Durchatmen im Moselstadion. Bis zur 60. Minute lag Trier mit 0:1 gegen Wuppertal zurück und drohte aus dem Titelrennen auszuscheiden. Dann sorgte ein kurioses Tor von Thomas Drescher für die phänomenale Wende. „Wer bis heute nicht geglaubt hat, dass wir eine echte Mannschaft sind, der wurde eines Besseren belehrt.“
Es gibt solche Schlüsselmomente im Fußball, über die am Ende einer Saison noch mit leuchtenden Augen gesprochen wird. Diese kleinen, spontanen Sekunden, in denen sich ein Blatt plötzlich schlagartig wendet, in denen eine Mannschaft erst hoffnungslos am Boden liegt, ehe sie dann einen beflügelnden Augenblick erlebt, der sie zu einem ganz großen Ziel tragen kann. Inwieweit die 60. Minute im Moselstadion irgendwann für Eintracht Trier als ein solcher Schlüsselmoment gedeutet werden kann, in dem Thomas Drescher seinen großen Auftritt beim 3:1-Heimsieg gegen den Wuppertaler SV erlebte, wird die ferne Zukunft zeigen.
0:1 lag der Titelkandidat in der Regionalliga gegen den einstigen Favoriten zurück und zu dem Zeitpunkt in der deprimierenden Blitztabelle elf Zähler hinter Tabellenführer Sportfreunde Lotte. Ahmet Kulabas war zuvor bei einer der vielen Chancen an Christoph Semmler gescheitert, der Torhüter der Wuppertaler SV trieb die Trierer fast zur Verzweiflung in seinem gelben Trikot mit der aufgeklebten Nummer 24. Doch dann kam die Stunde von Thomas Drescher. Den Abschlag von Semmler fing er ab, legte sich den Ball vor, wollte ihn von der Auslinie scharf vor das Tor flanken, „weil der Torhüter noch sieben, acht Meter davor stand“, wie der Interimskapitän erzählte. Doch der Ball trudelte zur Überraschung aller Augenzeugen über die Linie zum 1:1 (60.), das die große Wende vor 1924 Zuschauern einleitete. „Dort wollte ich gar nicht hinschießen, das war Glück und lag wohl an meiner enormen Streuung heute“, lächelte Drescher glücklich.
Kritik an Pfiffen von der Tribüne
Dem 33-Jährigen war nach dem Spiel reichlich Ballast von der Seele gefallen. In der Halbzeit sprach er zu der Mannschaft und entschuldigte sich. „Ich habe in den ersten 45 Minuten einen rabenschwarzen Tag erlebt.“ Er bat seine Kollegen, ihm da rauszuhelfen. Der Pausenschwur der Eintracht war so eindeutig. „Wir wollen das Spiel noch drehen.“ Besonders erleichtert war Drescher so auf dem Weg in die Kabine. „Die Jungs haben mir aus der Scheiße geholfen. Wer bis heute nicht geglaubt hat, dass wir ein echtes Team sind, der wurde jetzt eines Besseren belehrt. “ Dabei war die Wende keine Selbstverständlichkeit, weil die Trierer sich in der Anfangsphase an das 1:1 in Bochum erinnert fühlen mussten. Engagiert war der Start gegen Wuppertal, das fast mit einer robusten, aber wenig kreativen Fünferkette in der Abwehr anfing, die an die italienischen Verteidigungskünste des SSC Neapel erinnerte. Dennoch gab es Chancen gegen das Bollwerk. Doch im letzten Moment scheiterte die Eintracht immer an ihrer schwachen Ausbeute und an Christoph Semmler. Einen Kopfball von Oliver Stang lenkte der Torhüter über die Latte (4.), einen Schuss des freistehenden Alon Abelski aus zehn Metern musste er nur abfangen (11.), nach einer Hereingabe von Thomas Drescher hechtete er vor Thomas Kraus auf den Ball (14.). Semmler war der Retter des WSV, aber in seiner Funktion als Torwart nicht der Torschütze zum 0:1, das den Spielverlauf auf den Kopf stellte. Die Aufgabe erledigte Tom Moosmayer, der nach einer Abwehr von Oliver Stang völlig frei abschloss (20.).
Danach verlor die Eintracht den Faden aus der Hand, wurde hektisch. Es häuften sich Fehler wie bei Kapitän Drescher, dem zwei Bälle ins Aus versprungen, was ihn sichtlich aufwühlte. Es mehrte sich die Zahl der vergebenen Chancen, als Jeremy Karikari aus einem halben Meter über das Tor köpfte (26.). Es wuchs die Unzufriedenheit im Stadion. „In so einer Phase erwarte ich von den Zuschauern auf der Haupttribüne mehr Anfeuerung. Das ist schon länger ein Thema in der Mannschaft“, klagte Drescher über Pfiffe.
Am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen
So zog sich das Team am eigenen Schopf aus dem Sumpf. Die Befreiung zum 1:1 beflügelte die Eintracht, die Sekunden später in Führung ging. Alon Abelski zog im Strafraum vier Gegner auf sich, behauptete den Ball technisch gewandt und flankte auf Chhunly Pagenburg, der sich zum 2:1 bedankte (62.). WG-Kollege Ahmet Kulabas schloss einen feinen Pass von Fahrudin Kuduzovic zum 3:1 ab, als er ganz cool im Duell gegen Semmler die Nerven behielt. Der Ball trudelte vom Pfosten ins Tor zur ultimativen Glückseligkeit, die Trainer Roland Seitz zu kräftigen Umarmungen von Assistent Rudi Thömmes animierte, dessen Rippen dabei mächtig strapaziert wurden. „Das ist ganz wichtig für die Moral“, freute sich Pagenburg über den ersten Sieg der Saison, bei dem ein Rückstand gedreht wurde. „Das tut einfach gut“, strahlte Seitz. Er wusste: Die Eintracht ist weiter im Aufstiegsrennen, die Sorgen in der 60. Minute hatten sich in Wohlgefallen aufgelöst. Der ungewollte Schuss von Drescher war zumindest an diesem Tag ein echter Schlüsselmoment.
Statistik
Trier: Poggenborg – Cozza, Stang, Herzig, Drescher – Karikari – Kraus (78. Gouiffe à Goufan), A. Abelski, Kuduzovic (85. Knartz), Pagenburg (83. Zittlau) – Kulabas.
Wuppertal: Semmler – Schlieter, Flottmann, Herzenbruch – El-Hammouchi (72. Meier), Fleßers – Landers, B. Abelski (72. Asaeda), Moosmayer – Zieba (66. Kastrati), Knappmann.
Schiedsrichter: Philipp Schmitt (Rockenhausen)
Tore: 0:1 Moosmayer (20.), 1:1 Drescher (60.), 2:1 Pagenburg (62.), 3:1 Kulabas (70.).
Zuschauer: 1924.
+++++Eintracht in Kürze+++++
13 Verhaftungen und eine geklaute Fanfahne – Ausschreitungen von Hooligans aus Wuppertal stellten Polizei und Ordnungskräfte vor eine schwere Aufgabe. 13 Leute wurden bei Ausschreitungen verhaftet, eine geklaute Fanfahne wurde immerhin wieder gefunden. Vor dem Spiel versuchten 50 Fans ohne Eintrittskarte in den Gästeblock zu stürmen, sagte Einsatzleiter Winfried Streit von der Polizeiinspektion Trier. Dabei seien Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes angegriffen worden. Zwei Fans aus Wuppertal wurden danach in Gewahrsam genommen. Zudem sei es auf dem Nebenplatz des Moselstadions zu einem Gerangel zwischen Anhängern aus Trier und Wuppertal gekommen. „Verletzte gab es zum Glück nicht.“ Dabei wurden weitere elf Fans verhaftet. „Gegen sie wird Anzeige erstattet“, sagte Streit, der von „einem unglaublich hohen Anteil an alkoholisierten und aggressiven“ Besuchern sprach. Einem Fanklub der Eintracht wurde zuvor eine Zaunfahne geklaut, die von der Polizei aber wieder gefunden wurde. Kritik gab es vom Einsatzleiter in Richtung von Eintracht Trier: „Das Kassenhäuschen am Gästeblock war nicht als solches erkennbar, wodurch es erst zu den Tumulten kam. Außerdem waren meiner Ansicht nach zu wenige Ordner im Einsatz.“ Der Einsatzleiter stockte das ursprünglich geplante Aufgebot von 100 Polizisten so noch auf 130 auf.
Die VIDEO-Stimmen zum Spiel
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sve-torsten meint
ich habe ja lange genug auf der vortribüne gesessen. zum glück jetzt nicht mehr. wobei ich nicht alle über einen kamm scheren kann, denn es gibt auch dort sehr viele nette eintracht-fans, die alles andere als auffällig sind – vielmehr aber die jungs auf dem platz POSITIV unterstützen.
aber leider überwiegt auf der tribüne der pöbel – zumindest verbaler natur.
viele dieser ewig nörgelnden und unter der gürtellinie wirkenden zeitgenossen sollten schnellstens vor der eigenen haustüre kehren und sich hinterfragen, ob deren verhalten in ordnung ist.
wenn drescher tatsächlich beleidigend wurde, ist das natürlich nicht akzeptabel. aber ich möchte nicht wissen, was dieser fan drescher an den kopf geworfen hat. ich kann es mir aber ob meiner erfahrungen der vergangenheit durchaus vorstellen.
ein arbeitskollege von mir war auch auf der tribüne – hat karten gewonnen, und sich über das proletenhafte verhalten vieler tribünenbesucher gegenüber manchen spielern geschämt!
in einem haben drescher und seitz recht: im erfolgsfall ist es leicht, hinter der mannschaft zu stehen. echte fans macht die unterstützung in situationen aus, wo das spiel kippt oder zu kippen droht. oder wenn wie nach dem rückstand gegen wuppertal der faden verloren geht. dann zählt unterstützung, nicht bei einem berauschenden 3:0. aber das haben viele tribünenbesucher noch nie verstanden. lieber diese dann schon ohnehin verunsicherten spieler diffamieren und beleidigen. so sah/sieht es nämlich leider aus.
drittligawürdiges publikum, und in die dritte liga wollen ja alle, sieht anders aus!
Sievo meint
Lieber Herr Valerius,
ich stand in unmittelbarer Nähe der Zuschauer der Haupttribüne, als diese die Mannschaft hasserfüllt auf übelste Weise beschimpften und beleidigten.
Ich jedenfalls möchte als Unternehmer solche Kunden nicht haben. Die könnten ihr Geld behalten.
Ich jedenfalls möchte als Trierer Vorstandschaft solche Fans nicht haben. Die könnten auch ihr Geld behalten.
Auf solche Leute ist man nie angewiesen, denn sonst könnte man gleich zumachen.
Und wenn unser Spielführer Drescher gesagt hat, diese Leute sollten ihre Fresse halten, dann hat er ja nur deren Jargon übernommen und sie haben ihn wenigstens verstanden.
Triererjung meint
Ich hab das auch mitgekriegt und erstens hat der Drescher nicht halt die fresse gesagt sondern das war ganz anders. die möchtegernfußballkenner von der Haupttribüne haben den Drescher total unterste Schublade angemacht und r hat nur gesagt wenn dir das SPiel nicht gefällt bleib doch daheim. Drescher hat da genaugenommen recht. Auf der Haupttribüne sind nur Dummlaberer und Meckerköppe. Das ist nur peinlich was da für Kommentare im Spiel kommen. Anstatt die Mannschaft zu unterstützen wird da nur Blödsinn gebrüllt. Drescher hat genau richtig gemacht.
Michael Valerius meint
Verstehe nicht, wie man den Spieler noch unterstützen kann. Soll der Zuschauer noch froh sein, dass es nicht Guerrero war? Dann hätte er ja noch eine Flasche an den Kopf bekommen. Ich will nicht wissen, was mein Chef mir erzählen würde, wenn ich zu einem Kunden sagen, halt die Fresse. Die Zuschauer auf der Haupttribüne und auch auf der Vortribüne meckern schnell, das ist richtig. Aber im Gegensatz zu den Heinis auf der Gegengerade bringen die Leute den Verein nicht durch Pyrotechnik oder Randale in Verruf.
gerd meint
@ valerius, nun wie man in den wald reinposaunt , so schallt es zurück, so oder so ähnlich wird sich drescher gedacht haben,
das ist nicht wirklich profimäßig,aber manch einer der dort maulenden, selbstgefälligen biedermänner, hat es auch nicht besser verdient
Michael Valerius meint
Es ist schön, wenn Thomas Drescher mehr Unterstützung von der Haupttribüne fordert. Ich finde es allerdings einen Sauerei, dass er in der Halbzeit auf dem Weg in die Kabine einem Fan sagt er soll zu Hause bleiben und die Fresse halten. Bei allem Verständnis für Emotionen, aber eine solch Entgleisung darf ihm nicht passieren. Wenn der Trainer Charakter gehabt hätte, wäre Drescher zum zweiten Durchgang in der Kabine geblieben. Ich finde es auch schade, dass 5vier.de lieber darüber berichtet wie schlecht die Unterstützung auf der Haupttribüne ist, als über so eine Unverschämtheit zu berichten. Die Zuschauer bezahlen immerhin auch einen Teil seines Gehalts und wenn ich mir den Zuschauerzuspruch so ansehen, glaube ich nicht das sich der Verein Eintracht Trier einem zahlenden Fan erlauben kann zu sagen, bleib zu Hause.