Es war eine Sensation, als verkündet wurde, dass sich Peter Jackson nach der „Herr der Ringe“-Trilogie nun auch der kleinen Vorgängergeschichte zum Großepos annehmen würde: dem (kleinen) „Hobbit“. Ebenso überraschend war es, dass er das vergleichsweise schmale Büchlein als epischen Dreiteiler inszenierte, der es von der Länge mühelos mit dem „Herrn der Ringe“ aufnehmen kann. Doch bietet der „Hobbit“ überhaupt genügend Stoff für über zehn Stunden Kino? Andreas Gniffke hat sich auf „Eine unerwartete Reise“ begeben und sich den ersten Teil im Trierer Cinemaxx angesehen.
Hobbits sind neugierige, aber gemütliche Wesen, die sehr viel Wert auf einen gewissen Komfort und ihre heimelig eingerichteten Wohnhöhlen voll von liebevoll gesammeltem Nippes und Mamas geklöppelten Spitzendeckchen legen. Bilbo Beutlin (Martin Freeman) genießt das Leben mit gutem Essen, einem Pfeifchen und wenig Stress. Entsprechend geschockt reagiert der kleine Kerl, als der langbärtige Zauberer Gandalf (Ian McKellen) und 13 ungehobelte Zwerge in seine Privatsphäre eindringen, die Höhle ins Chaos stürzen und zu allem Überfluss sämtliche Vorräte aufessen. Sie wollen Bilbo überreden, mit ihnen in ein Abenteuer zu ziehen, was völlig gegen das Naturell des Hobbits spricht. Doch schließlich siegt die Neugier und Bilbo schließt sich der Truppe an, die zurück in ihre Heimat zieht, aus der sie der bösartige Drache Smaug vertrieben hatte. Auf der auch für die Zuschauer langen Reise begegnen sie sowohl tumben Trollen und garstigen Orks als auch Zauberern, Elben und einer Vielzahl phantastisch animierter Wesen aus dem Tolkien-Universum.
Jacksons Film berauscht sich zeitweilig an seiner überragenden Optik. Von Beginn an macht er klar, dass er technisch Maßstäbe setzen will. Im Prolog, in dem die Zwerge schließlich ihre Heimat verlieren, muss sich der gerade aus dem Vorweihnachtstrubel in den Kinosessel gespülte Zuschauer erst einmal schütteln, so viele Bilder und wilde Kamerafahrten prasseln auf ihn ein. Man hat die Wahl zwischen drei unterschiedlichen Formaten: Traditionellem 2-D, was der Bilderflut allerdings an einigen Stellen schlicht nicht gewachsen ist, 3D sowie das völlig neue HFR-Verfahren, was eine revolutionäre Tiefe und Schärfe verspricht (5vier berichtete).
Die Reise der merkwürdigen Truppe bietet solide Fantasykost mit einigen richtig kreativen Ideen und witzigen Einlagen. So ist es vor allem der abgedrehte Öko-Zauberer Radagast (Sylvester McCoy), der auf einem von Hasen gezogenen Schlitten durch die Handlung braust, der für die wirklich skurrilen Momente sorgt. Was wohl an den merkwürdigen Pilzen liegen könnte, die er sich reinpfeift. Apropos Pfeife: Gandalf sollte wohl ebenfalls gut darauf achten, mit seinem Rauchwerkzeug nicht in eine auenländische Polizeikontrolle zu geraten. Die Schauspieler müssen verzweifelt versuchen, gegen das Effektgewitter anzuspielen, was besonders dem großartigen Martin Freeman als Bilbo sehr gut gelingt. Er verleiht dem kleinen Mann auf großem Abenteuer eine beeindruckende, aber zerbrechliche Präsenz. Ian McKellan als Gandalf hat eine deutlich aktivere Rolle als noch im „Herr der Ringe“, seine Schauspielkunst ist wie immer eine Augenweide. Auch sonst tummeln sich einige alte Bekannte auf dem Set. Cate Blanchett als Galadriel, Hugo Weaving als Elrond und Christopher Lee als Saruman begegnen den Helden in Bruchtal, dem Elben-Hauptquartier. Und auch ein Wiedersehen mit Elijah Wood als Frodo gibt es zu Beginn des Films zu feiern.
Bilbo Beutlins „unerwartete Reise“ ist lang, sehr lang, vielleicht zu lang. Auch wenn echte Fans Mittelerdes jede Sekunde genießen werden, stellen sich immer wieder Längen ein. Es wird sehr viel im Gänsemarsch durch atemberaubende Naturlandschaften marschiert, der neuseeländische Tourismusverband dürfte begeistert sein. Und es wird viel gekämpft, wobei sich die Gegner stetig wiederholen. Vor allem der Kampf in der Orkhöhle, als die verwegenen 15 gegen eine absurde Übermacht antreten, zieht sich endlos. Sie wird aber durchbrochen von der parallel ablaufenden Sternstunde des Films: Bilbos Begegnung mit Gollum (Andy Serkis). Der hat seit seinem Auftritt im „Herrn der Ringe“ noch einmal deutlich an Tiefe gewonnen, seine Mimik und der innere Kampf zwischen seinen beiden Charakteren ist intensiv und ergreifend gespielt. Hier lohnt es sich, dass sich Jackson alle Zeit der Welt nimmt.
Dass der „Hobbit“ ein überragender Erfolg werden wird, dürfte wohl niemanden überraschen. Und trotz aller vorhandenen Schwächen bietet der Film beste Unterhaltung und ist darüber hinaus ein optischer Leckerbissen. Für echte „Herr der Ringe“-Fans ist „Die unerwartete Reise“ sowieso ein Pflichttermin.
Der „Hobbit“ ist in Trier im Cinemaxx (alle drei Formate) und im Broadway (2D und 3D) zu sehen.
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