1900 Zuschauer sahen am Samstagnachmittag im Moselstadion beim 3:1-Heimsieg von Eintracht Trier gegen den Wuppertaler SV Borussia eine taktische Ausrichtung, die man so nur noch allzu selten zu Gesicht bekommt: Die Dreierkette. Wuppertals Trainer Hans-Günter Bruns interpretierte dieses aus der Mode gekommene System auf seine ganze eigene Art und Weise und hatte damit zumindest eine Halbzeit lang durchaus Erfolg. 5vier hat sich die Dreierkette einmal genauer angeschaut und dabei Vor- und Nachteile erkannt.
In der bundesdeutschen Fußballlandschaft zur Rarität verkommen, im Ausland hingegen von Vereinen wie dem Champions-League-Teilnehmer SSC Neapel oder dem großen FC Barcelona als taktisches Stilmittel immer wieder gerne genutzt. Die Rede ist von der Dreierkette in der Abwehr. Jüngst wagte sich auch Bundestrainer Joachim „Jogi“ Löw auf seiner Suche nach dem perfekten Spiel und der besten Ausrichtung für die DFB-Elf an das selbsternannte „Experiment Dreierkette“. Nach dem 3:3-Unentschieden gegen die Ukraine war für viele der Kommentatoren und Experten schnell klar: Die Dreierkette hat keine Zukunft mehr.
Doch dass ein System mit lediglich drei „echten“ Verteidigern auf dem Papier auch im modernen Fußball eine Daseinsberechtigung hat, durften die rund 1900 Zuschauer im Trierer Moselstadion beim 3:1-Heimsieg des SVE gegen den Wuppertaler SV zumindest eine Halbzeit lang bestaunen. Hans-Günter Bruns, Trainer des Wuppertaler SV Borussia, ist ein bekennender Freund der Dreierkette. Bereits bei seiner letzten Trainerstation in Oberhausen gab Bruns dieser Abwehrformation den Vorzug, in Wuppertal führt er diese Gangart nahtlos fort. Der 57-jährige scheint die Vorteile des Systems erkannt zu haben und gibt sich äußerst geschickt, dessen Kinderkrankheiten zu kaschieren.
Auch bei ihm bilden drei Verteidiger (Herzenbruch – Flottmann – Schlieter) das Grundgerüst. Da drei Feldspieler jedoch nicht die gesamte Breite des Spielfeldes abdecken können, stellen Diagonalbälle des Gegners die größte Gefahr für die Dreierkette dar. Abhilfe schafft ein taktischer Kniff: Bei gegnerischem Ballbesitz ziehen sich die beiden Außenbahnspieler – beim WSV Moosmayer und Landers – tief in die eigene Hälfte zurück. Aus der Dreier- wird so eine Fünferkette. Wenn nun wie bei Wuppertal dazu noch zwei defensive Mittelfeldspieler (El-Hammouchi – Fleßers) bei Ballverlusten schlagartig nach hinten rücken, steht der Gegner einer Wand aus gleich sieben Abwehrspielern gegenüber.
Vor allem in Halbzeit eins tat sich die Trierer Eintracht besonders schwer mit dieser dicht gestaffelten Defensivreihe des WSV. Das vom SVE sonst gerne praktizierte Kurzpassspiel mit sauberen Kombinationen lief oftmals ins Leere. Dennoch wäre bei einer besseren Chancenauswertung auch hier schon ein Torerfolg möglich gewesen. Oliver Stang (4.), Alon Abelski (11.), Thomas Kraus (14.) und Jeremy Karikari (26.) sind nur einige Beispiele für das wohl größte Trierer Problem. Dass ein solches Abwehrbollwerk besonders nach vergebenen Chancen und einem äußerst unnötigen Rückstand zum psychischen Problem werden kann, bewies die Zeit nach dem Gegentreffer durch Tom Moosmayer in der 20. Minute. Aus dem Spiel heraus kam der SVE zu keiner nennenswerten Torchance mehr, die Fehlpassquote stieg rapide an. Wuppertal verschob den Defensivriegel clever, die Außenspieler Chhunly Pagenburg und Thomas Kraus sahen sich meist zwei WSV-Spielern gegenüber. Das Bollwerk auszuhebeln schien mit dem Halbzeitpfiff fast unmöglich.
Trier nutzt die Lücken in der zweiten Halbzeit
Durchgang zwei offenbarte dann aber eindeutig die Schwächen der Dreierkette. Die Gäste führten zwar mit 1:0, konnten sich jedoch zwangsläufig nicht mit sieben Defensivspielern konsequent in der eigenen Hälfte aufhalten. Um den Spielfluss also nicht vollends zu hemmen, müssen vier der zuvor defensiv eingesetzten Spieler bei Ballgewinn den Weg nach vorne suchen. Geschieht dies nämlich nicht, stehen nach einen Ballgewinn lediglich drei Offensivspieler auf verlorenem Posten. Geht in dieser Vorwärtsbewegung der Ball verloren, verpufft der Angriff bereits in seiner Entstehung und es droht eine Unterzahlsituation, die der Gegner durch geschickte Kombinationen ausnutzen kann. Das machte auch die Eintracht, etwa beim Treffer zum 3:1-Endstand durch Ahmet Kulabas. Wuppertal versuchte einen Angriff zu initiieren, die Außenverteidiger bewegten sich nach vorne, die eigentliche Dreierkette rückte weit auseinander, um Anspielstationen zu bieten. Doch Fahrudin „Faz“ Kuduzovic eroberte in Höhe der Mittellinie den Ball und schickte den gestarteten Kulabas in die nun klaffende Lücke zwischen der Innenverteidigung. Das System Dreierkette, es war zumindest ein Mal in dieser Partie klassisch ausgehebelt worden.
Betrachtet man sich nun also die Dreierkette als solche und die Ausführung dieser Formation durch den WSV im Speziellen, muss man konstatieren, dass eine Dreierkette der „modernen“ Viererkette weder unter- noch überlegen ist. Entscheidend sind wie so oft im Fußball die eigenen spielerischen Fähigkeiten aber auch die des Gegners, wenn es darum geht, dieses nicht alltägliche System umzusetzen oder eben zu durchbrechen.
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