Spiderman oder Her – Die Entscheidung zwischen den beiden Neustarts in dieser Woche war alles andere als leicht. Letztendlich entschied sich 5vier-Redakteur Andreas Gniffke für das romantische Sci-Fi-Drama Her von Spike Jonze, das seit Donnerstag einige Wochen nach dem Bundesstart nun zum Glück auch im Trierer Broadway zu sehen ist.
In einer gar nicht so fernen Zukunft lebt der eigenbrötlerische und meist deprimierte Theodore ein weitgehend monotones Leben in einer anonymen Großstadt. In seinem Beruf ist er Auftragsschreiber für gefühlvolle Briefe, in seinem Privatleben kann er sich kaum zwischen Computerspielen und Internetpornographie entscheiden. Nach der traumatischen Scheidung von seiner Frau Catherine (Rooney Mara, Verblendung) hat sich der nerdige Schnurrbartträger völlig zurückgezogen. Kontakt zu Frauen hat er nur zu merkwürdigen Chatpartnerinnen („würg mich mit der toten Katze“) und seiner besten Freundin Amy (Amy Adams, American Hustle). Sein Leben ändert sich grundlegend, als er ein neues Betriebssystem auf seinem Computer installiert, das mit einer besonders ausgereiften künstlichen Intelligenz und einer charmanten Computerstimme gesegnet ist. Zwischen Theodor und der virtuellen Samantha entwickelt sich eine besondere Beziehung, denn Samantha ist lernfähig und kann sich neben Wissen in Windeseile auch Emotionen und Empathie aneignen. Eine ganz besondere Romanze mit allen Höhen und Tiefen beginnt.
Regisseur Spike Jonze hat sich mit Filmen jenseits des Mainstreams einen guten Namen gemacht. Being John Malkovich und Adaptation sind moderne Klassiker und auch in Her beweist Jonze das richtige Gespür für ein Maß an Skurrilität, das den Figuren ihre Würde belässt. Der Film ist humorvoll, traurig, er bietet die ganze Palette an Emotionen, die auch eine „richtige“ Beziehung ausmachen. Doch was überhaupt eine richtige Beziehung ist, wird man nach den knapp zwei Stunden womöglich ganz anders sehen als vorher. Theodore Twombly, grandios und uneitel gespielt von Joaquín Phoenix (The Master), schreibt herzzerreißende Liebesbriefe für andere, im richtigen Leben hat er allerdings große Probleme, seine Gefühlswelt nach Außen zu tragen. In der Anonymität der virtuellen Welt ist er eloquent und leidenschaftlich, in der Realität dagegen schüchtern und verschlossen. Eine Beziehung zu einem körperlosen Betriebssystem scheint für ihn die ideale Lösung zu sein und zum ersten Mal seit langer Zeit empfindet Theodore Glück und beginnt sein Leben zu genießen.
Auch wenn Her in der Zukunft spielt, geht Spike Jonze recht sparsam mit echten Science Fiction Elementen um. Zu sehr ähnelt das Verhalten der Menschen unserem Alltag. Eine anonyme Menschenmasse bewegt sich auf das Smartphone starrend durch eine kalte Welt, wenn gesprochen wird, dann meist mit der Spracherkennung des Handys. Siri lässt grüßen. Doch jenseits aller Fortschrittskritik ist Her vor allem ein Film über Gefühle. Irgendwo stand kürzlich noch zu lesen, dass die Zeit der großen Kinoromanzen vorbei zu sein scheint. Her beweist eindeutig das Gegenteil. Ein kleiner großer Film, klug und sehr berührend erzählt. Unbedingt ansehen!
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