Wenn der Friedhelm Merz Verlag zur SPIEL nach Essen lädt, dann wird die Stadt für vier Tage zur Hauptstadt der Gesellschaftsspiele, da wird prämiert und präsentiert, probegespielt und diskutiert – klar, dass da 5vier nicht fehlen darf. Wie jeden Herbst habe ich mich auch in diesem Oktober aufgemacht, um Neues zu entdecken und die Stimmung zu genießen.
Vier Tage Messe – das klingt nach viel Zeit, aber sobald ich die erste Messehalle betreten habe, wird mir sofort wieder bewusst, dass ich auch diesmal nur einen Bruchteil von dem sehen werde, was die SPIEL zu bieten hat. In diesem Jahr haben mehr als 800 Aussteller aus 41 Ländern tausende Brett- und Kartenspiele dabei gehabt, mehr als 850 Neuheiten. Alles zum Anfassen und Ausprobieren, mit Spieltischen und Erklärbären und mit der Jagd nach dem persönlichen Lieblingsspiel. Außerdem wurden natürlich die Gewinner des Deutschen Spielepreises 2014 bekanntgegeben. Nur eines hat in diesem Jahr gefehlt: Pandemonium, das Spiel, dessen verschiedene Prototypen wir in den letzten Jahren getestet haben, um dann den Entwicklern jede Menge Feedback zu geben. Leider haben es Anna-Leena und Juha dieses Jahr nicht auf die Messe geschafft, so dass wir unseren Testspiel-Hattrick mit Pandemonium doch nicht bewältigt haben.
Selbst ist der Autor
Die digitale Welt macht auch vor den Gesellschaftsspielen nicht halt, aber wer darin jetzt eine reine Bedrohung sieht, der irrt: immer mehr Autoren oder kleine Verlage nutzen Crowdfunding als Weg, die Umsetzung ihrer Ideen zu finanzieren. Auf Seiten wie z.B. kickstarter.com suchen Sie Unterstützer, die ihnen bei Ihren Projekten finanziell zur Seite stehen. Damit trägt das Internet zur Vielfalt des Angebots der klassischen Spiele bei – ein gutes Beispiel dafür ist „Machina Arcana“, ein wunderschön gestaltetes, kooperatives Spiel, das nicht nur mit einem liebevollen Artwork aufwartet. Für dieses Spiel gibt es auch eine unglaubliche Menge an Zusatzmaterial, einschließlich eines eigenen Soundtracks. Aktuell ist eine zweite Auflage auf Englisch in Arbeit und wenn das klappt, wollen sich die Autoren Gedanken über eine komplett deutsche Ausgabe machen – bislang gibt es nur das Regelwerk auf Deutsch. Ich bin gespannt, wie es mit diesem Spiel weitergeht und wann ich es hier werde vorstellen können.
Das Handy spielt mit
Auch der Ravensburger Verlag beschäftigt sich mit den Möglichkeiten, die digitale Welt für seine Spiele zu nutzen und setzt auf die Verbindung von Brettspielen und mobilen Geräten, also Smartphones und Handys. Im letzten Jahr bot der Verlag mit Scotland Yard Master bereits ein Spiel an, bei dem die Spieler diese Geräte mit einbeziehen konnten. Dieses Jahr geht der Verlag mit der blauen Ecke einen Schritt weiter: smartPLAY heißt das neue System, das smarte Mobiltelefone an den Spieltisch bringt. Für diese Spiele gibt es nämlich nicht nur eine App, die den Spielern die Regeln erklärt, sondern das Handy thront auf einer eigenen Halterung über dem Spielplan, überwacht per Bilderkennung die Spielzüge, liefert Geräuscheffekte und Erklärungen und wird so zum Moderator des Spiels.
smartPLAY ist eine interessante Idee, aber wie man dazu steht, ist Geschmacksfrage. Für die einen ist es eine gelungene Erweiterung, die Brettspiele noch moderner und vielseitiger macht – für die anderen verliert die Welt der Pöppel und Würfel dadurch etwas von ihrem Charme.
Spaß- und lehrreich
Völlig ohne Elektronik kommen dagegen die Spiele von Adlung aus, einem Verlag, der sich auf kleine Kartenspiele spezialisiert hat. Dieses Jahr konnte Karsten Adlung das hundertste Spiel vorstellen und natürlich hat er es sich nicht nehmen lassen, „100“ auf der Messe selbst zu präsentieren.
Das Highlight am Adlung-Stand war für mich aber nicht das Jubiläumsspiel, sondern eine Einführung in die Welt der Adlung-Kinderspiele – allesamt erfolgreich in der Praxis an Kindergärten und Schulen getestet. Da geht es um Reaktionsvermögen, Körpergefühl und Geschwindigkeit, und wenn Karsten seine Spiele vorstellt, erfährt man unheimlich viel über das, was dahintersteckt: Die Palette reicht vom Training der Konzentrationsfähigkeit über die Förderung differenzierter Wahrnehmung bis hin zum spielerischen Auspowern von hyperaktiven Kindern. Und alles mit jeder Menge Spaß und im Hosentaschenformat. Besonders spannend waren die einzelnen Spielvarianten eines Spiels für verschiedene Altersgruppen, die sich immer an dem jeweiligen Entwicklungsstand der Kinder orientieren.
Das beste Spiel…
Das offiziell beste Spiel 2014 war für die Jury des Deutschen Spielpreises „Russian Railroads“ vom Hans im Glück Verlag. Nach dem Preis für die besten Spielregeln im Jahr 2013 hat sich der Verlag dieses Jahr den Hauptpreis geholt, entsprechend umlagert waren die Spieltische – aber ein Russian Railroads liegt schon bei mir auf dem Spieltisch und wartet auf eine ausgiebige Testrunde. Den Gewinner 2014 in der Kategorie Kinderspiel, „Feuerdrachen“ von Haba, konnte ich auf der Messe unter der fachkundigen Anleitung zweier Jungs testen und werde darüber natürlich auch in der Preisträger-Rezension berichten.
Was war in diesem Jahr das beste Spiel? Die Antwort auf diese Frage ist natürlich rein subjektiv, aber für mich war es eindeutig ein Spiel, dass ich nicht auf der Messe, sondern danach im Quartier gespielt habe: Mommeln – ein Prototyp von Matze Schmitt, der dafür auf der Spiel einen Verleger gesucht hat. Bei diesem Spiel um Phantasieworte bleibt kein Auge trocken und ich hoffe wirklich, dass ein Verlag die Chance ergreift, damit bald jeder losmommeln kann.
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Fazit
Die SPIEL bleibt, was sie schon immer war: DAS Eldorado für Gesellschaftsspiele. Für mich persönlich hieß das: 33 getestete Spiele in vier Tagen, auch für mich ein neuer Rekord. Dass sich Gesellschaftsspiele sowohl in Deutschland als auch international einer immer weiter wachsenden Beliebtheit erfreuen, zeigen die Zahlen: Auch in diesem Jahr konnte die weltgrößte Fach- und Besuchermesse mit einem neuen Besucherrekord aufwarten – und das trotz des Bahnstreiks.
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