Die komplizierte Welt des Umsteigens auf Langstreckenflügen ab Luxemburg haben wir bereits letzte Woche beleuchtet. Heute wird es Zeit für ein verrücktes Beispiel: wie kann man einen nervigen Layover in New York nutzen?
Trier / New York. Es ist 6:00h, unser Wecker klingelt in einem seelenlosen Hotel-Kasten direkt am John F. Kennedy-Airport in New York. Gestern Abend sind wir um 23:00h aus Luxemburg über Paris kommend gelandet. Eigentlich würden wir uns lieber nochmal umdrehen, aber vor uns liegt ein Reise-Experiment, von dessen Erfolg ich selbst noch nicht überzeugt bin: New York in 10 Stunden.
Die Frage, die uns jeder stellt: Warum? Jeder New York-Tourist, der etwas auf sich hält, nimmt sich mehrere Tage Zeit für den Big Apple. Beim Herumprobieren mit Flugverbindungen an die Westküste hatten wir die Wahl zwischen 6 Stunden oder 22 Stunden Layover in New York. Alle komfortableren Lösungen oder längere New-York-Aufenthalte waren deutlich teurer. 6 Stunden sind zu wenig, um nach der Einreise-Prozedur und vor der anschließenden Check-In-Prozedur noch einigermaßen stressfrei in die Stadt fahren zu können, 22 Stunden sind eigentlich deutlich zu viel. Unser Wahl fiel dennoch auf letzteres. Da wir spät ankamen, buchten wir ein halbwegs erschwingliches Hotel in Airport-Nähe und organisierten uns so, dass wir am nächsten Tag früh durchstarten konnten. Unser Gepäck hatten wir vor Verlassen des Flughafens beim sogenannten Baggage Storage in unserem Abflug-Terminal für den nächsten Tag abgegeben, so dass wir uns in der Stadt nicht noch um unsere schweren Koffer kümmern mussten. Das Gepäck bereits am Vorabend für den nächsten Flug aufzugeben wird seit 9/11 leider nicht mehr angeboten. So weit, so gut…
Nun stehen wir mit dem nötigsten im Handgepäck in den Startlöchern und checken in aller Herrgottsfrühe aus unserem Hotel aus. Wir wollen möglichst schnell nach Manhattan. Die meisten Airport-Hotels bieten einen kostenlosen Shuttle-Service, der die Gäste zurück zum Flughafen bringt. Den nutzen wir, um dann schnell in den Airport-eigenen Airtrain umzusteigen, der die Fahrgäste für überschaubare 5$ zur nächsten U-Bahn-Station (Howard Beach Station oder Jamaica Station) bringt. Von beiden Optionen geht’s für 2,50$ Richtung Manhattan, bis man dann dort ist sollte man ungefähr eine Stunde einkalkulieren.
Es ist 8:00h, wir erreichen Manhattan! Das Erlebnis hier zum ersten Mal aus der U-Bahn an die Oberfläche zu kommen ist mit Worten nicht zu beschreiben und einfach unvergesslich. Man fühlt sich zwischen all diesen nicht enden wollenden Glastürmen im Financial District wo die gelben Taxis im Sekundentakt hupend vorbeifahren und überall geschäftiges Treiben herrscht wie in einer überdimensionalen Filmkulisse. Wir machen uns nach dem anfänglichen Staunen zügig auf den Weg Richtung Staten Island Ferry. Unser Tag ist straff durchgeplant, um in möglichst wenig Zeit möglichst viel von New York mitnehmen zu können. Besagte Fähre ist unglaublicherweise komplett kostenlos und pendelt ununterbrochen zwischen Manhattan und Staten Island. Die ca 8km lange Strecke durch die Upper Bay führt praktischerweise recht nah an der Freiheitsstatue dabei und ist damit ein günstiger Ersatz für die teuren Touristen-Touren zum Wahrzeichen selbst. Mit Betreten der Fähre sichern wir uns gleich einen Platz an der Reling und halten die Kameras bereit, um die langsam vorbeiziehende Skyline von New York und wenig später Lady Liberty abzulichten. Ein unwirklicher Moment!
Nach einer knappen halben Stunde kommen wir wie geplant auf Staten Island an und können praktischerweise direkt wieder in die Fähre zurück einsteigen, die auch umgehend losfährt. Das kommt unserem heutigen Zeitplan natürlich zu Gute, denn schon jetzt bleiben uns nur noch 6 Stunden, bevor wir die Rückfahrt zum Flugplatz starten müssen. Da der Flug um 19h geht, haben wir 90 Minuten Airport-Time für Einchecken, Security & Co berechnet und etwa 90 Minuten für die Anreise zum Flughafen.
10:00 Uhr. Wieder in Manhattan angekommen geht es für uns Richtung 9/11-Memorial, welches uns im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlägt. Während das brandneue WTC One bereits in vollem Glanz erstrahlt tun sich vor uns diese 2 gigantischen Löcher auf, die die Umrisse der Twin Towers bildeten. Der gesamte New York-Hype reduziert sich plötzlich auf dieses bedrückende Gefühl, dass hier fast 3000 Menschen gestorben sind in einem unendlich sinnlosen Terroranschlag. Ich kann mich noch genau erinnern an den Moment, als ich 2001 die ersten Fernsehbilder der brennenden Türme sah und das Gefühl, als selbige schließlich einstürzten…totale Ohnmacht, Ungläubigkeit…die Skyline Manhattans bildete eine derart ikonenhafte Silhouette, die nun einfach nicht mehr existierte. Darüberhinaus muss man den New Yorkern größten Respekt für dieses gigantische und dennoch angenehm subtile und vor allem enorm stimmige Memorial zollen. Hier wird ohne Hurra-Patriotismus und auch ohne Darstellung von Feindbildern einfach nur mit 2 riesigen Löchern in einer zurückhaltenden Park-Anlage der tausenden Opfer gedacht, die hier sinnlos sterben mussten. Die Besucher verhalten sich trotz großem Andrang glücklicherweise ebenso respektvoll. Für das gerade erst eröffnete 9/11-Museum fehlt uns leider die Zeit, auch weil die Warteschlange schon davor gigantisch ist. Schweigend spazieren wir durch die Menschenmassen, vorbei an den Grundrissen der Twin Towers dem WTC One zugewandt…und irgendwie ist es ein erhabenes Gefühl zu sehen, wie schnell sich diese Stadt von diesem Jahrhundertereignis erholt hat.
12:00h. Mit der U-Bahn geht’s für uns weiter zum Times Square, der bei Tageslicht nicht mal ansatzweise so bombastisch rüberkommt, wie man das aus zahlreichen Filmen und Dokumentationen kennt. Wir sind recht schnell genervt von den unendlichen Menschenmassen, dem Lärm, den Baustellen, so dass wir uns erstmal in ein klassisches Deli in einer Seitengasse verziehen und zu Mittag essen.
13:30h. Gestärkt geht es dann weiter zum Nordrand des Central Parks. Aus Zeitgründen können wir die gigantische grüne Lunge Manhattans natürlich nur ganz grob anreißen, aber wir sind auf Anhieb begeistert von der hügeligen Grün-Anlage mit vielen Felsen, Bäumen und Seen. Der 350 Hektar große Park ist ein ursprüngliches und unberührtes Juwel im Großstadtdschungel und fasziniert mit verschlungenen Wegen, urtümlichen Fels-Hügeln und natürlich gewachsenen Bäumen. Auch wenn wir sie eigentlich nicht haben, nehmen wir uns mehr Zeit als geplant, die gegensätzliche Szenerie auf uns wirken zu lassen….mitten im Grün mit dem angrenzenden Wolkenkratzer-Wall…der Kontrast zwischen den Welten ist geradezu elektrisierend.
15:00h. Da uns nicht mehr allzuviel Zeit bleibt, beschließen wir Richtung Brooklyn Bridge zu fahren, die wir eigentlich zu Fuß überqueren wollten. Das wird nun allerdings zu knapp, so dass wir an die Docks des imposanten Gebildes wandern und so viel wie möglich von dieser unglaublichen Perspektive in uns einsaugen. Die Skyline Manhattans vor unserer Nase, Brooklyn und Manhattan-Bridge zu unserer Rechten und diese relaxte Atmosphäre, wie man sie aus tausenden Filmen kennt.
16:00h. Vor dieser Kulisse lassen wir unseren Manhattan-Zwischenstopp ausklingen und sind uns nach diesem Kurz-Trip sicher, dass wir beim nächsten Mal mit mehr Zeit wiederkommen werden. Mit Blick auf die Skyline werten wir unser Umsteige-Abenteuer aus. Wir haben in knapp 10 Stunden deutlich mehr gesehen und erlebt als bei einem 6-Stunden-Aufenthalt am Flughafen. Natürlich ist in der Zeit nur ein oberflächliches Best-Of-Programm möglich, aber wir konnten für einen geringen Aufpreis einen ersten Eindruck dieser unglaublichen Metropole gewinnen und gleichzeitig unseren Flug-Marathon an die Westküste etwas entzerren.
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