Die Kritiken waren größtenteils verheerend, das Budget völlig aus dem Ruder gelaufen. Die Vorzeichen für den Lone Ranger standen trotz Zugpferd Johnny Depp und einer bewährten Mannschaft hinter der Kamera alles andere als gut. Doch geht man unvoreingenommen ins Kino, macht die fantasievolle Western-Hommage verdammt viel Spaß! Andreas Gniffke hat sich den Film im Trierer CinemaxX angesehen.
Hollywood scheint die bewährte Rezeptur für kalkulierte Kinoerfolge abhandengekommen zu sein. Typische Blockbuster wie After Earth mit Will Smith, White House Down von Roland Emmerich oder World War Z mit Brad Pitt setzten auf bewährte Strickmuster, scheiterten aber zum Teil spektakulär an den Kinokassen. An die Spitze der Misserfolge setzte sich Lone Ranger, der mit einem Budget von geschätzten 250 Millionen Dollar an die Erfolge der Fluch der Karibik-Reihe anknüpfen und das Genre des Westerns ebenso wiederbeleben sollte wie einst die Saga um Captain Jack Sparrow den Piratenfilm. Gesetzt wurde auf bewährte Zutaten, um jedes Risiko im Vorhinein auszuschließen: Jerry Bruckheimer produzierte den Film und Regie führte erneut Gore Verbinski, Erfolgsgarant Johnny Depp wurde wieder in eine lustige Verkleidung gesteckt und mit Armie Hammer (The Social Network) soll ein attraktiver Nachwuchsstar die weibliche Kundschaft ins Kino locken. Doch das Ergebnis vor allem in den USA kommt einem Desaster gleich. Weniger als 30 Millionen Dollar spielte Lone Ranger am wichtigen Premierenwochenende ein, bislang wurden wohl weniger als hundert Millionen der geschätzt 250 Millionen investierten Dollar wieder hereingeholt. Geplante Fortsetzungen dürften damit erst einmal auf Eis liegen. Die miserablen Kritiken aus den Vereinigten Staaten könnten sich auch negativ auf die Einspielergebnisse in Europa auswirken. Doch liegt es wirklich am Film?
Wohl eher nicht, zumindest nicht nur. Am Starttag war zumindest der große Saal des CinamaxX ordentlich gefüllt und die Reaktionen des Publikums waren durchaus positiv. Das lag sicherlich zu großen Teilen an der großartigen Performance von Johnny Depp, der als abgedrehter Indianer Tonto mit stoischem Gesichtsausdruck, einer toten Krähe auf dem Kopf und großartiger Präsenz beweist, dass er allein einen zweieinhalb-Stunden Film tragen kann. Der Film setzt im Jahr 1933 ein, als ein kleiner Junge auf einem Jahrmarkt eine Wanderausstellung zum Thema „Wilder Westen“ besucht. Neben Bisons und Grizzlybären wird dort auch ein „Edler Wilder“ ausgestellt, ein alter Indianer, der sich zum anfänglichen Schrecken des Jungen als quicklebendig entpuppt und ihm seine merkwürdige Lebensgeschichte erzählt. Zusammen mit dem biederen Juristen John Reid (Armie Hammer) machte dieser sich viele Jahre zuvor auf die Suche nach dem Erzbösewicht Butch Cavendish (schön fies: William Fichtner, Prison Break), der mit seiner Bande Johns Bruder auf dem Gewissen hat. John überlebte als einziger den Hinterhalt und versucht, von allen für tot gehalten, als geheimnisvoller Lone Ranger den Schurken der Gerechtigkeit zuzuführen. Gerade beginnt die Eisenbahn den Westen zu erschließen und die Konflikte zwischen Eindringlingen und indianischen Ureinwohnern spitzen sich immer weiter zu, doch das ungleiche Duo aus naivem Juristen und verrücktem Indianer gibt die Suche nach Cavendish nicht auf und kommt einer großen Verschwörung auf die Spur.
Westernpuristen dürften sich mit Grausen abwenden, ist doch Lone Ranger kein düsterer, moderner Neo-Western, sondern vielmehr eine Hommage an die heute leicht trashig anmutenden Westernserien aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Der Lone Ranger ritt seit den 50er Jahren über die Bildschirme der Welt und war vor allem in den Vereinigten Staaten ein großer Erfolg. Auch die aktuelle Umsetzung sollte nicht allzu ernst genommen werden, zahlreiche absurde Ideen und ein Johnny Depp in humoristischer Hochform sorgen für beste Unterhaltung. So bevölkern kannibalische Killerkaninchen und ein verrücktes Pferd die Szenerie, zahlreiche Filmzitate in Bild und Ton runden das Gesamtbild ab. In Form einer klassischen Buddy-Komödie macht neben Tonto auch Armie Hammer als Lone Ranger eine beachtliche Figur. Seine naive, manchmal etwas trottelige Art, wirkt sympathisch und erträglich überzeichnet, man merkt, dass die Macher eher eine Hommage als eine Parodie im Sinn hatten. Die politisch-historische Botschaft muss hinter so viel Fantasie zurückstecken, dass dem Film nun zum Vorwurf zu machen, ist allerdings unfair. Die Eroberung des Westens ohne Rücksicht auf die Ureinwohner, die Profitgier, die vor Mord und Totschlag nicht zurückschreckt, all dies wird thematisiert und bietet eine ernsthafte und melancholische Folie, die Lone Ranger somit über Klamauk und Action erhebt. Mehr nicht, aber weniger eben auch nicht. Entsprechend melancholisch endet der Film im Abspann, als der alte Tonto im bürgerlichen Gewand mit Hut und Aktenkoffer durch die amerikanische Wildnis streift. Doch zuvor lässt Regisseur Verbinski erahnen, wofür die unzähligen Millionen draufgegangen sein dürften. In einer atemberaubenden Verfolgungsjagd mit, auf und neben Zügen, setzt er einen Action-Meilenstein, der in seiner Machart an uralte Slapstickfilme oder die Zeichentrickserie mit Roadrunner und Kojote erinnert. Ganz großes Kino, das auch über einige Längen in der zweiten Hälfte des doch etwas überlangen Films hinwegtröstet. Apropos Hälften: Wer auf die mittlerweile fast Gewohnheit gewordene Idee kam, Filme mit einer künstlichen Pause zu versehen, gehört wie Tonto und Lone Ranger eingegraben und mit Skorpionen traktiert!
Fazit:
Wer einen klassischen Western oder eine Fortsetzung der Fluch der Karibik-Reihe mit Indianern statt Piraten erwartet, dürfte wahrlich enttäuscht werden. Alle anderen sollten sich von den vielen schlechten Kritiken nicht beeinflussen lassen und dem Lone Ranger und seinem Kumpan Tonto eine Chance geben. Allein die Performance von Johnny Depp lohnt das Eintrittsgeld und das Elfenbein-Bein von Helena Bonham Carter als Puffmutter wirkt wahrlich explosiv. Es ist eine charmante Hommage an eine spezielle Form des Westerns, die all diejenigen begeistern dürfte, die sich noch an Roy Rogers den singenden Cowboy oder an Fuzzy erinnern können. Doch auch alle anderen dürften ihren Spaß haben, Sitzfleisch vorausgesetzt.
Regina Dinter meint
Vielen Dank dem Autor für diese wunderbare Rezension dieses wunderbaren und zu unrecht verrissenen Films. Diese Zeilen sprechen mir aus dem Herzen! Und ich kann jedem nur raten, sich von Kritiken jedweder Art nicht beeinflussen zu lassen, sondern ins Kino zu gehen und sich selbst eine Meinung zu bilden.