Lorde ist nach vier Jahren mit ihrem zweiten Album Melodrama zurück. Die ungewöhnlich lange Pause hat der jungen Künstlerin mehr als gut getan.
Eine alte Weisheit in der Musikindustrier lautet: „Das zweite Album ist immer das schwerste.“ Aber warum ist das so? Die Logik ist relativ simpel. Ein Künstler schreibt jahrelang Songs und nur die Besten werden auf dem Debütalbum tatsächlich verwendet. Dann erwarten Plattenfirma und Fans ein zweites Album, wenn möglich innerhalb der nächsten 24 Monate.
Viele Künstler scheitern an dieser Aufgabe. Inspiration kann man nun mal nicht erzwingen und so werden Zweitwerke häufig zu einer Ansammlung von unfertigen, hastig geschriebenen Tracks, von denen die Künstler selbst nicht überzeugt sind. Die Hörer sind enttäuscht und ein One-Hit-Wonder ist geboren. Lorde, die 2013 mit Pure Heroine zum Shooting-Star wurde, wäre es fast so ergangen.
Mit gerade mal 15 Jahren hatte die Neuseeländerin Ella Yellich O’ Connor mit Royals einen weltweiten Megahit. Die junge Sängerin machte sich darin über das Luxusleben der Stars lustig. Alternative-Pop war bereits immer mehr im Kommen und Lordes Debütalbum wurde schnell zur Vorlage für vieles, was in den letzten Jahren in den Charts aufgetaucht ist. Die Amerikanerin Halsey, die 2014 die Bühne betrat, wird von Kritikern immer wieder gerne an Lorde gemessen. Zugegebenermaßen ist der Einfluß von Pure Heroine auf ihre Musik aber auch unüberhörbar.
Schnell schrien deshalb alle nach neuen Songs. Nachdem der erste große Hype um Lorde aber vorbei war, wurde es ziemlich ruhig um die Neuseeländerin. Wie man mittlerweile weiß, kam die zu dem Zeitpunkt nicht einmal volljährige Ella mit dem Druck nicht klar. Die Inspiration wollte einfach nicht kommen, der Teenager prokrastinierte vor sich her und plötzlich war auch noch mit dem langjährigen Freund Schluß. Ella ging im Gefühlschaos unter trat jeden Song den sie seit 2013 geschrieben hatte, in die Tonne. Sie war kein Stückchen weiter und die Musikmagazine fingen langsam an Artikel zu schreiben, in denen gefragt wurde ob jemals noch etwas Neues von Lorde kommen würde.
Aus dieser Überflut an Gefühl kam dann irgendwann der Geistesblitz der zu dem 11 Songs umfassenden Melodrama führte. Frustration, Isolation und jede Menge Herzschmerz. Der Weg aus dem verwirrenden Teenagerdasein gelang dann letztendlich doch durch die Musik. Lorde wird erwachsen und ihre Musik mit ihr.
In vieler Hinsicht ist Melodrama poppiger und vor allem mehr durchproduziert (von Fun. Gitarrist Jack Antonoff). Die HipHop Beats sind stellenweise komplett zurück geschraubt und durch Pianoklänge ersetzt. Und trotzdem ist es anders als das was man sonst so hört. Während Pure Heroine mittlerweile fast schon die Schablone für Alt-Pop geworden ist, wirken die ständigen Beatwechsel und plötzlichen Instrumentalteile auf Melodrama fast schon ungewöhnlich und nicht ganz radiotauglich. Die Melodramatik überbietet stellenweise fast schon Lana Del Rey, deren ganzes Image immerhin darauf aufgebaut ist. Lorde wird aber nie so kitschig wie Del Rey. Selbst die abgehobenen Songs heben nie ganz vom Boden ab.
Die großen Gefühle präsentiert Lorde lieber durch ständig wechselnde Experimente in den Songs. Manche Tracks auf dem Album wirken ein wenig überladen. Louvre startet 30 Sekunden vor Schluß, wenn der Song eigentlich schon zu Ende ist, einfach mal einen völlig neuen Hook. Der Titel Melodrama und das majestätische Gemälde von Lorde, welches das Cover schmückt, beschreiben das Album also tatsächlich sehr passend. Was schnell ein gigantisches Durcheinander hätte werden können, ist dank Lordes Ehrlichkeit eine wunderschöne Reflektion auf das Gefühlschoas eines erwachsen werdenden Teenagers, der zufällig eine unheimlich talentierte Künstlerin ist.
Eine vierjährige Abwesenheit führt selbst bei einem jungen, aufsteigenden Popstar längst nicht mehr zum Tod der Karriere. Die 90er Jahre, als die Labels die Musiker gezwungen haben einmal im Jahr ein Album raus zu kloppen um nicht aus dem Rampenlicht vertrieben zu werden, sind zum Glück vorbei. Melodrama ist um Längen besser als das bereits verdammt gute Pure Heroine und dürfte Lordes Platz in der Szene zementierten. Ihre Tour ist stellenweise bereits ausverkauft, für alle Deutschlandkonzerte gibt es aber zur Zeit noch Tickets.
11.10.2017: München / Zenith
14.10.2017: Köln / Palladium
15.10.2017: Berlin / Tempdrome
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