Von Martin Köbler
Heute keine „Geschichtchen“ über die Partie gegen die kleinen Knappen. Dafür ein paar Worte, die einmal dringend gesagt werden mussten.
Fußball ist doch ein Sport der Gegensätzlichkeiten. Wie oft heißt es beispielsweise im Vorfeld einer Begegnug, dass der „Große“ beim „Kleinen“ antritt – David gegen Goliath in Reinkultur. Der FC St. Pauli beispielsweise gilt aufgrund seiner geografischen Begebenheit als das „Freudenhaus der Liga“ und inszeniert sich mit diesem Selbstverständnis selbst, wenn es mal wieder gegen den großen Bruder aus dem Volkspark mit der blau-schwarzen Raute auf den Trikots geht. Der DFB-Pokal ist deshalb so interessant, weil nahezu alle Anhänger insgeheim auf das Straucheln einer „großen“ Mannschaft bei den vermeindlich „Kleinen“ hoffen. Der FSV Mainz 05 wird landauf, landab deshalb als so sympathisch empfunden, weil er mit seinem soliden Management und der inzwischen vorherrschenden Selbstironie, sich als „Karnevalsverein“ geoutet zu haben, den klassischen Gegenentwurf zum millionenschweren Geschäft des Profi-Fußballs darstellt. Niemanden, so man denn nicht zwingend Fan des FC Bayern ist, hat den Auswärtssieg am vergangenen Wochenende in der Allianz Arena gestört – im Gegenteil: Wo man hinkam, es gab nur ein Thema. Die „Kleinen“ haben die „Großen“ geschlagen. Alle hat es gefreut, so man denn nicht Fan des Hamburger SV oder von Hansa Rostock ist, dass der FC St. Pauli wieder erstklassig ist.
Die Gegensätze sind es, die diesen Sport so faszinierend machen.
Foto: Das Lachen ist zurück – im Verein, auf dem Rasen, auf der Tribüne. Die Eintracht beginnt, wieder Spass zu machen.
Umso beeindruckender wird es, wenn man diese faszinierende Gegensätzlichkeit in nur einem Verein innerhalb nur eines Jahres wiederfinden kann. Da ist zum einen der pfälzische Bub‘ aus Wattenheim, der sich mit seinem lichter werdenden Haupthaar und ernster Miene am Spielfeldrand selbst als Centurio inszenieren lässt, „etwas aufbauen“ will und den Anhängern Glauben schenkt, dass „Eintracht stark macht“. Zum anderen haben wir den smarten Oberpfälzer mit den wuschigen Haaren und dem fast schon ausgestorbenen Schnauzbart, der gerade dabei ist, die Scherben der Vergangenheit, als die Eintracht nicht stark, sondern labil und schwach war, aufzukehren und sich sprichwörtlich zum Anführer einer Mannschaft herauskristallisiert – ohne werbewirksame Maßnahmen in der Stadt, ohne leere Worthülsen nach den Begegnungen. Denn Roland Seitz, Cheftrainer des Traditionsvereines von der Mosel, nimmt man diese Eigenschaften im Gegensatz zu seinem Vorgänger tatsächlich ab. Unter ihm scheint die Eintracht wieder stark zu werden, unter ihm kann vielleicht wieder etwas aufgebaut werden. Etwas, das in der Sommerpause für immer und ewig verloren schien. Sein Vorgänger war es, der sich die (wenigen) Erfolge seiner Mannschaft anrechnen ließ und großmundig weitere große Taten ankündigte. Allein, es kamen keine. Roland Seitz ist es, der die erfolgreichen Spiele seiner Mannschaft richtig bewertet, sie nicht abheben lässt und diese Haltung selbst – verbal wie nonverbal – in geradezu prädestinierter Art und Weise vorlebt. „Wissen Sie, wir haben jetzt den neunten Spieltag und stehen auf Platz zwei. Kennen Sie das?“, fragt Seitz auf der gestrigen Pressekonferenz nach der Partie den daraufhin verdutzt dreinblickenden Kollegen – nur, um weiter anzumerken: „Ich schon. Zweiter Platz, 3. Runde im DFB-Pokal. Das Ergebnis kennen wir.“ Ja, das Ergebnis kennen wir zu genüge. „Lassen Sie uns doch einfach in Ruhe weiterarbeiten und uns weiterentwickeln!“ – Beifall im VIP-Zelt, strahlende Augen ringsherum. Manchmal ist Bescheidenheit doch die bessere Waffe als sich ein zu offensives weil zu selbstdarstellerisches Bild der Lage zu machen.
Die Außendarstellung der Eintracht anno Oktober 2010, sie ist ein kompletter Gegensatz zu dem Image, das im Herbst und Winter 2009/2010 seinen Anfang nahm und im Frühling fast in der totalen Selbstzerstörung gipfelte. Bescheidenheit statt fataler Fehleinschätzung. Spielfluss statt Rumpelfußball. Eintracht statt Zwietracht. Oder kurz: Roland Seitz statt Mario Basler.
Gegensätze können so schön sein.
Foto: Anna Lena Bauer
hanni meint
Seitz ist ein Supertyp! Der führt den SVE wieder nach oben! Ganze sicher!
Eintracht-Fan meint
Sehr schöner Beitrag. Trifft die Sache genau.
Bescheidenheit statt Fehleinschätzung
Spielfluss statt Rumpelfußball
Eintracht statt Zwietracht
muuselindianer meint
Den Worten des Autors ist nichts hinzuzufügen. So siehts aus. Ball flach halten und Fussball spielen.