Bereits das fünfte Mal ist es in Berger-Gorskis Karriere als Theaterregisseur, dass er die tragische Geschichte von Narr Rigoletto und seiner unglücklich verliebten Tochter Gilda inszenieren darf. Und das Stück fasziniert den bekennenden Verdi-Fan immer aufs Neue. In Trier geht er nochmal neue Wege mit seiner Inszenierung.
„Es ist ein politisches Stück“ gibt Bruno Berger-Gorski von Anfang an zu bedenken: „Verdi war generell ein politisch denkender Mensch.“ Nicht umsonst war das Schauspielstück 50 Jahre lang verboten. Rigoletto, ein buckliger Narr, am Hofe eines adeligen Lebemannes, ist eine geschichtsträchtige Figur. Eine Gegenbewegung zum gewissenlosen Adel. Keine leichte Angelegenheit zu damaligen Zeiten, so offen Kritik am Adel und seinen wenig adeligen Umgangsformen zu nehmen. Die Figur des Rigoletto, ein Rebell gegen die herrschende Klasse.
Berger-Gorski sieht hier, wie in jedem großen Klassiker, klare Bezüge auch in unserer gegenwärtigen Gesellschaft: „Verdi, aber auch andere große Künstler der Geschichte, bleiben mit dem, was sie geschaffen haben, ewig aktuell, da sie Strukturen der Gesellschaft offen legen. Es gab beispielsweise immer mächtige Männer, die dachten, mit Geld alles kaufen zu können. Selbst einen Menschen, eine junge Frau.“ Suchen wir in unserer heutigen Gesellschaft nach einem solchen machthungrigen, vor Geld strotzenden Mann für den die Ehre einer Frau wenig bedeutet, werden wir schnell fündig. „Der Herzog von Mantua könnte ein Sohn Berlusconis sein und die Feste auf seinem Schloß „Bunga Bunga-Parties“. Ein reiches Söhnchen, das es gewöhnt ist, alles zu bekommen, was es will und wen es will.“
Anhand dessen entwirft Berger-Gorski eine ganz andere Gilda, ein Mädchen, das noch an die wahre Liebe glaubt. Eine, die sich nicht gleich hingibt und dem Charme des Herzogs erliegt, die durch ihre Erziehung stark geprägt ist. Als Symbol dafür greift Berger-Gorski auf das Kopftuch zurück. Gilda als Islamistin. Aber auch als Gefangene zwischen zwei Lieben: Einmal dem Vater, der sie im Haus gefangen hält, um sein einziges Glück auf der Welt nicht zu verlieren und einmal dem Herzog. „Der Herzog lernt bei diesem jungen, pubertierenden Mädchen Respekt und damit auch eine gewisse Art der Liebesfähigkeit.“ Treue lernt er damit aber nicht. Nach einem Monat der Abwesenheit sind die Gefühle Gildas noch immer ungebrochen, der Herzog vergnügt sich aber weiterhin. Ein schweres Los für die junge Frau: „Sie liebte diesen Mann nur vom Sehen, von ihrer einzigen Ausgangsmöglichkeit in der Woche, dem sonntäglichen Kirchgang. Sie hat sich ihn als armen Studenten vorgestellt, was ein reines Traumbild war, eine Projektion ihrer Sehnsüchte.“ Mit der Armut eines Studenten hätte Gilda leben können, aber mit der Polygamie eines Herzogs kann sie es nicht. Doch auch der Weg zurück in das väterliche Gefängnis ist für sie unmöglich. „Ihr „Freitod“ ist die einzige Freiheit, die sie hat und jemals hatte.“
Junge Talente – große Rollen
In modernen Zeiten gilt die Frauenemanzipation als Weg aus der (männlichen) Unterdrückung. Diese Bewegung findet auch in Berger-Gorskis Inszenierung ihren Platz. Wenn er auch noch so klein ist. „Die Damen des Chores haben einen Auftritt als Emanzipationsbewegung. Zu dieser Bewegung ist die junge Gilda allerdings nicht fähig. Gerade deshalb wird sie zu einer Projektionsfläche, mit der sich jeder identifizieren kann: Die Leidende, die sich aus ihrem Leid nicht lösen kann.“ Verdi hatte selbst zwei Töchter, die früh verstorben sind, vielleicht beschäftigt er sich gerade deshalb mit dem Schicksal der Frauen und auch mit dem Schicksal von gesellschaftlichen Randfiguren, wie dem Narren, den Prostituierten, den Beeinträchtigten und den Selbstmördern, wie in Rigoletto. „Die männlichen „Eigenschaften“, dass Väter sich nicht von ihren Töchtern trennen können und jeder Mann die Anlagen zur Polygamie in sich hat, gibt es seit jeher und wird es immer geben. Genauso wie der weibliche Glaube, dass man einen Mann umerziehen kann und das der eigene Mann doch ganz anders ist, als andere Männer.“
In dieser Inszenierung gibt es nicht nur ein erstes Mal auf der Bühne, sondern auch hinter der Bühne: Sopranistin Jennifer Riedel singt nicht nur zum ersten Mal die Gilda, sondern ist zudem frisch von der Uni, Mezzosopranistin Kristina Stanek singt das erste Mal die Partie der Maddalena. Beide glänzen durch Jugend, Talent und Professionalität. Und das, gerade obwohl beide jung sind und noch nicht die Erfahrung der „alten Hasen“ haben können: „Das geht nur im deutschen Theater, sich über sechs oder sieben Wochen Probenzeit mit einer Rolle zu beschäftigen, um stimmlich, aber auch vom Schauspielerischen her in sie reinwachsen zu können. Nicht umsonst kommen Sänger aus aller Herren Länder nach Deutschland. Trier ist dabei oft ein Sprungbrett für junge Talente, sie werden hier entdeckt, bevor sie sich auf den Weg machen auf die ganz großen Bühnen.“ Die Partie der Gilda ist dabei nicht nur für Frau Riedel ein großer Glücksgriff sondern auch für das Theater.
5vier.de wünscht allen Beteiligten für morgen eine gelungene Premiere und ToiToiToi besonders an die Damenwelt.
Kommentar verfassen