Von Andreas Gniffke
„Das ist ja wie die Auswärtskurve vom SV Sandhausen!“ – Es war wahrlich ein kleines, erlesenes Publikum, das dem Ruf von „Fußball-Komiker“ Ben Redlings in den Mergener Hof am Pfingstmontag gefolgt war. Den gut ein Dutzend Anwesenden wurde aber unter dem Motto „Als der Kaiser Gassi ging“ kurz vor Beginn der Fußball-WM ein Feuerwerk an skurrilen Fußballanekdoten geboten.
Nein, die Story von Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller wollte Ben Redelings angesichts der anwesenden Presse dann lieber nicht preisgeben. Doch im Gepäck hatte der Fußball-Geschichtenerzähler aus Bochum noch eine ganze Menge Absonderlichkeiten aus der Welt des Fußballs, die im leider nur spärlich gefüllten Keller in der Rindertanzstraße für viele Lacher sowie oft ungläubiges Kopfschütteln sorgten. Der Termin am Feiertag und das gute Wetter dürften den Veranstaltern einen ziemlichen Strich durch die Rechnung gemacht haben, Ben Redelings ist in der Region bislang allerdings auch eher selten in Erscheinung getreten.
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„Bei so einem kleinen Publikum muss man auf der Bühne richtig arbeiten“, offenbarte er nach dem Programm, die Zuschauer merkten von seinen Mühen allerdings nur wenig. Der akribische Sammler abseitiger Fußballereignisse erzählt gerne, vor allem über die besonderen Typen im Fußballzirkus, von denen es angesichts von Mediencoaches und vorproduzierten Interviews heutzutage immer weniger zu geben scheint. Uli Borowka, Thorsten Legat, Vinnie „die Axt“ Jones, Paul Gascoigne oder Zlatan Ibrahimovic heißen die Helden des Programms. Oft tragische Schicksale, denen Redelings bei allem Witz und flotten Sprüchen den vollen Respekt entgegenbringt. So ist sein Programm mehr als eine Aneinanderreihung von Bonmots und Legenden, es entwickelt sich das Bild einer Fußballzeit, die vergangen zu sein scheint.
Redelings hangelt sich in seinem Programm nur halbherzig an der WM-Geschichte entlang, zu verlockend sind die Geschichten links und rechts des Weges oder aus seinen eigenen Begegnungen mit den Stars im Rahmen seiner Auftritte. Wenn beispielsweise ein Lothar Matthäus auf der einen Seite zwar durch seinen enormen Fußballsachverstand überzeugt, wenig später allerdings in das altbekannte Klischee zurückfällt und der Dame in der Maske seinen mittlerweile nicht mehr ganz so gestählten Fußballkörper präsentiert. Oder ein Fußball-Filmfestival aus dem Ruder läuft, weil Heribert Faßbender und Walter Eschweiler im Bann der Bühne einen Herrenwitz nach dem anderen zum Besten geben.
Relativ großen Raum nimmt die WM 1982 in den Erzählungen ein. Zum einen, weil es eine der ersten Weltmeisterschaften war, die der 1975 geborene Redelings (wie auch der 5vier-Redakteur) bewusst wahrnahmen, zum anderen aber auch, weil es zumindest bei der deutschen Mannschaft eine WM der Exzesse war. Es ist heute kaum mehr vorstellbar, dass die Nationalmannschaft in einem normalen Hotel mit Journalisten und Touristen untergebracht wird, und sich die Zeit mit Glücksspiel und Alkohol totschlägt. So verletzte sich zum Beispiel Uwe Reinders vor und während des Turniers zweimal, als er beim Tischtennis-Rundlauf in Adiletten stürzte. Das Gesicht von Jogi Löw bei einer solchen Nachricht in Brasilien würde man gerne einmal sehen.
Allein die als WM-Legende zwangsläufige Präsenz von Lothar Matthäus im Programm lässt Ben Redelings vor den Niveauschwankungen warnen. Tatsächlich gibt es auch die ein oder andere schlüpfrige Geschichte hart an der Grenze zu Eschweilers Herrenwitzen, wenn er zum Beispiel von Hermann Gerlands Trainerstab-Unterhose erzählt. Die meiste Zeit hat man allerdings das Gefühl, nicht einem einstudierten Programm beizuwohnen, sondern mit einem lange nicht gesehenen Kumpel am Tresen die alten Fußballgeschichten noch einmal durchzukauen, die in ihrer Zeitlosigkeit nichts an ihrem Witz und einer tiefen Wahrheit verloren hatten. Ein Erfolgsgeheimnis des Fußballs war immer, dass auf dem Platz meist Leute standen, mit denen man sich identifizieren konnte und mit denen man auch gerne mal ein Glas in der nächsten Kneipe trinken gegangen wäre (oder es sogar getan hat). Wohl kaum ein Sport hat so viele verrückte Typen hervorgebracht wie der Fußball. Chronisten wie Ben Redelings zeigen das an Abenden wie diesem eindrucksvoll. Hoffen wir mal nicht, dass die mediale Omnipräsenz und der Kommerz diese Typen auf lange Sicht aus den Mannschaften vertreibt.
Auf die WM freut sich Ben Redelings bereits, in Sachen Weltmeistertipp hält er sich allerdings an Horst Hrubesch: „Wenn wir alle Spiele gewinnen, können wir Weltmeister werden!“
[statistik]“Ben Redelings‘ WM-Album“ mit vielen Sprüchen, Bildern und Geschichten ist bereits im Handel erhältlich. Sein Buch „Freunde der Südsee“ wurde bereits vor drei Jahren von 5vier.de besprochen.[/statistik]
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