Am Freitag, den 13. Juni, hatte das letzte Studiostück dieser Spielzeit Premiere im Theater Trier. Theresia Walsers Stück „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ über drei Diktatorengattinnen wurde inszeniert von Werner Tritzschler.
„Die gehen voraus, ich komme hinterher.“ Der Dolmetscher schüttelt den Kopf, man geht zusammen von links nach rechts über die Bühne. Die Dame mit ältlich lila-gefärbten Haaren schüttelt vehement den Kopf, sie sei noch niemals von links nach rechts gegangen. So beginnt und endet das Stück von Theresia Walser in der Regie von Werner Tritzschler über drei Frauen. Drei Frauen, die man vor allem in einer Funktion kennt: an der Seite zu sein. An der Seite von Männern, die der Welt, einem Land und einem Volk eine Brandmarke aufgesetzt haben. Ihre Nachnamen sprechen Bände von Grausamkeiten, Bösartigkeiten und Verbrechen. Im Stück von Walser sind sie selbst jedoch der Ausbund von Oberflächlichkeit, Banalität und Weltfremdheit.
Ungewöhnliche Beleuchtung
Leila Ben Ali, Imelda Marco und Margot Honecker sind die drei Frauen, um die es in der Inzenierung von Werner Tritzschler geht. Über sie soll ein Film gedreht werden, sie treffen sich zur gemeinsamen Pressekonferenz hinter der Bühne. Da Frau Honecker kein Wort Englisch spricht wurde ihr ein Dolmetscher zur Seite gestellt. Der gerät allerdings schon bald in Übersetzungsnot als die drei Damen anfangen einen kleinen Zickenkrieg untereinander auszutragen. Aber wo er schonmal dabei ist, den Ladies ungesagte Freundlichkeiten in den Mund zu legen, kann er auch anfangen, ungesagte Bekenntnisse in die Welt zu setzen.
Steter Tropfen höhlt den Stein und Kleinvieh macht auch Mist. Nach diesen Motti scheinen die drei Damen ihre Bösartigkeiten in die Welt zu setzen. Mit falschem Lächeln und durch nichts aus der Ruhe zu bringendem Charme lassen sie unermüdlich ihre Ekelhaftigkeiten in den Äther. Tritzschler macht in seiner Inszenierung, in der er auch das Bühnenbild gestaltet hat, einen Catwalk der Gemeinheiten aus dem Gehabe der drei. Die Gattinnen und ihr Dolmetscher stolzieren über den Laufsteg auf der Bühne. Tritzschler arbeitet in dieser Inszenierung verstärkt mit ungewöhnlicher Beleuchtung: statt den Zuschauer in der üblichen Dunkelheit zu verstecken, lässt er ihn in normaler Saalbeleuchtung, wie auf dem Silbertablett den Damen zum Fraß vorgeworfen. Von unten beleuchtet wirken die monströs und grotesk, das Lächeln fratzenhaft, die Mundwinkel hängend.
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Tritzschler schöpft in seiner Inszenierung und bei seinen Darstellern aus den Vollen. Mit Sabine Brandauer als Frau Leila, Friederike Majerczyk als Frau Imelda, Barbara Ullmann als Frau Margot und Christian Miedreich als Dolmetscher hat er vier Komödianten gefunden, die dem Stoff von Walser Absurdität und gleichzeitig Tiefe verleihen. Majerczyk als ewig lächelnde Giftspritze mit viel zu hoher Stimme. Brandauer als ewig coole, charmante Dame von Welt und Ullmann als eiserne Lady, für die ein neuer Pullover der Luxus des Tages ist. Besonders schön arbeitet Tritzschler dabei das unbelehrbare Unverständnis dieser Frauen heraus, die mit einer grotesken Selbstverständlichkeit daran festhalten, alles richtig gemacht zu haben. Die die jeweils anderen anschauen wie Menschenschlachter und Volksausbeuter. Die daran glauben, in ihr Land zurückkehren zu können, um der Bevölkerung „ihr“ Land wiedergeben zu können oder ihre Ideen fortsetzen zu können.
Weltfremd und unbelehrbar
Dabei gestalten Ullmann, Brandauer und Majerczyk ein Dreiergespann, dem man nur zu gerne zuschaut. Sie spielen alle Züge aus und geben ihren Gattinnen einen fragwürdigen Glanz, der beim Zuschauer ein seltsames Interesse erweckt. Man kann gar nicht anders, als zuschauen wollen, an ihren Lippen hängen, sich faszinieren lassen von den Ups and Downs der Drei. Die mal bittersüß sind, dann wieder unerreichbar weltfremd, dann wieder fast (über)menschlich mütterlich. So erzählen sie in Klatschweiber-Manier von rollenden Köpfen und erschossenen Dolmetschern, um im nächsten Moment selbstgeschriebene Gedichte wie Wiegenlieder vorzutragen. Und zwischendrin Christian Miedreich, der sich mit seinen Schauspielkünsten wacker gegen die Frauenpower stellt und einige Male mit viel Witz, aber auch Tragik auftrumpft.
Die Kostüme von Yvonne Wallitzer runden das Bild ab: Frau Leila in schicken Kostümchen, Frau Imelda in Märchenseide, geschmückt wie ein Weihnachtsbaum, Frau Margot als graue Baumwollmaus in knielangem Rock. Der Dolmetscher mit knielanger Hose und Kniestrümpfen, ein Biedermann in Schuluniform.
Fazit: Wieder eine gelungene Inszenierung von Tritzschler, der es immer aufs Neue schafft mit vielen Ideen das Beste aus seinen Schauspielern herauszuholen.
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