Bei der heutigen Pressekonferenz hat die Staatsanwaltschaft Trier bekannt gegeben, dass das Verfahren im Fall Tanja Gräff mangels Beweisen für eine Straftat am 22. Juni 2017 eingestellt wurde.
Trier. Die Pressekonferenz ist gut besucht, obwohl schon mehr oder weniger klar ist, was an diesem Tag in der Staatsanwaltschaft mitgeteilt wird: Der Fall um die vor 10 Jahren zunächst 8 Jahre lang vermisste Studentin Tanja Gräff wird zu den Akten gelegt. Es wurden in jahrelanger Ermittlungsarbeit keine Beweise für eine Straftat gefunden, auch wenn Peter Fritzen, Leiter der Staatsanwaltschaft Trier einräumt, dass es eine „definitive Sicherheit nicht gibt“. Es sei alles ausermittelt worden, was zu ermitteln ist.
Es folgt eine detaillierte Auflistung der Ereignisse, über die jeder Trierer schon zur Genüge in den Stadt-Medien, als auch im nationalen Fernsehen informiert wurde. Am 6. Juni verschwindet die junge Frau beim Sommerfest der Fachhochschule Trier spurlos. Ihre Mutter hatte sie noch zu einem Treffen an der Universität Trier gebracht, wo sie sich mit einem Mitstudenten treffen wollte, mit dem Tanja sich eine Beziehung erhoffte. Der Abend sollte neue Erkenntnisse bringen. Nach ausführlichem Vorglühen in der Wohnung eines Freundes des Studenten, den Fritzen aus Datenschutz-Gründen als „Person A“ benennt, ging es gegen 23:30 Uhr für die Gruppe in die Stadt und von dort Richtung Fachhochschule. Dort wollten die Studenten sich mit einem weiteren Freund, „Person C“, treffen.
Erst gegen 3:30 Uhr verlor sich die Gruppe langsam aus den Augen. Tanja war mit „Person C“ beim Parkdeck der Fachhochschule unterwegs, während „Person A“ versuchte beide zu erreichen. Durch den schwachen Empfang blieb es zunächst beim Versuch. Erst gegen 3:48 Uhr erreichte er die beiden schließlich und teilte mit, dass er den Bus Richtung Innenstadt nehme. Tanja machte sich daraufhin mit „Person C“ ebenfalls auf den Weg zur Bushaltestelle, aber im Getümmel der Party verloren sich beide aus den Augen. Wenig später fand er sie wieder bei einem Unbekannten, der ihn mit den Worten „Ey, lass Tanja in Ruhe“ vertrieb. Daraufhin ging er alleine zum Bus. Wer der Unbekannte war ist bis heute ein Rätsel.
In mehreren SMS und einem Telefonat mit „Person A“, welches von 3 Zeugen beobachtet wurde, zeichnete sich ab, dass Tanja über den Alleingang ihres Schwarms nicht glücklich war. Sie entschloss sich wohl dazu nachzukommen und informierte sich bei Bekannten, wie sie am schnellsten zum Nikolaus-Koch-Platz komme. Danach führte sie ein letztes Telefonat mit „Person A“, der ihr mitteilte, dass er nun zurück zur Wohnung bei der Universität fahren würde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Tanja Gräff im Bereich der roten Felsen. Nach 4:13 Uhr gab es schließlich kein Lebenszeichen mehr von der jungen Frau. Alle Einzelheiten nach diesem Zeitpunkt sind ungeklärt.
Die beispiellose Suche nach der vermissten Studentin mit Polizeihubschraubern, Wärmebildkameras, Suchstaffeln in insgesamt 63 Landschaftsgebieten in der Region Trier führte zu keinem Ergebnis. Erst im Mai 2015 wurde der Leichnam von Tanja Gräff vollkommen überraschend unterhalb der roten Felsen unweit von der Fachhochschule gefunden. Das rechtsmedizinische Gutachten ergibt: vermutlich starb die junge Frau an einer Arterienverletzung im Halsbereich nach einem Fall aus großer Höhe, der ebenfalls schwere Schäden an Wirbelsäule und Rippen hinterließ.
Nach mehreren Sturz-Rekonstruktionen und aufwendigen, rechtsmedizinischen Untersuchungen ist für Polizei und Staatsanwaltschaft klar, dass eine Fremdeinwirkung zumindest nicht mehr feststellbar ist. Auch bei den sicher gestellten Kleidungsresten konnten keine Spuren eines Verbrechens festgestellt werden. Die Polizei vermutet, dass Tanja Gräff im angetrunkenen Zustand auf Trampelpfaden zwischen dem gesicherten Felsenweg und der gefährlichen Felskante unterwegs war.
Fragen bleiben, das weiß auch Peter Fritzen. Letztendlich – das betont er mehrfacht – ist der gesamte Geschehensablauf nach 4:13 Uhr „unklar“. Eine psychologische Untersuchung der Geschehnisse habe ergeben, dass der der Stadt entgegengesetzte Weg im emotionalen Zustand der jungen Frau durchaus nachvollziehbar war, weil sie nach der Enttäuschung über das Verhalten von „Person A“ möglicherweise allein sein wollte. Man geht davon aus, dass der Alkohol zur Selbstüberschätzung beitrug und Tanja Gräff die lebensgefährliche Situation an der Felskante nicht ernst genug nahm.
Mit diesen Vermutungen wird einer der spektakulärsten Fälle in der Geschichte Triers geschlossen und hinterlässt so auch 10 Jahre später mehr Fragen als Antworten. Die Tatsache, dass die Leiche 8 Jahre unentdeckt unterhalb der roten Felsen liegen konnte, obwohl Hubschrauber und Suchmannschaften die gesamte Gegend durchkämmt hatten, sorgt auch auf der Pressekonferenz für kritische Fragen. Der stellvertretende Polizeipräsident Franz-Dieter Ankner bewertet die Suchmaßnahmen beruhend auf der damaligen Situation als angemessen und erklärt, warum die Suchhunde den Leichnam nicht wittern konnte. Aufgrund einer speziellen Thermik an den roten Felsen wird die Luft dort in Aufwinden senkrecht nach oben getragen und macht die Witterung an der Stelle fast unmöglich.
Am Ende verschwindet die Journalisten-Schar so schnell aus der Staatsanwaltschaft wie sie gekommen ist, um die altbekannten Informationen möglichst schnell in die Welt zu tragen. Am Ende steht fest, was schon von Anfang an klar war: Wie genau Tanja Gräff am Morgen des 7. Juni 2007 gestorben ist, wird wohl auf ewig ein Rätsel bleiben.
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