TSCHICK, das Schulstück dieser Spielzeit, schwankte zwischen rasantem Roadmovie und einer feinfühligen Geschichte übers Erwachsenwerden.
Trier. Maik ist ein Langweiler, ein feiger noch dazu. So uninteressant, dass er noch nicht mal einen Spitznamen hat. Also, er hatte mal einen, bis aufgefallen ist, dass er für den Spitznamen „Psycho“ viel zu langweilig ist. Den hatte er damals sowieso nur bekommen, weil er einen Aufsatz über die Entziehungskur seiner alkoholkranken Mutter geschrieben hatte. Seiner Langweiligkeit hat er es auch zu verdanken, dass er als einer von drei Klassenkameraden nicht zur Geburtstagsparty von Schulschönheit Tatjana eingeladen wird. Der neue Mitschüler Andrej Tschichatschow, besser bekannt als Tschick, teilt sein Schicksal. Statt sich auf die Party zu schleichen, steht Tschick dafür eines Tages mit einem Lada vor Maiks Haustür und fragt, ob die beiden nicht Urlaub machen wollen. Dabei ergeben sich zwei größere Probleme: Der Lada ist geklaut und Tschick und Maik sind gerade mal 14 Jahre alt. Dennoch erscheint Maik der Gedanke, mit Tschick zu seinem Opa in die Walachei zu fahren, eine geeignete Möglichkeit, aus seiner Langeweile auszubrechen. Eine spannende Reise beginnt, die die beiden nicht nur durch Deutschland, sondern auch ein Stück weit durch die eigene Jugend führt.
Die Vorlage ist ein Roman von Wolfgang Herrndorf, Robert Koall sorgte für die Bearbeitung, daher wirkt das Stück wie eine Mischung aus Jugendbuch und Roadmovie. Maik erzählt im wahrsten Sinne des Wortes seine Geschichte. Das muss nicht gefallen, aber es kann. Die Sprache ist nicht unbedingt die eines 14-Jährigen, zumindest nicht durchgängig. Die Bilder, die entstehen, sind besonders schön in den Wechsel der einzelnen Etappen der Reise eingebettet, passiert gerade wenig, ergeht sich der Text in Erklärungen. Dabei kommt zwar viel heraus an Geschichte der beiden Figuren, an Gefühlen und Lebenseinstellungen, aber wirklich nah kommt man den beiden dadurch selten. Daran krankt das Stück. Die Inszenierung von Alexander Ourth versucht, gerade das zu ihrem Vorteil zu nutzen. In den „Actionsequenzen“ gibt es wirklich geballte Aktion, da wird ein Autounfall in Zeitlupe abgespielt, bildlich nachgestellt, wie es klappen kann, Sprit aus einem Nachbarauto abzuzapfen und ein Playstation-Spiel auf der Bühne ausgetragen. Die Parts, die eher von Textlastigkeit geprägt sind, werden wesentlich ruhiger erzählt, es besteht kurze Zeit für die Darsteller, Luft zu schnappen, wirkliche Tiefe erreicht man hier nicht. Eindrucksvoller sind die bewegungsreicheren Momente der Handlung, hier holen die beiden Darsteller Daniel Kröhnert und Marvin Rehbock alles aus sich heraus, werfen sich auf die Bühne, hinter die Bühne und neben die Bühne. Springen und rennen und riskieren dabei auch einen ungewollten Sturz während des Spiels.
Marvin Rehbock als Maik und Daniel Kröhnert als Tschick geben ein gut eingespieltes Team ab, beide haben Freude daran, über die Bühne zu toben und stellen sich dabei nicht gegenseitig in den Schatten. Ihr Spiel ist schnell und energiegeladen, oft auch laut und stellenweise überdreht. Anfänglich bestehen Eingewöhnungsschwierigkeiten an das Level ihres Spiels, der russische Akzent, in dem Kröhnert als Tschick spricht, wirkt anfangs überzogen. Dafür trumpfen die beiden mit gekonntem Witz und viel Situationskomik auf, zudem halten sie das energetische Spiel bis zum Ende durch. Hänger gibt es keine.
Das schiefe Bühnenbild von Mike Grünwald mit den kubischen Elementen und dem im Bühnenbild versenkten Auto ist optisch nicht unbedingt ein Blickfang, erweist sich aber als geeignete, da funktionale Spielwiese. Die Kostüme von Yvonne Wallitzer sind modern und passend; schlicht, aber, wie für Wallitzer typisch, immer mit einem Detail als Hingucker, in diesem Fall die Rückenaufschritt auf Maiks T-Shirt.
Fazit: Ein für Schulklassen interessantes Stück über’s Erwachsenwerden, Toleranz anderen und sich selbst gegenüber, die erste Liebe und die Selbstfindung. Ganz nebenbei ein rasantes Stück mit viel Witz und Einfallsreichtum, das auch Zuschauern jenseits der Schulbank einen unterhaltsamen Abend bieten kann.
Fotos: Marco Piecuch
Kommentar verfassen