Der gebürtige Kosovo-Albaner Berat Aliu verleiht der kleinen Stadt Konz sportlichen Glanz: Er ist Weltmeister im K1 (Kickboxen mit Knietechniken). 5vier sprach mit ihm über seine Sportart, seine Erfolge, großartige Erlebnisse und Spitznamen.
Das Krokodil lauert geduldig, lässt Blick und Körper durch die Umgebung gleiten, studiert ausdauernd seine Beute. Und schnappt letztlich mit einer schnellen, geschickten Bewegung zu, um sie zu erlegen. Bilder, die man von Dokumentationen aus fernen Ländern kennt, wo das grüne Raubtier Angst und Schrecken verbreitet. Bilder, die aber auch eine Brücke nach Konz schlagen lassen. Vorausgesetzt, man überträgt sie auf Muay Thai-Fighter Berat „The Crocodile“ Aliu, der in der Saar-Mosel Stadt wohnt und seines Zeichens Weltmeister im Mittelgewicht bis 76 Kilogramm des Verbandes ICO ist.
„Du musst sehr viel mit Köpfchen arbeiten“
Alius Auffassung vom Thaiboxen transportiert viel von den Attributen seines „Pendants“ aus freier Wildbahn, dem sein Kampfname entspringt, auf die Matte zwischen den Seilen: „Mich fasziniert das Messen im direkten Duell mit dem Gegner, bei dem es speziell im Thaiboxen nicht nur um bloßes Draufhauen geht. Du musst sehr viel mit Köpfchen arbeiten, taktisch und technisch voll auf der Höhe sein, dich auf den Widersacher vorbereiten, auf seine Stärken und Schwächen reagieren und eine Strategie entwickeln, wie er letztlich zu besiegen ist. Dabei sind Kraft und Kondition natürlich Grundvoraussetzungen.“
Im Unterschied zum Kickboxen, wo nur Beine und Fäuste zum Kämpfen benutzt werden können, dürfen beim Muay Thai (thailändisch für Thaiboxen) zusätzlich Knie-, Ellbogen- und Clinchtechniken angewendet werden. “ Diese Vielfalt an Kampfbewegungen und Techniken finde ich sehr, sehr interessant und hat mich auch zum Thaiboxen gebracht.“
Mit 16 fing Berat zunächst mit Kickboxen an, wechselte aber nach einem Jahr bereits ins Lager der Thaiboxer, nachdem ihm die Sache etwas zu einseitig wurde.
Sechs Trainingseinheiten pro Woche
Angesichts seiner Erfolge eine gute Entscheidung. 53 Siege in 64 Kämpfen, 20 davon durch K.o., deutsche Meistertitel, Mitglied der deutschen Nationalmannschaft, der WM-Gürtel, internationales Ansehen. Doch die Siege im Ring sind hart erarbeitet. „Mit drei Trainingseinheiten pro Woche kannst du auf dem Niveau nicht mehr mithalten.“ Also wird in Zeiten der Wettkampfvorbereitung an sechs von sieben Wochentagen je anderthalb bis zwei Stunden lang trainiert. Vier dieser Einheiten absolviert Aliu in der Kampfsportschule Chorakee Gym von Stefan Reiter. Dreimal im Standort Trier Süd, einmal in Merzig.
Dem Namen des Clubs hat der 27-Jährige auch seinen Kampfnamen zu verdanken: „Chorakee bedeutet aus dem Thailändischen übersetzt Krokodil und auch das Logo des Gyms ist ein Krokodil. Daher hat mein Trainer Stefan Reiter, der maßgeblichen Anteil an meinen Erfolgen hat, mir diesen Kämpfernamen verpasst.“
Neben dem Training im Chorakee Gym umfasst das Pensum des amtierenden ICO-Weltmeisters, im Leben außerhalb des Thaiboxens als Sachbearbeiter bei der Deutschen Telekom tätig, eine Laufeinheit und eine Krafteinheit mit Gewichten. Für Letzteres zieht er sich auch gern mal in den hauseigenen Keller zurück: „Da haben mein jüngerer Bruder und ich uns vor ein, zwei Jahren eine kleine Fitnessoase eingerichtet. Perfekt zum Training: Einfach runter, Musik an und los. Da stört mich niemand.“ Dabei liegt der Fokus auf Ausdauer und Schnellkraft: „Ich arbeite mit leichteren Gewichten, dafür aber mit häufigeren und schnelleren Wiederholungen. So baue ich Kraft und Kondition auf, ohne dass ich wie ein Schrank rum laufe und Beweglichkeit oder Schnelligkeit im Ring darunter leiden würden.“
„Mein erster großer internationaler Erfolg“
Der größte Lohn für die schweißtreibenden Mühen in Gym oder Keller war sicherlich der Sieg im WM-Fight gegen den Pariser Odje Manda vergangenen September in Merzig. „Der Franzose ist ein großer Name und war ein sehr schwerer Gegner, mit ungemein harten Kicks. Aber ich hatte mich mit meinem Coach Stefan Reiter sehr gut auf seine relativ kleine, aber massive und kompakte Statur und die damit verbundene Kampfweise vorbereitet, konnte ihn gut auf Distanz halten und meine Schläge setzen.“
Schließlich stand ein Sieg nach Punkten auf den Zetteln der Punktrichter – und die Freude war riesig im Aliu-Lager: „Das war etwas ganz Besonderes. Mein erster großer internationaler Erfolg. Dieses Gefühl werde ich nie vergessen. Der Lohn für meine harte Arbeit.“
Teilnahme am Kings Cup – vor 200.000 Menschen in Bangkok
Vor dem Erringen des WM-Gürtels, der im Chorakee Gym einen Ehrenplatz hat, machte Aliu bereits im Jahr 2008 eine weitere spektakuläre Erfahrung. Damals nahm er am Kings Cup in Thailand teil, dem weltweit bedeutendsten Muay Thai-Turnier. Acht der besten Fighter rund um den Globus qualifizieren sich für das massenmobilisierende Event in Bangkok und treten jeweils im K.o.-Modus gegeneinander an. „Leider hatte ich das Pech, direkt in der ersten Runde gegen den hoch favorisierten Thailänder kämpfen zu müssen, der am Ende auch den Cup gewinnen konnte.“ Dennoch musste sich Berat ihm nur nach Punkten geschlagen geben und wird immer von dem riesigen Erlebnis zehren können: „Das Turnier fand auf dem größten freien Platz (Sanam-Luang, neben dem Königspalast) in Bangkok City statt, um die enorme Menschenmasse aufnehmen zu können. 200.000 Zuschauer waren da! Eine super Sache, richtig geil“, erzählt er voller Begeisterung.
200.000 Zuschauer, schon eine Marke. Aber aus Thailand stammt das Thaiboxen eben und ist Volkssportart Nummer eins. „Daher bekommen die Kämpfer von dort auch die entsprechende Unterstützung und sind generell sehr stark einzuschätzen“, erklärt der Konzer.
Kraft schöpft der Deutsch-Kosovare bei der Ausübung seines Sports vor allem aus der Unterstützung durch seine insgesamt sehr sportliche Familie. Eltern, Geschwister, seine Frau und seine kleine Tochter sind wichtige Stützen. So auch in der momentan auf Hochtouren laufenden Vorbereitung auf das nächste größere Event. „Am 25. Mai kämpfe ich in der Schweiz gegen den dort lebenden Esten Kevin Renno um einen weiteren Weltmeistergürtel in einem anderen Verband.“ Klar will er auch diesen Gegner besiegen, blickt aber mit der Sicherheit des bereits Erreichten und auch der Reife eines Familienvaters doch relativ gelassen voraus.
ICO-Titelverteidigung Ende des Jahres
Ende des Jahres steht dann die Verteidigung seines WM-Titels im ICO an. „Der Kampf wird wieder in Merzig stattfinden. Der genaue Termin ist jedoch noch nicht bekannt. Und auch der Gegner steht noch nicht fest.“
Sicher ist nur, dass das Krokodil aus Konz bereits auf ihn lauert. „Ich werde ihn studieren, um dann zu versuchen, im richtigen Moment zuzuschnappen.“ Im Ring.
Weitere Videos mit Kämpfen oder Interviews von Berat „The Crocodile“ Aliu findet man auf Youtube. Einfach in die Suchleiste Berat Aliu eingeben.
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