Von Monika Pradelok
„Eine alte Frau, ein Reisegewinn und ein Missverständnis“ – in der Kurzgeschichte „Frau Wurgel im Hotel“ erzählt Inga Hetten von ihrer Begegnung mit Frau Wurgel, die einen Kurztrip nach Trier gewonnen hat. Da die alte Dame ungerne alleine verreist, wird die Protagonistin kurzer Hand hierzu eingeladen. Im Glauben, sich einer Kegeltour angeschlossen zu haben, steigen beide Frauen in einen Bus voller Saarländer, die als Zielort das Hotel Zu den roten Kugeln anstreben. Dort angekommen erwartet die Reisenden jedoch ein Hotel der speziellen Art, dass Trier von einer ganz anderen Seite beleuchtet.
Inga Hetten, gebürtige Saarländerin, verfügt über einen Gesellenbrief im Bereich Garten- und Landschaftsbau, ist diplomierte Geografin (Universität Trier) und hat während ihres Studiums unter anderem in einer Kneipe gejobbt. Nach ihrem Abschluss wurde sie Gastwirtin im Kneipenkollektiv und blieb einer der ältesten Städte Deutschlands treu. Nebenbei verfasst die, als Spülerin tätige Autorin Kurzgeschichten, die so alternativ und unkonventionell wie ihr Werdegang sind. „Schreiben begleitet mich schon mein ganzes Leben.“
Im Sommer 2004 kommt die ganze Sache jedoch erst richtig ins Rollen – Auslöser hierfür sind die Aquarelle ihres Lebensgefährten. Dieser plant ein Kinderbuch mit seinen Zeichnungen und sie verspricht ihm, den Text zu liefern.
„Viele sind der Meinung, dass so ein Kinderbuch schnell niedergeschrieben ist. Aber Texte für ein junges Publikum zu verfassen, ist schwieriger als man denkt.“ Sie hat sich nicht hetzen lassen und die Idee hierzu verworfen. Allerdings wurde aus dem Kinderbuch ein Fantasyroman. Zwei Romane existieren seit 2010/2011 in Rohfassung.
Bis dato hat sie neun Kurzgeschichten veröffentlicht. Von der Thematik her spielen unter anderem ihre Erfahrungen im Gastro-Bereich, ihr Leben in Trier sowie ihre saarländischen Wurzeln eine Rolle, wobei sich das Thema je nach Wettbewerbsausschreibung richtet. Bei der Leserschaft finden ihre individuellen Geschichten aufgrund des humoristischen sowie umgangssprachlichen Schreibstils Anklang.
Und die Autorin freut es – denn die Resonanz bestätigt ihr, dass ihre Kurzgeschichten ankommen und sie sich auf dem richtigen Weg befindet. „Meine eigentliche Form ist jedoch der Roman“, merkt sie an. „Das ist mein nächstes Projekt.“
„Kennen Sie Frau Wurgel?“
Mit dieser Frage leitet Inga Hetten ihre Kurzgeschichte ein. Nach einer kurzen Vorstellung von Frau Wurgel wird klar, dass es sich hier um eine etwas ältere Dame handelt, die laut, direkt und irgendwie anders ist – eben ein „Trierer Original“. Mit ihren fünfundneunzig Jahren geistert sie mitten in der Nacht durch Trier, geht „mit ihrem Dutt und Dornen am Krückstock auf städtische Mitarbeiter“ los, die vergiftete Taubenköder auslegen, und telefoniert zudem viel und gerne mit ihrem Handy. Frau Wurgel ist ein Energiebündel, das nie still sitzen kann. Und da sie immer auf Achse sein muss, lässt sie es sich nicht nehmen an einem Gewinnspiel teilzunehmen, bei dem man eine Städtereise gewinnen kann.
Und hier knüpft die Geschichte an. An einem sonnigen Tag im Februar trifft die Ich-Erzählerin auf Frau Wurgel, die ihr stolz verkündet:
„Ich habe eine Reise nach Trier gewonnen, mit dem Bus. Drei Tage im Hotel für zwei Personen.“
„Aber wir sind doch in Trier.“
„Seien Sie nicht so unflexibel. (…)“
Der Protagonistin ist bewusst, dass Trier eine beliebte Anlaufstelle für Touristen ist. Allerdings leuchtet es ihr nicht ein, warum eine Reisegruppe aus dem Saarland im Februar (Flauten-Saison) extra hierher anreist. Das interessiert Frau Wurgel nicht, denn sie freut sich auf den Kegelausflug. Als die beiden Frauen den Bus betreten und dieser sich Richtung Trier West bewegt, ist die Neugier groß – um welches Hotel handelt es sich wohl? Und die Geschichte nimmt ihren Lauf…
Von realen Figuren inspiriert
Frau Wurgel existiert in einer Art und Weise tatsächlich – sie ist die alte Frau, die sich in der Warteschlange vordrängelt und angriffslustig mit empörten Betroffenen diskutiert. Oder Passanten von der Parkbank wüste Beschimpfungen zuruft.
Frau Hetten lässt sich von ihrer Umwelt inspirieren und verarbeitet dabei Erlebtes in ihren Geschichten.
„Alles begann mit dem Anruf einer älteren Dame“, erinnert sich die Autorin. Es war während ihrer Zeit im „Schwach&Sinn“, als plötzlich das Telefon klingelte: „Sind Sie eine ganz normale Kneipe?“ – Mit dieser Frage hat alles begonnen.
Seitdem steht Frau Wurgel als Synonym für kuriose und denkwürdige Erlebnisse, die die Leser zum Schmunzeln bringen. Und der ein oder andere Trierer wird mit Frau Wurgel sicherlich schon das Vergnügen gehabt haben, denn diese Dame kann immer und überall auftauchen. Vor allem dort, wo man sie am wenigsten vermutet.
Eine der besten Geschichten
Im Rahmen eines Wettbewerbs, bei dem von 164 Geschichten die 32 besten ausgewählt wurden, haben Herausgeberin Kerstin Schneider-Seuser und das Schreiblust-Team eine neue Anthologie mit dem Titel „Unter fremden Decken“ veröffentlicht.
Im Fokus dieser Kurzgeschichten stehen Hotelaufenthalte, die unter anderem Abenteuerlust, Entspannung, Alltagsflucht, Business oder das große Fernweh thematisieren. „Frau Wurgel im Hotel“ ist eine unterhaltsame und charmante Geschichte über eine schrullige alte Dame, die Spaß am Leben hat.
Frau Hettens Beitrag ist übrigens nicht der Einzige aus unserer Region. Wolf Awerts Geschichte „Escort-Service“ hat es ebenfalls unter die Auswahl geschafft. Der Autor stammt aus der Südeifel.
Wer Lust auf Frau Wurgel und weitere Hotelgeschichten bekommen hat, kann das Buch im Handel oder bequem im Internet erwerben.
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- „Unter fremden Decken – 32 Hotelgeschichten“
- Erschienen beim Schreiblust-Verlag, Dortmund, im Mai 2013.
- 239 Seiten, Taschenbuch, 9,90 Euro.
- ISBN: 978-3-9812228-9-0
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Mehr Informationen zu Inga Hetten gibt es auf ihrer Homepage Der Leo-Aspekt.
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