Die Beziehung zwischen virtueller Welt und dem Kino war bislang alles andere als glücklich. Nicht nur, dass das World Wide Web nach Auffassung der Filmindustrie ein großer Selbstbedienungsladen für illegale Inhalte darstellt, auch die Filme selbst haben große Probleme, die digitale Lebenswirklichkeit in packende Inhalte zu fassen. Filme wie der furchtbar gefloppte ‘Inside Wikileaks’ scheiterten oft daran, das Geschehen auf dem Bildschirm angemessen für das Kino aufzubereiten und ergaben sich vielfach der Langeweile des eingetippten Wortes. Eine ganz anderen Umsetzung wählte nun Regisseur Baran bo Odar in seinem Hackerfilm ‘Who Am I – Kein System ist sicher’. Andreas Gniffke hat ihn sich im Trierer CinemaxX angesehen.
Benjamin (Tom Schilling, Oh Boy) hat es nicht leicht im Leben. Schon in der Schule immer ein Außenseiter, bewegt er sich als Mittzwanziger immer noch nahezu unsichtbar durchs Leben. Bestätigung findet “die Null unter lauter Einsen” lediglich hinter dem Computerbildschirm. In seinem Nebenjob als Pizzabote trifft er die schöne Marie (Hannah Herzsprung, Weissensee) wieder, in die er schon zu Schulzeiten verschossen war, natürlich ohne dass dies auf Gegenliebe stieß. Marie bereitet sich auf ihre Juraprüfung vor und Benjamin beschließt, ihr mit seinen Fähigkeiten zu helfen, um vielleicht doch noch ihr Herz zu erobern. Doch der Angriff auf den Uniserver mit den Prüfungsunterlagen geht schief, Benjamin wird erwischt und zu Sozialstunden verurteilt.
Das gleiche Schicksal ereilte Max (Elyas M’Barek, Fack ju Göhte, Der Medicus), der ansonsten das genaue Gegenteil vom unscheinbaren Benjamin ist. Er ist gutaussehend, charmant und besitzt die Fähigkeit, Menschen für sich einnehmen zu können. Max ist ebenfalls Hacker, der zusammen mit seinen Freunden Stephan (Wotan Wilke Möhring, Tatort) und Paul (Antoine Monot Jr., Lola auf der Erbse) mit Angriffen im Guerillastil seine Zeit verbringt. Benjamin ist fasziniert, wie die anarchische Truppe einen Naziparteitag im Chaos versinken lässt oder das Hochhaus eines Pharmakonzerns mit dem Schriftzug “We Kill Animals” versieht. Zum ersten Mal ist er Teil einer Gruppe, die sich zunehmend höhere Ziele setzt. Vor allem Max sucht im Darknet nach Anerkennung in Hackerkreisen, doch vor allem die Szenelegende MRX macht sich über CLAY („Clowns Laughing At You“), wie sich die Gruppe nun nennt, lediglich lustig. Ein ganz dickes Ding muss her und so versuchen die vier Cyber-Musketiere in die Rechner des Bundesnachrichtendienstes einzudringen. Damit treten sie eine Lawine los, die sie in den Fokus von Polizei und der russischen Internet-Mafia rückt. Ein tödliches Spiel beginnt.
Niemanden dürfte es wundern, wenn in Kürze eine Hollywoodadaption von Who Am I in Produktion gehen würde. Der Film ist rasant inszeniert, mit einem treibenden und kraftvollen Soundtrack versehen und wirkt modern und frisch. Somit erfüllt er sehr viele Kriterien, die man im oft ambitioniert bedeutungsschwangeren deutschen Film vermisst. Schlechte kommerzielle Voraussetzungen hat Who Am I ganz sicher nicht. Mit Tom Schilling und dem derzeit allgegenwärtigen Frauenschwarm Elyas M’Barek konnten zwei ungemein populäre Stars des deutschen Kinos gewonnen werden und die Thematik entspricht durchaus dem Zeitgeist und greift (manchmal etwas plakativ) brandaktuelle Themen auf. Das hätte dennoch durchaus schief gehen können, denn wenn sich Dinge zu großen Teilen außerhalb der realen Welt in virtuellen Räumen abspielen, wird es schwer, dies angemessen und vor allem spannend darzustellen. Regisseur Baran bo Odar umgeht das Problem souverän und innovativ. Erfolgreiche Hacker unterscheiden sich demnach von Schreibtischtätern vom Drang zur Aktion, gehackt wird nämlich nicht hinter dem Schreibtisch, sondern man muss an den Ort des Geschehens vor- bzw. in diesen eindringen. Somit entsteht bei den Einbrüchen und Verfolgungsjagden weit mehr Action, als man es in einem Film über Hacker vermutet hatte. Und auch die Kommunikation in den abgeschlossenen Internetforen wurde gekonnt visualisiert. Die Chaträume sind düstere U-Bahn-Waggons, deren User sich durch Masken anonymisiert leibhaftig gegenüberstehen. Ein Kunstgriff, der dem Film neben der Lebendigkeit ein sehr großes Maß an Coolness verleiht!
Die Story selbst überzeugt ebenfalls und vermeidet größtenteils die üblichen Klischees blasser Nerds zwischen leeren Pizzakartons und Club-Mate. Mehrere durchaus überraschende Wendungen erhalten die Spannung, so entsteht ein deutscher Film, der absolut internationalen Standards genügt. Wie gesagt, eine Hollywoodadaption dürfte nicht unwahrscheinlich sein, doch sollte man sich das Original nicht entgehen lassen!
Zu sehen im CinemaxX Trier!
Neues aus dem Broadway:
Die umfangreichen Umbauarbeiten im Broadway werden heute abgeschlossen und ab dem morgigen Samstag (27. September) können sich alle Besucher auf renovierte Säle und neue Kinosessel freuen!
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