Wir trafen Marco van den Berg zu einem letzten Interview. Im 1. Teil last ihr seine Aussichten für die Gladiators und für ihn persönlich. Heute folgen seine wie immer meinungsstarken Aussagen bezüglich der Entwicklung seiner Spieler, warum der deutsche Basketball schon weiter sein könnte und warum der Basketball-Sport so wichtig ist.
Nun hast du ja einige Talente in Trier gecoacht. Welche haben aus deiner Sicht die größten Sprünge gemacht?
Seba Herrera (mit Crailsheim aufgestiegen), Johannes Joos, Kilian Dietz.
Was hättest du Dietz zugetraut, wenn er nicht die fast komplette Saison verletzt ausgefallen wäre?
Kilians Wert ist nicht in Statistiken auszudrücken. Seine Psychologie, Präsenz und Persönlichkeit hat uns wirklich gefehlt. Er würde auch in einer BBL-Mannschaft diese Rolle haben. Vor keinem Spieler hat er Angst, wenn der zum Korb zieht – dann heißt es Stopp. Er wurde auch immer fitter, was mich für ihn freut, vor allem für die nächste Saison. Er personalisiert eigentlich genau das, worauf es bei uns und der Region ankommt: Treue, Stärke, ohne laut zu sein, Nachhaltigkeit. Das hat man leider nicht gesehen in diesem Jahr.
Thomas Grün hat sich auch entwickelt. Aber offensiv hätte er in den Playoffs mehr zeigen müssen. Kevin (Smit) und Simon (Schmitz) haben ihre Persönlichkeit in der Endrunde gezeigt. Auch Jermaine (Bucknor) hat sich nochmal gesteigert.
Ich hoffe, dass Rupert (Hennen) nächstes Jahr den nächsten Schritt gehen wird.
Marco van den Berg würde nichts anders machen
Jetzt haben wir einige Dinge aufgezählt, die in deiner Amtszeit gut liefen. Was lief denn nicht so wie gewünscht? Was würdest du heute anders machen?
Anders machen würde ich nichts. Ich bin immer meinem Weg gefolgt und mein Gewissen und ich sind damit komplett im Reinen. Aber natürlich lief nicht alles wie geplant. Als ich hier anfing, waren Wolfgang Esser da, James Marsh, Patrick Börder und Ronny Höpfner. Nach einem halben Jahr waren sie zwar weg, dafür aber Michael Lang da. Mit ihm konnte ich fabelhaft zusammenarbeiten. Wir wollten nicht den alten Weg beschreiten, der hieß: Wir haben eigentlich zu wenig Geld, aber wir kriegen das irgendwie hin. Das wollten wir nicht mehr. Lang ist da mit dem Besen durch gekehrt, das brauchte Trier auch.
Ich verstehe mich immer noch sehr gut mit James, Wolli ist auch heute noch unglaublich wichtig für Trier. Aber es musste sich was ändern. Wenn Trier etwas nie wieder sagen muss, dann dass man nicht gut genug ist. Man muss nicht Söldner holen, irgendetwas kompensieren. Nein, glaubt an euch. Macht aus dem was ihr habt das Beste draus.
Michael Lang hat mir die Möglichkeit gegeben, die neue Philosophie zu etablieren, die es in Deutschland viel zu wenig gibt. Henrik Rödl hat gesehen, dass es so gehen muss. Doch die Manager der BBL machen das noch immer nicht so.
„Auch Trainer machen solche Fehler.“ (Marco van den Berg)
Aber woran liegt das? Trier galt doch schon vor Jahren als Positivbeispiel, was man mit Leidenschaft, Identifikation und Talent trotz geringen Mitteln schaffen kann. Warum wird das trotzdem woanders so selten umgesetzt?
Weil die Manager keine Ahnung haben, keinen Plan oder Vision. Sie kennen nur Geld und möchten damit Antworten erkaufen. Aber das ist falsch. Auch Trainer machen solche Fehler. Die Ziele werden zu kurzfristig gesetzt. Die Amerikaner in der BBL sind gut, aber auch bequem. Die kriegen hier sicher ihr Geld. In Griechenland oder Italien passiert das nicht sicher, wenn keine Leistung erbracht wird. Und Konkurrenzdruck kriegen sie von den „Local Boys“ noch nicht ausreichend.
„Die Ziele werden zu kurzfristig gesetzt.“ (Marco van den Berg)
So fangen auch die Kleinen nicht mit Basketball an. Die interessieren sich nicht für uninteressierte Profis. In Spanien hast du die nötige Kultur. Deutschland muss sich fragen: Bin ich Klein-NBA oder bin ich wirklich europäisch? Die Deutschen sind aus meiner Sicht die Talentiertesten in ganz Europa – sofern sie auf ihre eigenen Stärken schauen. Ihr seid zwar nicht so kreativ – das ist kein Werteurteil, sondern eine Analyse – aber ihr habt die Mentalität. Ihr gebt nie auf.
Van den Berg will Vorbilder
Interessant, dass gerade ein Niederländer mehr Lokalität in Deutschland fordert.
In den Niederlanden habe ich genau das Gleiche gefordert, auch in meiner Zeit als Nationaltrainer. Ich habe es schon mal gesagt, ich weiß aus der Umkleide wie die amerikanischen Sportler ticken. Die sind häufig absolut uninteressiert. Anders wird es erst, wenn du ein, zwei Spieler hast, denen du als Auftrag mitgibst, ein Vorbild für die Kinder zu sein. Aber das passiert zu selten.
Man merkt, dass Basketball für dich mehr als nur ein Job ist. Was gibt dir der Sport und was gibt er der Gesellschaft, dass du so leidenschaftlich davon sprichst?
Der Sport hat mich irgendwann erreicht und ist in mein Blut übergegangen. Es ist wie ein Virus, der einen nicht mehr verlässt. Einen Ball zu nehmen und auf einen Korb zu werfen, das macht so viel Spaß! Die Kreativität… Du siehst die Bewegung eines Maurice Cheeks‘, die eines Michael Jordans, Julius Erving geht unter dem Korb durch (van den Berg ahmt diese Moves nach)… Diese Kreativität gibt dem Leben Spaß.
Bei mir persönlich ist es noch mehr. Mein erster Jugendcoach war wie ein Ersatzvater für mich. Er hat mich die Liebe für Team-Basketball gelehrt. Ein Team ist eine Vertiefung des Lebens. Damit meine ich, etwas miteinander erreichen, was du alleine niemals erreichen würdest. Das kann man nicht genügend schätzen. Es erinnert an große Jazz-Musik. Du hast Regeln am Anfang, doch danach brauchst du Vertrauen, um Kunst zu machen. Das gibt dem Leben ein Gefühl und führt zu Momenten, die du nicht mehr vergisst.
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