Von Florian Schlecht
Die Regionalliga Südwest bietet nach einem halben Jahr sportliche Spannung in der Spitzengruppe, verrückte Geschichten, trainingswütende Präsidenten und Rätselraten über zukünftige Reformen. 5vier blickt zurück – und liefert die wichtigsten Fakten und Zahlen zur Hinrunde.
„Eine einzige Katastrophe“
Die Regionalliga Südwest muss sich in ihrem ersten halben Jahr des Bestehens nicht verstecken. Doch obwohl das bunte Aufeinandertreffen ehemaliger Profiklubs wie Waldhof Mannheim, Hessen Kassel, dem FC Homburg und Co. sportliches Prickeln verspricht, fällt die Zwischenbilanz der Verantwortlichen nach der Hinrunde eher nüchtern aus. „Die Regionalliga ist eine einzige Katastrophe“, sagte Ernst Wilhelmi jüngst im Gespräch mit 5vier. Das Vorstandsmitglied von Eintracht Trier ärgerte sich dabei aber nicht über den fehlenden Charme der Liga, sondern über die Schwierigkeiten der Finanzierung. Die TV-Einnahmen von 90.000 Euro sind aus den Etats weggebrochen, ein Vermarkter der Fernsehbilder ist bislang nicht in Sicht, die Titelträger müssen auf die obligatorischen Bierduschen verzichten und sich erst über Relegationsspiele beweisen. „Ich weiß nicht, ob es das irgendwo auf der Welt gibt, dass der Meister nicht direkt aufsteigt“, schimpft Wilhelmi. „Die Bundesligavereine wollen mit ihrem Nachwuchs immer gegen gestandene Mannschaften spielen, lassen uns aber so im Regen stehen.“ Insgeheim lebt so auch in Trier der Traum, die Staffel am liebsten durch die Hintertür zur 3. Liga zu verlassen. Alleine sind sie da aber nicht…
Die Relegationsplätze: Zwei aus sieben
RB Leipzig, Holstein Kiel, Sportfreunde Lotte, FV Illertissen. Zum Jahreswechsel spuken vielen Fans diese Vereine im Kopf herum, sind das doch nach der Hinrunde die potenziellen Gegner aus dem Osten, Norden, Westen und Bayern für die Relegationsspiele zur 3. Liga. In der Regionalliga Südwest sind gleich zwei Plätze zu vergeben für das Aufstiegsroulette. Sieben Mannschaften dürfen sich bei einem Blick auf die Tabelle berechtigte Chancen ausrechnen.
In der Pole Position liegt Spitzenreiter SV Elversberg. Der Grund dafür liegt in Jens Kiefer. Wie bei der RTL-Show „Einsatz in 4 Wänden“, wo Tine Wittler alte, verstaubte Wohnungen renoviert, hat der Trainer den Laden in Elversberg in Rekordzeit umgekrempelt. Weniger abgehalfterte Stars – dafür Leistungsträger, die Fußball mit Charakter verkörpern: Unter dieser Voraussetzung baute Kiefer den Kader um und hatte ein gutes Händchen. Innenverteidiger und Ex-Profi Timo Wenzel (35) entpuppte sich als Glücksgriff. Auch der 2:5-Ausreißer gegen Mainz II warf die Mannschaft nicht um.
Dahinter lauern mit Hessen Kassel, Eintracht Trier und Waldhof Mannheim drei Traditionsvereine auf den großen Coup, die sich nach holprigen Wochen gefestigt haben. Erstaunlich ist die Achterbahnfahrt in Kassel, wo Trainer Wolf mit einer neuformierten Mannschaft die ersten acht Spiele nicht verlor, dann sechs Spiele nicht gewann und anschließend wieder sechs Spiele nicht verlor. Ein Big-Point gelang jüngst mit dem 2:1-Sieg in Mannheim. Trier hatte eine September-Krise mit drei Niederlagen am Stück, die aber ehrliche Worte in der Kabine und heilsame Wirkung zur Folge hatten. Seit neun Partien ist die Eintracht ungeschlagen, mit Chhunly Pagenburg weiß sie um den besten Torjäger in ihren Reihen. Mannheim startete schleppend, wurde aber nach einem kampfstarken 3:1-Erfolg gegen Trier wachgeküsst.
5:0 bei Mainz II, 5:0 gegen Homburg, 5:0 bei Eintracht Frankfurt II, 3:0 gegen den FSV Frankfurt II. Hoffenheim II startete wie „Speedy Gonzales“ in die Saison, lag schnell mit 18:0-Toren an der Tabellenspitze. Böse Zungen forderten gar, dass die Reserve vielleicht sogar die Bundesliga-Mannschaft ersetzen sollte, die von ihrem Europapokal-Traum so weit entfernt ist wie Tim Wiese vom Titel „Beliebtester Fußballer in Deutschland“. Schleichend geschah das tatsächlich: Denis Streker und Vincenzo Grifo wurden befördert, U23-Coach Frank Kremer ist derzeit als Interimstrainer eher mit Dortmund als mit Alzenau beschäftigt. Nach dem Höhenflug stürzten die Talente etwas ab, gewannen die letzten vier Spiele vor der Winterpause nicht.
Außenseiterchancen haben die TuS Koblenz und Sonnenhof Großaspach, die mit unterschiedlichen Voraussetzungen in die Saison gestartet waren. Koblenz profitierte von der Ligenreform, weil es ansonsten abgestiegen wäre. Großaspach hechelt dagegen als Topfavorit dem Spitzenfeld etwas hinterher.
Ungewissheit im Abstiegskampf
Stark abstiegsgefährdet sind nach der Hinrunde neben Pfullendorf und Alzenau viele Mannschaften aus Hessen. Besonders das Abschneiden von Eintracht Frankfurt II ist eine Enttäuschung – Umbruch hin, Umbruch her. Nach fünf Spielen lag das Team von Alexander Schur noch mit zehn Punkten in der Spitzengruppe. Danach folgte lediglich ein Zähler in den folgenden zwölf Spielen. Ein echter Crash in der Börsenstadt. Den Kurs leicht nach oben trieb dann mit Rob Friend eine Profi-Verstärkung, der mit zwei Toren beim 4:3-Erfolg gegen Ulm die schwarze Serie beendete. Auch der FSV Frankfurt II bangt vor dem Absturz in die Oberliga.
Aufpassen müssen dazu Eschborn, die Südwest-Klubs Mainz II, Worms und Idar-Oberstein, das sich oft als schwer überwindbares Hindernis bewährt hat. Und Ulm und Homburg und Freiburg, und eigentlich fast jeder. Das Manko der Regionalliga: Die genau Zahl der Absteiger – maximal sechs – entscheidet sich erst in der Urlaubszeit im Juni. Und ist abhängig von den Relegationsspielen, Absteigern aus der 3. Liga und Lizenzentzügen.
Ein Trainer-Präsident und teure Bratwürste
Trainerwechsel waren in der Regionalliga bislang an der Tagesordnung. Und nicht immer hingen diese mit sportlichen Misserfolgen zusammen. Den Anfang machte Alexander Zorniger von Sonnenhof Großaspach bereits in der Sommerpause. Der Musterschüler beim Fußballlehrer (Abschlussnote: 1,0) konnte den Lockrufen von Ralf Rangnick und RB Leipzig nicht widerstehen. Alois Schwartz verließ Kaiserslautern II in Richtung Erfurt. Anders war die Lage bei Michael Dämgen, dessen Rauswurf in Koblenz nach einer enttäuschenden Vorsaison von Fans selbst nach einem 4:0-Erfolg am Betzenberg lautstark gefordert wurde. Wenige Wochen später war die Ära des Trainers beendet. Aber der neue Besen kehrte gut: Sein Nachfolger Peter Neustädter fuhr 17 Punkte aus zehn Spielen ein.
Unverständlich war für viele Experten der Rauswurf von Ronny Borchers in Worms. „Disco-Ronny“, wie er als Ex-Profi genannt wurde, hatte den Traditionsverein vom Abstiegskampf auf den vierten Platz in der alten Regionalliga Süd geführt und Glanz verliehen. Auch wenn die Wormatia ihrem Ruf als Geheimfavorit in der Liga nicht gerecht wurde, trumpfte sie zumindest im DFB-Pokal auf. Mit 2:1 besiegte sie Hertha BSC, im Elfmeterschießen war dann gegen den 1. FC Köln Feierabend. Borchers retteten die überregionalen Schlagzeilen jedoch nicht. Bei Hoffenheim II stieg Trainer Frank Kremer kurzfristig in die Bundesliga auf. Wie es nach dem Jahreswechsel weitergeht, ist noch ungeklärt.
Kurios war der Trainerwechsel in Ulm, wo Präsident Paul Sauter das Ruder übernahm. Stephan Baierl wurde nach einem wochenlangen Streit entlassen, der genüsslich in die Öffentlichkeit getragen wurde. Sauter warf dem Trainer vor, die falschen Spieler aufzustellen, sich abnabeln und profilieren zu wollen. Baierl entgegnete, keine Marionette zu sein. Doch nicht nur deswegen konnte einem die Ulmer Konflikte der Hinrunde den Appetit verderben. Die Fans ärgerten sich besonders über die Erhöhung der Bratwurstpreise – von 2,50 auf skandalöse 3 Euro.
Zahlen und Fakten
Torjäger Pagenburg – 496 Tore hagelte es in der Hinrunde der Regionalliga Südwest. Die meisten Treffer hat bislang Chhunly Pagenburg auf seinem Konto. Mit 16 Buden führt der Angreifer von Eintracht Trier die Torjägerliste mit Abstand an. Hinter ihm folgen Andreas Ludwig von Hoffenheim II (12) und Mathias Morys (11).
Foto: Sebastian SchwarzZuschauerrekord in Mannheim – Die Rekordkulisse von 8.500 Zuschauer sah das 3:2 von Waldhof Mannheim gegen den FSV Frankfurt II. Allerdings lag der hohe Zuspruch an einer Freikartenaktion. Viel los war mit 6.500 Besuchern auch beim Gastspiel von Mannheim in Kassel. Dies war zugleich das Gipfeltreffen der Mannschaften, die die meisten Fans in die Stadien locken. Mannheim liegt mit einem Zuschauerschnitt von 3.593 hauchdünn vor Kassel (3.570). Dahinter folgen Koblenz (1.929), Trier (1.657). Auf insgesamt nur 1.366 Zuschauer in allen Spielen kommt der SC Freiburg II, der so mit durchschnittlich 152 Besuchern den schlechtesten Schnitt stellt.
6:1, 4:4 und geprügelte „Betze-Buben“ – Den höchsten Sieg der Hinrunde feierte die SV Elversberg mit einem 6:1 gegen Bayern Alzenau. Auswärts gab es die deutlichsten Erfolge zwei Mal am Betzenberg beim 1. FC Kaiserslautern II – sowohl Koblenz als auch Großaspach gewannen dort 4:0. Das torreichste Spiel war das 4:4 zwischen Mainz II und Kassel.
Wenig Zuschauer, aber Heimmacht – Über ein volles Dietmar-Hopp-Stadion kann sich Hoffenheim II nie freuen. Dennoch stellen dieKraichgauerdie beste Heimelf mit 21 Punkten aus zehn Spielen. Aber: Elversberg hat seine 19 Zähler im eigenen Wohnzimmer in bislang erst acht Partien eingefahren. In Frankfurt werden die Besucher der Regionalliga-Spieel dagegen nicht mit Feinkost verwöhnt: Die Reserven von Eintracht und FSV liefern zu Hause am schlechtesten ab (je 7 Punkte). Auswärts liegt dagegen Eintracht Trier ganz vorne mit 20 Zählern aus elf Spielen. Auch hier kann Elversberg noch vorbeiziehen. Die Reisekosten sparen konnte sich bislang Eschborn, das nur vier Punkte auf fremden Plätzen einfuhr.
Torhunger in Hoffenheim, Bollwerk in Großaspach – Die torhungrigste Mannschaft ist nach der Hinrunde Hoffenheim II mit 40 Toren. Am harmlosesten war der FSV Frankfurt II mit nur 17 Treffern. Das Bollwerk stellt bislang Sonnenhof Großaspach mit nur 16 Gegentoren. Bayern Alzenau mit 40 kassierten Toren kann sich davon eine Scheibe abschneiden.
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