Von Andreas Gniffke
Eine männlich dominierte Gemeinschaft mit klaren Hierarchien und Feindbildern: Der Fußball bietet außerordentlich günstige Voraussetzungen für eine Infiltrierung durch rechte Gruppen, die dies auch häufig genug ausnutzen. Das Referat für Antirassismus und Antifaschismus des AStA der Universität Trier lud den Journalisten und Autor Ronny Blaschke nach Trier ein, der dort sein Buch „Angriff von Rechtsaußen – Wie Neonazis den Fußball missbrauchen“ vorstellte (zur Besprechung).
Im gut gefüllten Konferenzraum des Trierer Mehrgenerationenhauses präsentierte Ronny Blaschke, im Jahr 2009 zum Sportjournalisten des Jahres gewählt, ausgewählte Fallbeispiele, in denen deutlich wird, wie gezielt Parteien und Einzelpersonen aus dem rechten Spektrum versuchen, sich den Fußball zunutze zu machen, um Nachwuchs zu rekrutieren oder sonstigen Einfluss zu gewinnen. Leider konnte im Vorfeld nicht eingeplant werden, dass zur gleichen Zeit, das Trierer Fanprojekt mit dem “Qualitätssiegel nach dem nationalen Konzept Sport und Sicherheit” ausgezeichnet wurde und daher keine Anhänger der Trierer Eintracht anwesend waren, um in der Diskussion ihre Erfahrungen beizusteuern. Blaschke wählt für seine Präsentation vor allem Beispiele aus dem Osten der Republik, betont aber, dass von extremen Beispielen abgesehen der alltägliche Rassismus und Rechtsextremismus ein Phänomen ist, das überall anzutreffen ist. Deutlich betont er, dass er den Einfluss der Rechten nicht auf den plakativen Rechtsextremismus beschränkt sehen will. Ihm geht es um Alltagsrassismus und die Allgegenwärtigkeit bedenklicher Elemente in vielen Bereichen der Gesellschaft und eben besonders im Fußball. Seine Beispiele sind Schiedsrichter mit eindeutig rechtem Background oder bekannte Rechtsextreme, die Fußballturniere veranstalten und Jugendliche die Gelegenheit geben, in ihrer Freizeit dem runden Leder nachzujagen. Alles keine strafrechtlich relevanten Taten, aber Teil der rechten Rekrutierungskampagne und Lebenswelt.
In den Stadien selbst spielen plakative Aktionen der Rechtsradikalen so gut wie keine Rolle mehr. Eindeutig zu identifizierende Banner oder Fahnen sind nur noch selten zu sehen, wenn überhaupt, bedient sich der Szene zum Teil absurder Codes und Symbole, die nur Eingeweihte zu entschlüsseln vermögen. „Das hat viel mit den Veränderungen im modernen Fußball zu tun“, erklärt Blaschke im Gespräch mit 5vier.de. „Die Überwachung in den Stadien durch Kamera und Polizei ist mittlerweile so gut, dass die Rechten sich häufig zurückziehen. Außerdem hat sich die Fankultur verändert. Die meisten Ultra-Gruppierungen verstehen sich als unpolitisch, was auch immer das im Detail bedeutet, und dulden keine offenen politischen Bekenntnisse in ihrer Kurve.“
Auf mehr als 30 Veranstaltungen in der ganzen Republik präsentierte Blaschke bislang die Kernthesen seines Buches, nicht immer ungestört von rechten Störern. Doch in Trier blieb es trotz der Befürchtungen der Veranstalter ruhig. Aufklärungsarbeit ist dem Autor wichtig: „Die Fanprojekte machen zum Beispiel eine enorm wichtige Arbeit und ich finde auch gut, dass sie vom DFB und den Kommunen getragen werden und nicht an die Vereine direkt gebunden sind. Denn die soziale Verantwortung für die Jugendlichen geht über den Fußball weit hinaus.“ Plakative Aktionen des DFB für Toleranz und gegen Rassismus sind dabei immer wieder wichtige Denkanstöße, doch die Basisarbeit in der alltäglichen Arbeit mit den Anhängern und Spielern darf dahinter nicht zurückstehen. „Der DFB macht im Rahmen seiner Möglichkeiten schon sehr viel, wichtig ist aber, dies auch in die Landesverbände, in die Kreise und in die Vereine zu tragen. Es müssen alle an einem Strang ziehen“, macht Blaschke klar.
Nach der eigentlichen Buchpräsentation begann eine engagiert geführte Diskussion, die auch kritische Fragen an allzu pauschalen Beurteilungen Blaschkes aufwarf. Doch die zahlreichen Fallbeispiele zeichnen ein verstörendes Bild, das weit über den Fußball hinausgeht und viele Bereiche der Jugendkulturen umfasst, in denen Aktivisten versuchen, noch weitgehend unpolitische Jugendliche zu ködern. Blaschke selbst gibt zu, sich dem Fußball entfremdet zu haben. In Rostock geboren und aufgewachsen, verfolgte er die Spiele des FC Hansa in der Fankurve, interessiert sich aber mittlerweile nur noch wenig für den Fußball. Bezeichnend ist, dass kaum eines seiner Beispiele in den Stadien spielt. Fußball ist weit mehr als die 90 Minuten, es ist eine gewachsene Kultur, die letztendlich die Gesellschaft im Kleinen abbildet. Mit all den extremen und unschönen Begleiterscheinungen.
Ronny Blaschke
Angriff von Rechtsaußen – Wie Neonazis den Fußball missbrauchen
Verlag Die Werkstatt 2011, 16,90 €
Kommentar verfassen