Am Samstag, den 27. September hatte das Schauspiel „Biedermann und die Brandstifter“ Premiere im Theater Trier. Regie führte Steffen Lars Popp, der bereits den Klassiker „Die Physiker“ erfolgreich auf die Bühne brachte.
Trier. „Ein Lehrstück ohne Lehre.“ fügte Max Frisch seinem Stück „Biedermann und die Brandstifter“ als vielsagenden und gleichzeitig unsinnigen Titel hinzu. Ähnlich soll die Wirkung sein. Der brave Herr Biedermann und seine Frau leben in gefährlichen Zeiten, zumindest für Großverdiener wie sie. Hausierer gehen um, nisten sich in Häusern ein und zünden sie eines Nachts an. Aber so soll es den Biedermanns nicht gehen. Hausierer werden nicht hereingelassen, dem Bösen gar kein Schlupfloch geboten um das schöne Leben zu ruinieren. Doch eines Tages klingelt es an der Haustür und der ehemalige Ringer Josef Schmitz fragt nach einem Bett für die Nacht. Mit darauffolgendem Frühstück am besten. Und wenn es geht, zwei nicht allzu weich gekochte Eier. Aber nur wenn‘s keine Umstände macht. Und sein Knastkumpel Wilhelm Eisenring, der darf doch auch bleiben? Immerhin hat er Manieren. Und die Kanisterweise angeschafften Nitroglycerinmassen? Die nehmen doch im Keller kaum Platz weg. Fehlt nur noch das Streichholz, aber das kann der gute Herr Biedermann den beiden Schmitz und Eisenring doch bestimmt leihen, oder etwa nicht?
Ein Lehrstück ohne Lehre, ohne erhobenen Zeigefinger, ohne Moral von der Geschicht‘. Dem Zuschauer soll nur ein ungutes Gefühl bleiben, im besten Fall Ratlosigkeit über die Unfähigkeit der Biedermanns sich selbstbestimmt aus dieser misslichen Lage zu befreien. Regisseur Steffen Lars Popp bringt den Klassiker von Max Frisch mit einer Note intelligent eingesetzter Surrealität auf die Bühne, die dem etwas angestaubten Stück gut tut. Popps große Stärke ist dabei die stringente Ausformung seiner Charaktere: Die Biedermanns sind schlichtweg Opfer. Opfer einer Konfrontationsunfähigkeit. Und sie bleiben es. Dabei fällt es nicht schwer kein Mitleid für die beiden zu entwickeln. Einer stummen, gesichtslosen Trauernden kann Biedermann die verhüllte Stirn bieten. Bei einem schmatzenden Schmarotzer versucht er sich einzuschleimen, versucht sich künstlich auf eine Stufe mit ihm zu stellen, auf „Gut-Freund“ zu machen. Steffen Popp zeigt in seiner Inszenierung, dass auch Unschuld und hemmungslose Freundlichkeit nicht vor dem Bösen schützen.
Unterstützt wird der Regisseur darin von zwei wichtigen Säulen: Zum einen von seinen durchweg auf den Punkt arbeiteten Schauspielern und zum anderen von der Ausstattung durch Rahel Seitz. Klaus-Michael Nix gibt einen herrlich verkopften, bürokratischen, feigen Biedermann, der Selbstmorde ehemaliger Angestellte grinsend abfrühstückt, aber kein klares Statement abgeben kann, wenn‘s drauf ankommt. Zum Beispiel bei der Frage, ob man ein Streichholz haben könnte. Seine Frau Babette, gespielt von Barbara Ullmann, gibt seinen perfekten Gegenpart. Äußerlich bieder, aber innerlich unterfordert an Zuwendungen und Herzlichkeiten, ergibt sie sich in ihre Herzkrankheit. Auch ihr fehlt es an Mut und Biss, um sich zu behaupten. Zu sehr möchten die Biedermanns als gute Menschen angesehen werden, als dass sie es zulassen würden, als misstrauisch und feindlich zu gelten. Wunderbar vielseitig Alina Wolff als Hausmädchen Anna, die mit jedem Abgang sprichwörtlich in eine neue Rolle schlüpft und ihre alten Kostüme der letzten Produktionen zusammen mit der Rolle aufträgt. Sie unterstützt dadurch zu einem großen Teil zu der Verfremdung des Ganzen. Anna, als Teil des Stückes und doch wieder nicht, wird so zum Spiegel der Inszenierung im doppelten Sinne. Ähnlich gelingt es Popp mit dem Chor, den Nebenfiguren und der Witwe Knechtling über Sabine Brandauer und Tim Olrik Stöneberg. Als stille Beobachter sitzen sie am Rand, warnen vor der allgegenwärtigen Gefahr, als Polizist und Witwe erscheinen sie wie Geister aus einer anderen Welt, rutschen über den Boden und liegen schweigend unter den Tischen.
Besonders viel Mühe gab Popp sich mit Schmitz und Eisenring, alias Christian Miedreich und Jan Brunhoeber. Statt ihre Hände in Unschuld zu waschen, tragen sie lieber permanent weiße Polierhandschuhe. Die wirken nicht nur als könnte man kein Wässerchen trüben, sondern auch als könnte man noch nichtmals Fingerabdrücke hinterlassen. Miedreich und Brunhoeber wissen es mit einem charmanten Lächeln ihre Opfer derart zu entwaffnen, dass die noch nichtmals nachfragen, wenn sie beim Abendessen schon mit den sprichwörtlich heruntergelassenen Hosen dastehen.
Rahel Seitz‘ Ausstattung ist die zweite große Säule dieser Inszenierung. Ein riesiger, allerdings leerer Pool, dafür eine volle Badewanne, eine Toilette ohne Deckel, Couchtische als Tafel, dafür ein Fernseher auf dem nicht nur die Nachrichten, sondern auch der Film „Fight Club“ laufen. Eine Projektion liefert das Stadtpanorama, passenderweise auch aus dem Film „Fight Club“. Alles ist ein bisschen zu groß oder ein bisschen zu klein für die Figuren. Mal fühlt man sich wie ein Riese am winzigen Esstisch, dann wie ein Zwerg im leeren Swimmingpool.
Fazit: Eine intelligente, charakterstarke Inszenierung, mit großen Schauspielern und einem intensiven Bühnenbild, die mit einer ausgeklügelten Bildsprache zusammen gegen stückbedingte Längen anspielen. Anschauen lohnt sich.
Fotos: Marco Piecuch
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