Das richtige Outfit zu wählen ist nicht immer leicht. Wer sich was traut, muss oft gegen fiese Vorurteile und kleinkarierte Ansichten ankämpfen. 5vier.de-Redakteurin hat sich etwas intensiver mit dem Thema auseinander gesetzt.
Neulich passierte es mir wieder: Ich war völlig unpassend angezogen. Tanzen liegt mir nicht und es macht mir auch normalerweise nicht allzu viel Spaß, aber hin und wieder bekomme ich doch Lust darauf. Vor ein paar Wochen war es dann mal wieder so weit. Nach einigem Grübeln darüber, wohin es gehen sollte, fiel die Wahl schließlich auf Funky L.A.. Und da das Format in Trier ja recht erfolgreich ist, freute ich mich auf den Abend.
So weit so gut, wäre da nicht immer auch die lästige Frage nach dem passenden Outfit. Schick oder lässig? Bunt oder dezent? Und natürlich: hohe Schuhe fürs vorteilhafte Aussehen oder flaches Schuhwerk, damit man es auch lange auf der Tanzfläche aushält? Nach einigem Hin und Her entschied ich mich für Bluse, Jeans und flache Schuhe und lag, wie könnte es auch anders sein, mal wieder voll daneben.
Schlanke Waden oder blasenfreie Füße
Der Grundgedanke, dass es sich mit flachen Schuhen besser (und vor allem blasenfrei) tanzen lässt, war sicher nicht verkehrt. Dennoch bereute ich den Entschluss unmittelbar nach Betreten des Clubs, als ich um mich herum eine große Mehrheit an jungen Frauen in 7cm Pfennig-Absätzen umher stöckeln sah. Und auch die Jeans entpuppte sich als Fehlgriff, da fast ausschließlich schicke Cocktailkleidchen in gedeckten Farben durch den Raum schwebten. Sogleich setzte das altbekannte „Was habe ich mir nur dabei gedacht?“ – Gefühl ein.
Die Frage nach dem passenden Outfit stellt sich mir ziemlich oft. Als Frau muss man dabei inzwischen scheinbar auch genau darauf achten, welche unterschwelligen Botschaften ein Outfit suggerieren kann. Die einzelnen Kleidungsstücke und die Art, wie man sie trägt, werden dabei zu geheimen Codes, die andere nur allzu gern entschlüsseln. Zu tiefer Ausschnitt? Schlampe, ganz klar! Bis obenhin zugeknöpft? Prüdes Mauerblümchen! Sneakers? Kumpeltyp aber kein Girlfriend-Material. Weiße Stiefel? Oh je…
Zu freizügig, Mr. Darcy?
Aber war das eigentlich schon immer so? Musste man schon immer damit rechnen, mit bösen Vorurteilen bombardiert zu werden, wenn man sich nicht normgerecht anzog? Es gab Zeiten, in denen das, was unter angemessenen Kleidungsstücken verstanden wurde, dermaßen reglementiert war, dass Normverstöße so gut wie nie vorkamen. Jane Austens Romanheldin Elizabeth Benett musste sich in „Stolz und Vorurteil“ beispielsweise keine Gedanken darüber machen, ob Mr. Darcy sie in einem bestimmten Outfit für leicht zu haben halten würde. Und in „Der scharlachrote Buchstabe“ reichte schon der rote Buchstabe A auf der Kleidung, um eine junge Frau als fragwürdig zu klassifizieren. Da wußte man schnell, woran man war. Aber waren die Zeiten, in denen alle Frauen noch bodenlange Röcke und züchtige Blusen trugen wirklich besser? Wohl kaum.
Dennoch bekommt man hin und wieder den Eindruck, als hätte sich auch heute noch nicht allzu viel getan in Sachen modische Experimentierfreude. Zwar tummeln sich auf den Laufstegen in Paris die wildesten Kreationen, in der Trierer Fußgängerzone begegnet man solch ausgefallenen Outfits jedoch nur selten. Eigentlich ist es doch bewundernswert, wenn Frauen sich mal was trauen. Bunte Farben, ungewöhnliche Prints, fesche Schnitte,…! Nur so zieht man die Aufmerksamkeit anderer auf sich, schafft es aus der Menge herauszustechen. Allerdings kann besagtes „Herausstechen“ auch schnell unangenehm werden. Und so versucht Frau meist doch auf der sicheren Seite zu bleiben.
Ein typisch weibliches Problem?
Gegen den Strom zu schwimmen ist manchmal verdammt schwer. Immer noch wird hinter den Rücken derer Geschlechtergenossinnen getuschelt, die sich anders als der Rest anziehen. Wer sich traut mit pinken Jeans vor die Tür zu gehen muss sich gegen ein geflüstertes „Oh mein Gott! Sieh mal!“ wappnen. Und wer mit knatschgelbem Sonnenhut durch die Trierer Innenstadt spaziert muss sich nicht nur im Winter das ein oder andere bissige Kommentar gefallen lassen. Aber auch wer nicht schick oder auffällig genug gekleidet ist, wird schnell mit Spott bedacht. Ein wahrer Balanceakt.
Dabei dient Mode doch als Mittel, sich selbst auszudrücken. Ein bisschen mehr Toleranz gegenüber Ungewohntem wäre da sicher wünschenswert. Und überhaupt, geht es eigentlich nur uns Frauen so, dass die Kleiderfrage manchmal zur Last wird? Oder zerbricht sich gelegentlich vielleicht auch mal der ein oder andere Kerl den Kopf über das passende Hemd? Ist das Anzieh-Dilemma ein typisch weibliches Problem? Vielleicht enthält ja das Y-Chromosom das passende Anti-Gen gegen die Kleiderwahn-Krankheit. Oder bilde ich mir das alles eigentlich einfach nur ein? Vielleicht sollte man sich nicht so viele Gedanken über „die anderen“ machen und einfach das tragen, was einem selbst gefällt.
So oder so, die nächste Party kommt bestimmt und mit ihr wieder die Frage: „Was soll ich bloß anziehen?“
R.E. meint
Kann Sie beruhigen, es wird NICHT besser mit den Jahren;-))
@K.B. meint
…Und diese Frisur…dieses Volumen! Super! 😉
K.B. meint
Schöner Bericht, kann ich alles sehr gut nachvollziehen, denn wem geht es nicht so??
Schön finde ich auch das Artikelbild;-)
Carola meint
Ach ja, wer kennt das ich…ich kann das alles so gut nach empfinden! 🙂
Ein sehr schöner Beitrag.