In den Köpfen viele Menschen gibt es zwei Formen von Partnerschaften: entweder man führt eine Beziehung mit einer bestimmten Person, oder man führt eben keine Beziehung. Ganz oder gar nicht. Polyamorie, die Beziehung mit mehr als einem Partner – so etwas könne nicht funktionieren. Kann das eine vollwertige Beziehung sein. „Ja!“ sagt die Feministin Laura Méritt, und zeigt wie es geht.
Im Rahmen des Ladyfestes, das vom 13. bis zum 15. August in der Tuchfabrik in Trier stattfand, hielt die feministische Kommunikationswissenschaftlerin und Lachforscherin am Samstag, einen interaktiven Vortrag zum Thema „Polyamorie“. Es ist ein vorwiegend junges Publikum, das sich am Samstag Nachmittag in der Tufa eingefunden hat. Vorwiegend Frauen, nur wenige Männer. Laura Méritt, selbsternannte „Sexpertin“, erläutert die Definition von Polyamorie: „Polyamorie meint alle Beziehungsformen zwischen mehr als zwei Personen.“ Dabei ist egal ob man sich „im Kreis liebt“ wie es eine Besucherin formulierte, oder ob einzelne Personen innerhalb der Beziehungen ein Verhältnis haben.
Dass diese Vorstellung nicht bei allen Besuchern auf Gegenliebe stieß, war zu erwarten. „Ich befürchte, dass gerade die Männer Polyamorie ausnutzen und die Gefühle der anderen verletzen“, meldet sich eine Besucherin zu Wort, worauf eine andere erwidert: „Ich habe das auch schon bei Frauen erlebt – das ist nichts typisch Männliches.“ Laure Méritt lässt die Diskussionen laufen, kommentiert wenig – hierbei geht es nicht um richtig oder falsch, sondern um Lebensansichten, die jeder für sich selbst wählen muss.
Eine besondere Herausforderung bei Polyamorie ließ Méritt die Besucher am eigenen Leib spüren: das Dilemma der Aufmerksamkeitsteilung. In zwei Übungen sollten die Gäste eine Minute lang Augenkontakt halten – erst paarweise, dann zu dritt. Die verschiedenen Lösungsansätze, die die Besucher für die zweite Aktion fanden – einige wechselten zwischendurch den Partner, andere platzierten sich in einer ungewöhnlich verflochtenen Struktur – zeigten, auf wie viele verschiedenen Weisen eine polygame Beziehung funktionieren kann.
Polyamorie kann funktionieren, sagt Méritt. Wichtig sei aber die Kommunikation zwischen allen Beteiligten – wie bei einer monogamen Beziehung. „Beziehungen ändern sich, da ist es wichtig miteinander zu reden“, stellte Méritt fest. Besonders wichtig sei es dabei positiv und genau zu formulieren, um den anderen nicht gegen sich aufzubringen und Missverständnisse zu verhindern.
„Der Feminismus ist überall“
Die bekennende Feministin findet es wichtig über Polyamorie zu sprechen, weil sich auf diese Weise mit Geschlechterrollen auseinander gesetzt wird und die Norm hinterfragt wird. „Das ist immer auch ein Protest gegen starre Lehrformen“, erklärte Méritt, der vor allem die Gleichstellung aller Geschlechter am Herzen liegt. „Feminismus ist für mich der Kampf für Menschenrechte, die rechtliche Anerkennung von Gleichstellung und garantierte Vielfalt!“ Generell ist sich die feministische Linguistin aber darüber bewusst, dass sich in den letzten Jahrzehnten schon viel geändert hat. „Der Feminismus wird heute viel eher akzeptiert, außerdem sind die Grundstöcke schon gelegt, der Kampfgeist von früher ist heute nicht mehr so sehr notwendig.“ Mit der Entwicklung in den letzten Jahren und der gegenwärtigen Situation ist die gebürtige Saarländerin daher sehr zufrieden: „Der Feminismus ist überall!“
Vom Ladyfest war sie daher sehr begeistert, nicht nur weil sie die Gelegenheit hatte, ihre Studienstadt das erste Mal seit Jahren zu besuchen, sondern auch wegen dem „tollen Programm“, das die richtige Mischung aus Austausch und Bildung möglich mache. In Zukunft will die Sexpertin neben ihrem bereits bestehenden Projekt „PorYes: feministische Pornos“ vor allem Aufklärungskampagnen zur weiblichen Ejakulation und zur weiblichen Prostata organisieren. Ihr stets präsenter Leitsatz: „Viva la Vulva!“
Ein ähnliches Motto hatten wohl auch die Mitglieder des Frauenreferats der Uni Trier, die das Ladyfest organisierten. Frauenreferentin Cora Weiler vom AstA weiß gar nicht mehr wie viele Stunden sie und ihre Kolleginnen in die Organisation des Ladyfestes investiert haben. „Die Idee entstand Ende 2009“, erklärt sie. Seitdem arbeiten die fünf Referentinnen des autonomen feministischen Frauen-/Lesbenreferates im AStA an Programm und Ausführung des queerfeministischen Festivals. „Wir sind zu feministischen Veranstaltungen in anderen größeren Städten gefahren. Das hat uns alles sehr gefallen, aber weil es solche Events meist nur in großen Städten wie Hamburg oder Köln gibt, wollten wir sie nach Trier bringen.“ Bei der Programmgestaltung gab es keine Probleme. „Wir haben uns dann zusammengesetzt und uns gefragt, wer wir eigentlich sind und was wir wollen und waren uns da sehr schnell einig.“ Das Ziel: Sie wollen gleiche Handlungsspielräume für Männer und Frauen und die Besucher zum Denken und Hinterfragen der Norm anregen.
Die größte Barriere auf dem Weg zum Ladyfest sei wohl die Frage gewesen „Trauen wir uns das überhaupt zu?“ Völlig unbegründet wie sich jetzt rausstellte, die Vorträge, Workshops und Filme sowie die Partys und Konzerten trafen auf großes Interesse. Das Fest war ein voller Erfolg!
Lizenz und Bildnachweis: Bild 1 (Laura Méritt) (c) Polly Fannlaf, Bild 2 (Cora Weiler) (c) Cora Weiler, Text von Giuliana Thomanek:
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