme. Was habe ich davon? Zwar wird das BAföG-Amt dann Ruhe geben, aber vom Seminar selbst habe ich herzlich wenig. Schließlich kann ich mich vor lauter Formalitäten gar nicht mehr richtig auf das Wesentliche konzentrieren.“, so Caroline. Die ständige Sorge um die formalen Aspekte des Studiums und die Studienbedingungen überschatten die Freude am Studieren.
Ein Passant, 40 Jahre, verfolgt das Belangen der Demonstranten in seiner Mittagspause. „Ich kann den Unmut verstehen. Aber wenn man sich genau umschaut, so herrschen doch überall Missstände. Überall wird gespart. In jedem Fall finde ich es wunderbar, dass die jungen Leute sich zu Taten aufraffen können. Das sieht man heutzutage leider viel zu wenig. In meiner Generation sind wir viel öfter auf die Straßen gegangen.“ Sein junger Arbeitskollege sieht das ebenso: „Die Bildung ist wichtig und man muss seine Stimme kundtun. Ansonsten kann gar keine Besserung eintreten!“
Eine weitere Passantin, 47 Jahre, gibt uns ihre Eindrücke: „Ich bin selbst in der Tagesstätte tätig und somit betrifft mich das Thema tagtäglich. Meine Erfahrung ist, dass die Bildungssituation gar nicht schlechter geworden ist. Das Gegenteil ist der Fall. Doch es gibt immer wieder neue Herausforderungen zu bewältigen. In den letzten Jahren habe ich eine Bewusstseinsveränderung im Bildungssystem beobachtet. Auf diese Veränderung muss es eine geeignete Antwort geben.“
Im weiteren Protestzug kam der Demonstrantenschaft eine Gruppe aus vier älteren Herrschaften entgegen. „Was macht ihr da?“, fragt die Dame. „Geht erst mal studieren, statt immer nur zu protestieren. Ihr habt es doch gut! Wir waren schon mit 14 arbeiten!“, ergänzte ein weiterer Herr.
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