„Die Musik war gut, und wenn ich ihn noch zwei- oder dreimal schaue, verstehe ich ihn vielleicht auch.“ Ganz so hart wie dieser Zuschauer muss man mit The Counselor vielleicht nicht ins Gericht gehen, allerdings verließen viele Besucher mit ratlosen Gesichtern den Kinosaal und kaum einer wusste wohl so recht, was er von den vergangenen zwei Stunden halten sollte. Dabei waren alle Voraussetzungen für einen echten Kassenknüller gegeben. Eine erlesene Schauspielerriege um Michael Fassbender, Cameron Diaz, Javier Bardem, Penélope Cruz und Brad Pitt stand Erfolgsregisseur Ridley Scott zur Verfügung und das Drehbuch verfasste kein geringerer als Pulitzer-Preisträger Cormac McCarthy, dessen Roman No Country for Old Men meisterhaft von den Coen-Brüdern verfilmt wurde. Andreas Gniffke hat sich den Film im Trierer CinemaxX angesehen.
Der Film beginnt im Bett eines Nachwuchsadvokaten (Michael Fassbender), dessen echten Namen wir nie erfahren und der im gesamten Film nur „Counselor“ genannt wird. Dieses Bett teilt er mit seiner großen Liebe Laura (Penélope Cruz), die recht lange braucht um zu erahnen, dass hinter des Counselors vordergründig perfekter Fassade so einiges im Argen liegt. Der hat sich nämlich aus purer Geldgier in das florierende Drogengeschäft im mexikanisch-amerikanischen Grenzland eingebracht und sich auf Geschäfte mit dem merkwürdigen Ganoven Reiner (Javier Bardem) eingelassen. Der spleenige Gangster lebt ein Luxusleben in karger Landschaft und lässt mit seiner nymphoman-bösartigen Geliebten Malkina (Cameron Diaz) mit Begeisterung seine Hausgeparden zur Hasenjagd in der Wüste los. Überhaupt spielen Raubtiere eine große Rolle in Ridley Scotts Film. Während die Geparden weitestgehend als Schmusekätzchen durch den Film schnurren, sind es hier die Menschen, die jenseits jeder Moral animalische Züge an den Tag legen. Die Tatzen-Tätowierungen Malkinas sind nur ein kleiner Hinweis hierauf. Im Hintergrund zieht Brad Pitt auf geheimnisvolle und nicht immer nachvollziehbare Art seine Fäden und recht bald merkt der bis zur Schmerzgrenze von sich überzeugte Counselor, dass ihm die Kontrolle entgleitet bzw. dass er von Beginn an nur ein kleines Rädchen in einem Getriebe darstellt, dass weder er noch der Zuschauer vollständig zu durchdringen wissen.
Liest man die Kritiken zum Film, so ist man ebenso ratlos wie zuvor. Die einen sprechen von der „größten Enttäuschung des Jahres“ (RP Online) oder einem „großen Durcheinander“ (Bild), andere wittern einen „Kultfilm“ (TAZ) oder loben den Film als ein „vor kreativer Ideenlust nur so strotzender, wortgewaltiger Spannungssonderling“ (Pöni). Welchem Lager man sich am Ende der knapp zwei Stunden anschließen will, muss wohl jeder für sich entscheiden, leichte Kinokost wird auf alle Fälle nicht geboten. Man muss sich auf The Counselor einlassen, denn statt Action und einer klaren Verteilung in Gut und Böse bietet der Film unzählige sperrige Dialoge, die sich meist um philosophisch-moralische Fragen drehen und die Handlung oft nur minimal voranbringen. Überhaupt steht die Moral im Fokus und bekommt einen gewaltigen Tritt in den Hintern. Nein, Moral bringt uns in dieser Welt nicht weiter, man muss sich entscheiden, ob man cooler Gepard oder das gejagte Häschen sein will. Diese extrem zynische Weltsicht dürften manche nicht in einem stargespickten Hollywoodkracher erwartet haben, hier liegt aber eindeutig die Stärke des Films. Aber es wird nicht nur geplaudert und philosophiert. The Counselor ist streckenweise extrem gewalttätig und die Beiläufigkeit und Selbstverständlichkeit des Todes und Tötens macht das Dargestellte nur schwer erträglich.
Die Schauspieler sind dabei über jeden Zweifel erhaben. Am nachhaltigsten in Erinnerung bleiben dürfte Cameron Diaz, die hier einmal ganz andere Facetten von sich zeigen darf. Als bösartige und außerordentlich gelenkige Verführerin reißt sie die verworrenen Fäden der Geschichte an sich und spielt mit den anderen Protagonisten wie sie will. Javier Bardem hat sicherlich die unterhaltsamsten Dialoge und Michael Fassbender überzeugt als selbstgerecht-arroganter Anwalt ebenso wie als verzweifeltes Nervenbündel. Und Brad Pitt darf mal wieder einen richtig coolen Gangster spielen.
Ein Kassenschlager dürfte The Counselor wohl nicht werden und wer einen geradlinig erzählten Drogenthriller erwartet, dürfte seine Probleme bekommen. Der Film ist intelligent gemachtes Kunstkino, dem etwas weniger Kunst an einigen Stellen ganz gut getan hätte. Er berauscht sich an Sprache und tiefgründiger Ironie, die The Counselor aber oft eher bremst, als die Handlung sinnvoll voranbringt. Das war aber offenbar auch nie das Ziel. Desaster oder Kultfilm? Ich kann es nicht sagen, aber je länger ich darüber nachdenke, desto besser hat mir The Counselor gefallen.
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