Der original Manga zu Ghost in the Shell galt schon 1989 als wegweisend für das Cyberpunk-Genre und wird oft zitiert als Inspiration für Filme wie Dark City und Matrix. Der Anime von 1995 ist auch längst Kult. Nach vielen missglückten Produktionsstarts kommt nun das Hollywood-Remake in die Kinos. Vorweg gab es viel Hass. Der Manga sei zu komplex für einen Mainstream-Film und das sogenannte whitewashing der Hauptfigur sei unverzeihlich. Anstatt aber seitenlange Vergleiche mit den beiden Vorlagen aufzulisten gibt es hier eine Review von jemandem, der weder den Manga noch den Anime auch nur im Ansatz kennt.
Mensch oder Maschine
Im dystopischen Japan der Zukunft verschwimmt die Grenze zwischen Mensch und Maschine. Der Einbau von künstlichen Körperteilen erlaubt vielen ein längeres Leben und gibt manchen sogar übermenschliche Fähigkeiten. Roboter wirken fast menschlich und sind oft überhaupt nicht mehr als solche zu erkennen. Die Folge dieser technikabhängigen Gesellschaft sind Terroristengruppen, die ihre Anschläge ausüben, in dem sie sich an alles und in jeden hinein hacken. Major ist Teil der Regierungseinheit Section 9, die solche Angriffe bekämpfen soll. Sie selbst ist ein einmaliger Hybrid zwischen Mensch und Maschine. Nach einem schrecklichen Unfall wurde ihr Gehirn in einen künstlichen Körper verpflanzt. Section 9 hofft in ihr die perfekte Waffe im Kampf gegen den Terror gefunden zu haben. Als allerdings ein Hacker mit einer ähnlichen Vergangenheit wie Major in der Stadt auftaucht, beginnt sie an ihrer Identität zu zweifeln.
Das klingt alles etwas abgefahren und kompliziert und zum Teil ist Ghost in the Shell das auch. Aber hinter der etwas wirren Rahmenhandlung und der Flut an Cyber-Babble versteckt sich eine ganz simple Geschichte. Im Mittelpunkt des Films steht eigentlich Majors Suche nach ihrer Identität. Während sie durch die Stadt jagt und sich in die Erinnerungen von Androiden hackt, kommen neue Tatsachen über ihre Vergangenheit nach und nach ans Licht. Ghost in the Shell taucht immer tiefer in seine eigene Welt ab und fragt den Zuschauer: Was bedeutet es Mensch zu sein und wie wichtig ist die eigene Identität?
Selbstfindungstrip
Die Fragen, die Ghost in the Shell stellt, ziehen sich durch alle Aspekte des Films. Die dystopische Welt ist atemberaubend. Die gigantischen Hologramme an den Häuserwänden und die blendenden Lichter der Stadt wirken überwältigend. Auf der einen Seite sind sie wunderschön, auf der anderen Seite ist der Look des Films immer mit einem eiskalten Blauton überzogen. Man wird das Gefühl nicht los, dass in dieser Welt die Menschlichkeit verloren gegangen ist. Wenn Major durch die Straßen eines Rotlichtbezirks wandert ist unklar, welche der Prostituierten Mensch und welche Maschine ist. Interessiert das die Menschen dort überhaupt noch? Die Performance von Scarlett Johansson zielt in die gleiche Richtung hin. Ihre Major, eine menschliche Seele gefangen in einer künstlichen Hülle, fühlt sich nicht zugehörig und zeigt dies der Außenwelt deutlich. Ihre Bewegungen, ihre Gesichtsausdrücke…Majors Körpersprache wirkt seltsam. Sie steckt im falschen Körper fest. Und ausgerechnet in den Momenten, wenn jemand sie an die schmerzhafte Tatsache, dass sie eben kein echter Mensch ist erinnert wird, kommt schnell Majors doch so menschliche Gefühlswelt zur Oberfläche.
Die größte Schwäche des Films ist das Storytelling. Stellenweise hangelt sich Ghost in the Shell von Szene zu Szene. Major erhält neue Informationen, fährt zum nächsten Ort und es wird erst geredet und dann geschossen…oder auch mal umgekehrt. Das langsame Pacing passt zum Film, es wirkt stellenweise hypnotisch und betont die Ziellosigkeit mit der Major durch die Welt irrt. Aber leider weiß man manchmal bereits zu Beginn einer 10 minütigen Szene worauf das ganze hinaus läuft. Dann kann es schon mal etwas langweilig werden. Wer also kein Interesse an Majors Selbstfindungstrip hat, wird dem Film vermutlich nicht sehr viel abgewinnen können.
Fragen über Fragen
Hollywood-Mainstream kann man dem Film definitiv nicht vorwerfen. Dafür ist Ghost in the Shell zu anders und zu seltsam. Die Art und Weise wie Sanders die Thematik der Geschichte in den Films hinein arbeitet ist ein kleines Kunststück. Der Rest der Arbeit bleibt aber den Zuschauern überlassen. Man muss sich voll auf die Welt, die hier erschaffen wurde, einlassen und dafür begeistern, sonst findet man nur eine relativ oberflächliche Hacker-Story mit einem belanglosen Bösewicht. Die Auflösung, die dem Zuschauer am Ende angeboten wird, ist relativ vorhersehbar. Viel interessanter sind die Fragen, die auf dem Weg dahin gestellt werden. All die Möglichkeiten und Gefahren der Weiterentwicklung des Menschen, die der Film uns aufzeigt: Dort liegt die Stärke von Ghost in the Shell.
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