„Zeit ist Geld“ – wohl noch nie hat jemand diese Phrase so wortwörtlich genommen wie Regisseur Andrew Nicoll (Gattaca, Lord of War) in seinem aktuellen Film „In Time“. Justin Timberlake kämpft zunächst allein, später mit seiner attraktiven Begleiterin gegen ein unmenschliches System, in dem die Reichen immer älter, gar unsterblich werden, während die Armen ausgebeutet werden oder jung sterben müssen. 5vier.de-Redakteur Andreas Gniffke hat sich den Film angesehen.
In einer gar nicht so fern wirkenden Zukunft ist Lebenszeit zur Währung geworden. Alles muss in Minuten, Stunden oder Jahren bezahlt werden, über eine Art implantierter digitaler Lebensuhr kann jederzeit der aktuelle Restbestand abgelesen werden. Die Menschen sind genetisch dergestalt manipuliert, dass sie nur bis zu ihrem 25. Geburtstag altern, danach beginnt die Uhr zu ticken und man hat erst einmal ein Jahr zur Verfügung, das gnadenlos abläuft und durch Arbeit oder Glücksspiel aufgeladen werden kann. Alle Konsumgüter, Miete, Strom und der Kaffee um die Ecke kosten Zeit, die erbarmungslos abläuft. Oberflächlich gesehen hat das natürlich den Vorteil, dass die Erde zumindest aus der Sicht Hollywoods von attraktiven jungen Menschen bevölkert wird, ohne dass Schönheitsoperationen oder Botoxbehandlungen nötig sind. Dies bringt aber den Nachteil mit sich, dass im Zweifel Großmutter, Mutter und Tochter vom Alter her nicht zu unterscheiden sind. Will Salas. gespielt vom Ex-Boyband Sänger Justin Timberlake, ist nicht auf der Sonnenseite der schönen neuen Welt geboren. Zusammen mit seiner Mutter schlägt er sich mit harter Fabrikarbeit durch und lebt im wahrsten Sinne des Wortes in seinen (immer wieder letzten) Tag hinein. Alles ist in regionale Zeitzonen eingeteilt, die nach oben weitgehend undurchlässig Arm und Reich voneinander abschotten. Während Will selten mehr als einen Tag auf der Uhr hat, schwelgt man in New Greenwich, der Zone der Upper-Class, im Luxus.
Wills Leben ändert sich grundlegend, als er in einer Spelunke Henry Hamilton trifft, den er dort vor einem Ghettokriminellen rettet, der Henrys üppig gefülltes Zeitkonto rauben will. Dieser wollte aber gar nicht gerettet werden. Nach mittlerweile über einhundert Jahren Lebenszeit beschließt er, dass seine Zeit abgelaufen ist. Wenig später ist Hamilton tot und Will zum ersten Mal in seinem Leben reich. Doch als auch seine Mutter das Zeitliche segnet (überhaupt wird kaum ein Wortspiel aus dem Bereich Zeit ausgelassen), erkennt Will endgültig die Unmenschlichkeit des Systems und macht sich auf in die Welt der Schönen und Reichen, wo er wenig später Sylvia, der Tochter des Bankiers und Zeitverleihers Sydney Weis (Vincent Kartheiser, Mad Men), begegnet und sich in sie verguckt. Eine zweite Grenzüberschreitung, nachdem er schon die soziale Schwelle übertreten hat. Doch die Timekeeper, eine Spezialeinheit zur Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung, sind Will bereits auf den Fersen und er flüchtet mit Sylvia (Amanda Seyfried, Mamma Mia!) als Geisel zurück in sein Ghetto. Wie so oft verlieben sich Entführer und Geisel schließlich und Sylvia findet Gefallen am richtigen Leben, wo Zeit noch einen existenziellen Wert hat. Gemeinsam lehnen sie sich in bester Bonnie und Clyde Manier gegen das System auf und Sylvia erkennt, dass sie hierbei ihren Vater bekämpfen muss.
Es ist eine faszinierende, böse Grundidee, die Regisseur Andrew Nicoll hier entwickelt. Gerade in Zeiten von Wirtschaftskrise und Turbokapitalismus ist eine Parabel über soziale Ungerechtigkeit sicherlich nicht fehl am Platze. Doch so richtig kann sich Nicoll nicht zwischen den hohen gesellschaftskritischen Ansprüchen und einer recht simpel gestrickten und actionlastigen Rachegeschichte entscheiden. Doch das Ergebnis ist beileibe kein schlechter Film. Trotz einiger logischer Ungereimtheiten überzeugt die Geschichte, die in starken Bildern eine Welt zeichnet, die auf beiden Seiten der Gesellschaft trotz allen Fortschritts das Lebenswerte verloren hat. Auch wenn Justin Timberlake womöglich kein großer Charakterdarsteller sein mag, spielt er seinen modernen Robin Hood solide und überzeugend. Neben ihm spielt Amanda Seyfried, die sich vom püppchenhaften It-Girl zur Gangsterbraut entwickelt und dabei eine gute Figur abgibt. Aufseiten der Bösen überzeugt vor allem Timekeeper Cilian Murphy, wohingegen Sylvias Vater, gespielt von Vincent Kartheiser, eher blass bleibt.
109 Minuten Lebenszeit müssen investiert werden, will man In Time auf der großen Leinwand genießen. Keine schlecht investierte Zeit, denn der Film bietet ordentlich Action, aufregende Bilder und dazu noch eine außergewöhnliche Geschichte, die in Zeiten der Occupy-Bewegung einen ganz besonderen Realitätsbezug erhält.
S. meint
Andrew Nicoll ist ein super Regisseur und hat mich mit „Gattaca“ und „Lord of War“ voll und ganz überzeugt. Bei „In Time“ war ich zunächst skeptisch, doch auch dank dieser Rezension denke ich inzwischen, dass ich dem Film doch eine Chance geben sollte.