Am Freitag, 21. Juni, hatte das neueste Stück von Elfriede Jelineck, „Aber sicher“, Premiere im Studio des Theaters Trier. Das wortgewaltige Stück wurde inszeniert von Judith Kriebel und lief im Rahmen des Festivals „Maximierung Mensch“.
Gestatten: Die Bank. Links daneben: Die Versicherung. Dahinter sehen Sie: den Staat. Die Bank ist knatschig, weil sie sich verzockt hat, das Geld ist weg, die Krise ist da. Eine Stadt jagt ihren Mörder, im finanziellen Sinne, und die Bank flüchtet sich an die mütterliche Brust von Vater Staat. Der zieht erst mal die im wörtlichen Sinne heruntergelassenen Hosen wieder hoch, hilft auf die wackligen Beine, lehrt das Gehen neu, bläst Schwimmflügelchen auf. Schließlich geht es der Bank wieder etwas besser, immerhin wieder so gut, dass sie dem Staat die Richtung diktieren kann, in welche sie als Nächstes geschoben werden möchte, um dem Publikum seine seitenweisen Weisheiten um die Ohren zu schlagen. Dahinter haben die Versicherungsdamen den ebenfalls sprichwörtlichen Rettungsschirm aufgespannt. Ans Rettungsseil gespannt, hangeln sie sich über die unsicheren Bretter, die die Welt bedeuten. Laut tönend meldet sich der Bote zu Wort, als Verkünder der unangenehmen Botschaft ist er natürlich in dem Dreiergespann nicht gerne gesehen. Ebenso wenig wie der Seher, der zwar blind ist, aber dennoch den Durchblick zu haben scheint.
Auf die Spitze getrieben
Den wirtschaftlichen Alltag auf die Spitze getrieben oder bloß Fakten literarisch zusammengetragen? So oder so ist Elfriede Jelinecks Stück eine wortgewaltige Kost; die Worte und Informationen prasseln nur so auf einen ein, die Bilder der Inszenierung Kriebels versuchen sich mit Sprichwörtlichkeiten dem Stoff zu nähern. So werden finanzielle Löcher auf der Bühne „gestopft“, der Rettungsschirm aufgespannt, Vater Staat wieder in den Schlaf gelullt. Doch das Problem bleibt erst mal bestehen.
Die Bank hat kein Geld und möchte aber doch so gerne wieder gerettet werden, der liebe Papa hilft da schon. Schließlich springen auch die Versicherungen dazu, die haben ja schließlich bei so einer Rettungsaktion am wenigsten zu verlieren. Denn zahlen tun die nicht. Wozu auch, es ist ja nichts gewesen, die Schulden werden kurzerhand in Werte umgewertet. Alles Ansichtssache. Zahlen muss am Schluss niemand, wofür auch? Im Schadensfall? Wenn’s den geben wird, was ja nicht gesagt ist. Und wenn dann doch etwas passiert? Wird es nicht. Und wenn doch? Man ist ja versichert, aber die Versicherung muss gar nicht zahlen, weil auch nichts passieren wird. Und etwas Unsicheres versichern, welche Versicherung würde das schon tun? Fragt auch Jan Brunhoeber die zwei koketten Versicherungsdamen, Vanessa Daun und Sabine Brandauer; die kichern keck. Die Bank, Jan Brunhoeber, hat das System verstanden, der blinde Seher, Matthias Stockinger, sowieso schon längst, dem Boten, Daniel Kröhnert, schwant Übles, nur der Staat, Christian Miedreich, freut sich über die gekauften Schulden, aber er muss ja auch erst mal nicht zahlen. Also alles geritzt, alles sicher, bis zum großen Black Out.
Danach: Diskussionen über eine gefundene Fett-Wachs-Leiche, eine schwer hinkende Frau. Könnte sie diejenige Tote sein, nach der man suchte? Um das herauszufinden, bräuchte man ihren Kopf, also wird der kurzerhand entfernt. Oder die Hände, also müssen die auch schnell weg. Besser die Füße auch noch mitnehmen. Also kann sie es nicht sein. Die Tote ist auf keinen Fall Frau Rosa Luxemburg. Ist ja auch gar nicht weiter bedeutsam. Die Krise ist ja überwunden, das muss sogar der blinde Seher gestehen, schnell räumt er alle Fehler ein.
Über dessen ausschweifende Bekundungen können seine Mitspielenden nur pikiert lächeln; es entsteht ein Schulhoffeeling: Die Coolen fremdschämen sich für den Außenseiter, der plötzlich auch dazugehören möchte. Und gerade als man sich mit dem uncoolen Außenseiter anfreunden konnte, platzt der großmäulige Bote rein und will mal wieder alles kaputtmachen. Also entledigt man sich lieber endgültig des Schwätzers.
Gekonntes Spiel, gewitzte Inszenierung
Eine Inszenierung, wie die Finanzkrise selbst: undurchsichtig, kompliziert, dann wieder spannend und einfallsreich an Wendungen und Windungen, streckenweise reich an schwer verständlichen, dafür interessanten Textpassagen und dann über Minuten wieder schleppend und etwas langatmig. Auch das gekonnte, feinsinnige Spiel der Darsteller, besonders die beiden Damen, Vanessa Daun und Sabine Brandauer zeigen hier wieder ihr solides Können, auch Jan Brunhoeber legt ordentlich drauf, und die vielen gewitzten Einfälle von Regisseurin Judith Kriebel können der Inszenierung nicht das eine oder andere Spannungstief nehmen. Elfriede Jelineck gab selbst einmal zu, dass sie „die Spur verloren hätte“, aber trotzdem schreiben würde. Vielleicht hätte man diesen Spurlosigkeiten mit gut gesetzten Kürzungen entgegentreten können. Etwas weniger Wortflut an ein paar Stellen hätte gut und der Botschaft keinen Abbruch getan: Die kam nämlich durch die clevere Inszenierung und die treffsicheren Leistungen der Schauspieler allemal rüber.
Das Bühnenbild von Susanne Weibler entstand in Zusammenarbeit mit André Jäger, der für die Rohr-Konstruktionen zuständig war. Ein System aus Selbigem zieht sich über die Bühne, an allen Ecken und Enden tropft es aus den Hähnen in Eimer und Wannen. Auch das Bühnenbild wieder eine Annäherung an den komplexen Text, in dem die Kanalrohre vermietet werden. Die Kostüme von Carola Vollath, businesslike und souverän, bis hin zu altväterlich oder jugendlich. Die eingespielte Musik stammt von Matscho Herzschlag.
Fazit: Ein interessantes Stück mit vielen guten Ideen und engagierten Schauspielern, um sich dem gewaltigen Textmaterial anzunähern, leider aber ebenso mit einigen Längen. Wer sich für seine und anderer Finanzen interessiert und gerne mal einen anderen Blick auf die Problematik werfen möchte, sollte sich dieses Stück nicht entgehen lassen.
Foto: Theater Trier
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