Unsere beiden Redakteure Lars Eggers und Stefanie Braun wagten sich im Selbstversuch in schwindelerregende Höhen und testeten die Kletterhalle „Cube“ in Trier. Stefanie Braun über ihr Klettererlebnis.
„Höhenangst ist ganz natürlich“, so die 22-jährige Studentin Rike, während sie uns den Achterknoten erklärt. „Die hat jeder und das ist ja eigentlich gut so. Aber passieren kann hier wirklich nichts.“ Sie führt das Sicherungsseil am langen Arm bis zur Mitte der Brust und wickelt in schnellen, sicheren Handbewegungen das Seil so ineinander, dass ein zugfester Knoten daraus entsteht. Den bindet sie dann nochmal um den Sicherungsgurt, der zwar nicht figurvorteilhaft, aber dafür sicher um die Hüfte und Oberschenkel liegt. Einmal wird der Achterknoten gezeigt, danach wird er mit Anleitung direkt selbst versucht.
Den Knoten wenigstens habe ich direkt drauf, „perfekt“ sogar, wie unsere junge Trainerin urteilt. Trotzdem muss sie ihn noch einmal selbst an meinem Gurt festmachen, da traue ich meinem eigenen „Naturtalent“ lieber nicht, wenn es mich in 3 Metern Höhe davor bewahren soll, eine Kletterwand hinunter zu fallen.
An die Grenzen gehen
Danach heißt es Schuhe anziehen. Raus aus den bequemen, ausgelatschten Ballerinas, rein in Schuhe, die schon mit bloßem Auge geschätzt zwei Nummern zu klein sind. „Die Füße werden dadurch nicht schöner,“ gibt Rike zu, „aber man hat einfach einen besseren Halt an der Wand, als wenn man noch in den Schuhen herumrutscht.“ Und rutschen ist in diesen Schuhen kaum möglich, genausowenig wie laufen. Wie soll da klettern funktionieren? Aller Anfang ist dennoch leicht, auch beim Klettern, die ersten Griffe an den Farben der Wand orientiert gehen erstaunlich einfach von der Hand. In meinem letzten Interview mit einem Kletterprofi hieß es: „Wenn man erstmal eine gewisse Höhe erreicht hat, ist die Motivation, nicht zu fallen, enorm groß.“ Das stimmt zwar, aber wenn man dann erstmal eine Weile an der Wand klebt und bangt, ob die eigenen Kräfte noch genügen, den nächsten, schier unerreichbaren Griff zu fassen, ist die Motivation sehr groß, sich wieder auf festen Boden herunter seilen zu lassen.
Und je höher man kommt, umso mehr Überwindung kostet es, einen sicheren Griff wieder loszulassen, um zum nächsten weiter zu klettern. Was ist, wenn man sich vertritt? Reichen die Kräfte? Für gerade mal zwei Meter Höhe reicht meine Courage, danach muss mich die schlanke Studentin am anderen Ende des Sicherungsseiles wieder herunterlassen.
Mut sammeln
Am Boden angekommen folgt die Bestandsaufnahme: Schmerzende Füße, eine aufgeschürfte Stelle am Handrücken, ein flaues Gefühl in der Magengegend, die Schultermuskeln etwas angespannt. Aber immerhin besser als abgestürzt zu sein. „Normalerweise merken Anfänger es zuerst in den Unterarmen“, so Rike. Das kommt von der starken und vor allem ungewohnten Beanspruchung der Finger, doch die sind bei mir vom vielen Tippen trainiert. Genauso wie die Unterarme.
Am Boden wird erstmal wieder Kraft gesammelt. Und Mut. Und dem Kollegen zugeschaut; der hat sich deutlich schneller selbst überwunden und klettert die Wand flugs hinauf, erreicht draußen sogar die Spitze der Kletterwand. Ich weiß schon beim Zusehen, dass mein Ehrgeiz dafür heute nicht ausreichen wird. Und die Kraft auch nicht. „Keine Sorge, man wird da schnell besser und arbeitet sich langsam nach oben“, ermutigt Rike.
Neue Körpererfahrung
Auch wenn die Überwindung erstmal groß war und das Ergebnis von knapp zwei Metern Höhe nicht gerade überragend, trumpft Klettern auch bei mir mit einigen Pluspunkten auf: Selbst wenn man sie nicht überschreitet, ist die Erfahrung der eigenen Grenze eine interessante Angelegenheit. Oder auch der Moment, in dem die Hände die Wand nicht loslassen wollen, obwohl man gerade zum sicheren Boden abgeseilt werden soll. Ein Moment, in dem Vernunft und Verstand so laut zu einem sprechen können, wie sie wollen, die Urangst zu fallen ist immer lauter. Sowas passiert einem nicht alle Tage. Da spielt der eigene Kopf einem einen Streich, nur damit der Körper im nächsten Moment zeigen kann, was er alles auf dem Kasten hat. Hat man sich mal verabschiedet von routinierten Bewegungsabläufen, lernt man erstmal wieder, was noch alles möglich ist. Wie flexibel man ist. Klettern bedeutet eine ganz neue Körpererfahrung, die nicht nur anstrengend und herausfordernd, sondern zudem auch kurzweilig und spaßig ist.
Fazit: Klettern ist ein Sport für Menschen, die von anderen Sportarten schnell gelangweilt sind. Da nicht nur der Körper gleichmäßig trainiert wird, sondern man auch die eigene Angst überwinden muss; und das immer wieder aufs Neue. Am Ende einer Session ist man nicht nur ausgepowert und spürt jeden Muskel, sondern hat auch das Gefühl, etwas gelernt und „für sich getan“ zu haben. Sehr empfehlenswert für Abenteurer und Grenzgänger.
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