Von Benedikt Rupp
Der Dokumentationsfilm „Wir die Wand“ gibt Einblicke in die Fanszene von Borussia Dortmund und die Geschehnisse auf der legendären Südtribüne des BVB während des Bundesliga-Heimspiels gegen den FSV Mainz 05 im April 2013. Der WDR-Autor und Regisseur Klaus Martens erzählt die Geschichten von elf Borussia-Anhängern und begleitet sie während des Spiels auf der Südkurve. 5vier hat sich den Film im Broadway Trier angesehen.
Für BVB-Fans dürfte er ein Muss sein, für andere Fußballsympathisanten eher nicht: Der Film „Wir die Wand“ von WDR-Autor Klaus Martens zeigt Einblicke in die Fanszene des BVB und stellt dabei elf Menschen auf der größten Stehplatztribüne Europas, der Südtribüne von Borussia Dortmund, in den Mittelpunkt. Rund 25.000 Zuschauer stehen jedes Heimspiel auf dieser Tribüne, die von den Dortmunder Fans nur „die Süd“ oder etwas furchteinflößender „die Wand“ genannt wird.
Fast jedes Spiel ist das Stadion des BVB mit über 80.000 Zuschauern ausverkauft. Auch beim Bundesliga-Spiel gegen den FSV Mainz 05 ist dies der Fall. Es ist das erste Heimspiel nach dem sensationellen Einzug ins Champions-League Halbfinale gegen den spanischen Klub FC Malaga. Der Film reißt die Lebensgeschichten von elf glühenden Anhängern des BVB während dieser Partie an. Martens macht die verschiedensten Charaktere quer durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten zu den Protagonisten des Films. Es beginnt mit dem Fahnenschwenker Fabian, in der Fanszene „Borsti“ genannt. Er meint, er habe schon mehr als 1000 Spiele des BVB gesehen und in den letzten Jahren keines verpasst. Für ihn geht der Verein sogar vor der Familie.
Der türkische Ordner Tayfun hatte jahrelang eine Dauerkarte für den BVB und ist zudem Fan von Fenerbahce Istanbul. Nachdem er seine Saisonkarte abgab, war es ein Ding der Unmöglichkeit, wieder eine zu bekommen – alles ausverkauft. Aus diesem Grund übernahm er das Amt des Ordners, um weiterhin auf der Südtribüne stehen zu dürfen. Der ehemalige Fußballspieler Torsten (32), der mit 19 Jahren aufgrund von großen Verletzungsproblemen den Sprung in Deutschlands U-Nationalmannschaften verpasste, ist seit Jahren im Fanclub „Ruhrporters 09“ vertreten.
Olli ist Mitglied in der Ultras-Gruppierung „The Unity“ und Vorsänger der Südkurve. Er organisiert auch unter der Woche das Vereinsleben. Er beteiligt sich an Fanchoreographien, die größtenteils durch Spenden der eigenen Fans entstehen, und setzt sich für die Interessen aller Fußballanhänger ein. Die Rentnerin Karin ist seit ihrem 17. Lebensjahr BVB-Fan und bezeichnet die Ultras als „Herz der Kurve, die den Ton angeben“. Für sie sind es keine Krawallmacher. Die Ultras würden in der Öffentlichkeit zu negativ dargestellt.
Auch Gewürzmischer Bruno ist schon etliche Jahre Dauerkartenbesitzer auf der „Süd“ und kann sich wie Karin noch an die Zeiten der Erfolgslosigkeit erinnern. Außerdem werden die Geschichten von Patrick – einem Mitglied der Fangruppe „Rainbow-Borussen“, der sich gegen Homophobie im Fußball einsetzt – und Kathrin – einer 20-jährigen Prostituierten, die schon von Kind an Borussen-Fan ist und sich sicher ist, dass während eines BVB-Heimspiels kein Dortmunder in ein Bordell geht – erzählt.
Neben den Fans ist Norbert „Nobbi“ Dickel eine Figur des Films. Dickel ist ehemaliger BVB-Spieler, heutiger Stadionsprecher und Kommentator im BVB-Netradio. Er ist eine Identifikationsfigur für alle Borussia-Anhänger und macht den Film für die Fans interessanter.
Martens stellt die Personen nach und nach vor und schwenkt während des Spiels immer wieder zwischen diesen hin und her. Der Film zeigt die Menschen in Nahaufnahmen und will dem Publikum durch das Hin- und Herschalten zwischen den Hauptfiguren und vielen Schnitten deren Emotionen und die Faszination des Fußballs im Ruhrgebiet vermitteln.
Außerdem bleiben die 16 Kameras das gesamte Spiel auf die Protagonisten und die Fankurve gerichtet. Spielszenen kann der Zuschauer höchstens einmal auf einer Videowand oder einem Fernsehbildschirm erahnen. Stimmung und Sprechphasen der Protagonisten wechseln sich ab. Während die Menschen von ihrem Leben erzählen, rücken Fangesänge eher in den Hintergrund. Ausdrücke und Beleidigungen fallen ebenso wie Fangesänge und Schlachtrufe. Die Ungehemmtheit im Stadion wird deutlich vermittelt.
Wie schon bei den einzelnen Personen kurz angeklungen ist, behandelt der Film einige für Fußballfans wichtige Themen – allerdings nur an der Oberfläche. Denn in den 90 Minuten, die der Film dauert, ist nicht die Zeit, um sich intensiver um einzelne Details zu kümmern. Dennoch ist die Palette an Themen groß. Rechtsradikalismus, Sexismus, Rassismus, Fußball und Frauen sind Themen, die ebenso angesprochen werden wie das Problem der Steh- und Sitzplätze, Anstoßzeiten, Kartenpreise und VIP-Lounges. Stimmungsmacher Olli appelliert für Stehplätze im Stadion, für faire Anstoßzeiten und Kartenpreise.
Dazu erzählen einige der Protagonisten im Film von ihren eigenen Erfahrungen mit Rechtsradikalismus und Rassismus in ihrem Fandasein bei Borussia Dortmund. Eine der Hauptfiguren meint: „Es gab schon Zeiten, da wurden Reichskriegsflaggen in der Süd geschwenkt“. Ein anderer sagt, er habe schon ausländerfeindliche Rufe in der Kurve vernommen. Ein positiver Aspekt des Films ist, dass auf die Problematik eingegangen wird – auch wenn sie allerdings ohne Tiefgang behandelt wird.
Fazit: Nach dem Film herrscht eine gespaltene Stimmung im Kinosaal. Einige sind von der Dokumentation begeistert, andere fanden den Film eher weniger gut. Für die meisten Anhänger von Borussia Dortmund dürfte der Film trotzdem so etwas wie ein Muss sein. Er gibt Einblicke in die Fanszene der Borussia und die Stimmung auf der „Süd“. Allerdings konzentriert sich Regisseur Martens zu sehr auf Einzelschicksale und kratzt bei wichtigen Themen lediglich an der Oberfläche.
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