Pfiffe gab es keine nach dem 0:0-Unentschieden von Eintracht Trier in der Regionalliga West gegen Rot-Weiss Essen am Samstagnachmittag. Doch viele der 6238 Zuschauer verließen das Moselstadion enttäuscht und mit hängenden Köpfen. Aber warum war gegen Essen am Ende nicht mehr drin als ein Punkt? Warum zeigte die Mannschaft nicht eine ähnliche Leistung wie am vergangenen Dienstag im DFB-Pokal gegen den Hamburger SV? 5vier hat gesucht und liefert drei Gründe, warum es gegen Essen mit drei Punkten und berauschendem Fußball eben nicht sein sollte.
6238 Zuschauer, eine für die gesamte Regionalliga äußerst seltene Kulisse. Auch das Trierer Moselstadion war bei Pflichtspielen in dieser trostlosen Spielklasse mit unzähligen zweiten Mannschaften wohl noch nie so gut gefüllt. Viele der Zuschauer, soviel darf man unterstellen, werden wegen der Kombi-Ticket-Aktion der Eintracht binnen weniger Tage den Weg auch ein zweites Mal in den Trierer Norden gefunden haben. Zuschauer, die bei Ligaspielen von Eintracht Trier vermutlich seit den glorreichen Zeiten in der 2. Bundesliga mit den Duellen gegen namhafte Clubs wie Eintracht Frankfurt oder Alemannia Aachen nur noch allzu selten anzutreffen waren. Doch obwohl von vielen eingefleischten Anhängern des SVE oft als „Erfolgsfans“ verschrien, gilt es auch dieses Publikum zu bewegen, häufiger das Stadion zu besuchen und so Geld in die spärlich gefüllte Vereinskasse zu spülen.
Doch vielleicht war es gerade diese Atmosphäre, die zu einer besonderen Drucksituation führte. Zu einer Drucksituation, deren Grundlage die Erwartungshaltung des Publikums war. Viele von ihnen waren wohl noch immer berauscht von der Gala-Vorstellung der Trierer Eintracht im DFB-Pokal gegen den Hamburger SV. Denn trotz der bitteren 1:2-Niederlage lieferte Trier dem Bundesliga-Dino einen heißen Fight und erspielte sich so auch überregional Lob und Anerkennung. Flüssige Kombinationen, eine sattelfeste Defensive, schnelle Konter. All das erwarteten wohl auch viele der Zuschauer gegen Rot-Weiss Essen. Und vieles davon erwarteten die Spieler auch von sich selbst. Es galt, sich zu beweisen, seine Form zu bestätigen. Man wollte sich der Vermutung widersetzen, eine solche Leistung sei lediglich eine „Eintagsfliege“. Doch aus zu hohen Erwartungen – seien es die eigenen oder die des Publikums – entsteht Druck. Druck kann einerseits beflügeln, er kann aber auch – wie am Samstag gesehen – lähmen.
Punkt 2: 120 Minuten Pokal
“Wir waren das Opfer von Dienstag. Der Kopf und das Fleisch waren nicht so willig wie in Mönchengladbach und daheim gegen Verl“, sagte Eintracht-Trainer Roland Seitz nach dem 0:0 gegen Essen. Die Opferrolle, sie traf auf beide Mannschaften zu. Trier setzte gegen Hamburg immer wieder Kräfte frei, hielt gegen den in der zweiten Halbzeit spielerisch und läuferisch überlegenen Hamburger SV mit Kampf und Leidenschaft dagegen. Rot-Weiss Essen spielte am Mittwoch bei der Niederlage gegen den Bundesligisten Hertha BSC zwar nur 90 Minuten, musste die Gegentreffer jedoch erst in Hälfte zwei hinnehmen. Der Trierer Trainer prophezeite deswegen schon vor Spielbeginn, dass es eine Begegnung werden dürfte, in der das erste Tor das entscheidend sein werde.
Auf dem Feld merkte man dann beiden Teams genau dieses Denkmuster an. Torverhinderung stand ganz oben auf der Tagesordnung, Chancen des Gegners sollten möglichst frühzeitig unterbunden werden. “Das war ein typisches 0:0-Spiel. Wir müssen die Schublade gleich zumachen. Unsere Köpfe waren nicht völlig frei, das muss man sehen“, analysierte Triers Kapitän Thomas Drescher eine Begegnung, die man als zerfahren und unschön anzusehen bezeichnen kann. Dass die Köpfe nicht frei waren, merkte man vor allem dem Trierer Offensivspiel an. Die geistige Frische fehlte, um genaue Pässe zu spielen, den Gegner mit Kombinationen abzuschütteln, die Lücke in der Essener Abwehr zu erkennen und sofort auszunutzen.
Doch nicht nur die Köpfe waren nicht frei, auch die Beine waren müde. Man merkte der Eintracht zwar die Bemühungen an, auch die letzten Kraftreserven zu mobilisieren, aber oftmals fehlten die entscheidenden Schritte, die letzte Spritzigkeit, um in Duellen den nötigen Vorsprung erlaufen zu können. Flanken wurden abgelaufen oder abgeblockt, zu Distanzschüssen fehlte der Abstand zum Gegenspieler. “Ob es fehlende Laufbereitschaft war oder am Kräfteverschleiß gelegen hat, weiß ich nicht“, meinte Drescher. Es war wohl eine Kombination aus beidem.
Punkt 3: Rot-Weiss Essen
Dass Trier über 90 Minuten hinweg fast keine Tormöglichkeiten generieren konnte und die sonst so agile Offensivabteilung äußerst blass blieb, lag auch am guten Essener Defensivverhalten. Bei vier Niederlagen, zwei Unentschieden und keinem einzigen Sieg auf fremden Plätzen wollte Waldemar Wrobel, Trainer der Rot-Weißen, zuerst Gegentore verhindern und erst dann nach Möglichkeit eigene Chancen erspielen. Seine Schützlinge setzten diesen Plan gut in die Tat um: Mit direktem Kontakt zum Gegenspieler schaffte es Essen, Trier schon in der Entstehung von Angriffen entscheidend zu stören. Dazu fehlte Triers Stürmer Wojciech Pollok der Anschluss ans Spiel, gut abgedeckt von der Essener Innenverteidigung versuchte er sich zu selten, selbst in Szene zu setzen, das Spiel lief an ihm vorbei.
Die beiden Vierer-Riegel in Abwehr und Mittelfeld arbeiteten effektiv gegen den Ball. Auch, weil die Beine der Essener Spieler im Vergleich zu denen der Eintracht nach „nur“ 90 Minuten Pokal unter der Woche noch etwas frischer zu sein schienen. Durch kleinere Fouls und eine robuste Gangart gelang es den Gästen, den Spielfluss zu hemmen. Diese solide Defensivarbeit sollte der Eintracht frühzeitig die Lust am Kombinationsfußball nehmen, die Offensiv-Maschinerie sollte erst gar nicht ins Rollen kommen. Und der Plan – so destruktiv er auch sein mag – ging auf, denn in der Tat erspielte sich der SVE bis auf die Möglichkeiten von Thomas Drescher per Freistoß in der 49. Minute und Thomas Kraus in der 82. Minute fast keine weitere hundertprozentige Torchance.
Fazit: Ein Unentschieden, nicht mehr und nicht weniger
Einige Zuschauer werden das Moselstadion wohl enttäuscht und mit hängenden Köpfen verlassen haben. Doch die Mannschaft braucht sich keine größeren Vorwürfe machen zu lassen. Nach einem Pokalspiel über 120 Minuten, das auch gestandene Fußballspieler nicht ohne weiteres wegstecken können, war das Unentschieden gegen Rot-Weiss Essen beileibe keine Schande. Es zeichnet diese Mannschaft, diese „neue“ Eintracht vielmehr aus, dass sie sich auch in einem solchen Spiel nicht abschießen lässt und mit einem Punktgewinn mehr oder weniger zufrieden ist, statt unkontrolliert auf den möglichen Führungstreffer zu drängen und damit ins offene Messer zu laufen. Manchmal ist eben nur ein Punkt im Rahmen des Möglichen.
Thomas Müller meint
Ein hervorragender Artikel, der die Situation zu 100 % trifft.