Von Andreas Gniffke
Vor wenigen Wochen erschien mit dem vierten Band der Reihe ‚Faszination Fankurve‘ die reich bebilderte Chronik der Spielzeiten 2008/09 und 2009/10. Aus Fanperspektive werden Monat für Monat die entscheidenden Ereignisse jenseits des Spielgeschehens beleuchtet und das macht den Band neben den 700 beeindruckenden Abbildungen zu einem unentbehrlichen Nachschlagewerk zur Entwicklung der Fanszenen in den beiden Jahren.
Im Zentrum des von der Stadionwelt-Redaktion herausgegebenen Bandes stehen Fotos von Choreographien und sonstigen Aktionen der aktiven Fanszenen und es wird deutlich, dass trotz aller Repression und Einschränkungen die Kreativität auf den Rängen ungebrochen ist. Repräsentiert sind dabei nicht nur die großen Choreographien der Bundesliga und Nationalmannschaft, sondern ebenso Aktionen in unteren Ligen sowie im Ausland, dort oftmals garniert mit dem überbordenden Einsatz von Pyrotechnik.
Auch die Fans der Trierer Eintracht haben es immerhin dreimal in den Band geschafft. Einmal mit einer Anti-Red Bull Aktion, dann mit der ‚Kill the Worms‘-Choreographie vom März 2009 und schließlich mit Spruchbändern aus dem Spiel gegen Rot-Weiß Essen vom September 2009. Der Protest gegen Red Bull und die Kommerzialisierung des Fußballs ist eingebettet in ähnliche Aktionen aus anderen Stadien und verbunden mit der chronikartigen Aufbereitung fanrelevanter Themen im Textteil des Bandes. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei folgenden Bereichen gewidmet, die auch in der aktuellen Saison nichts von ihrer Bedeutung verloren haben: Fanunfreundliche Anstoßzeiten, 50+1, Pyrotechnikverbot sowie die Datei ‚Gewalttäter Sport‘ und der Widerstand gegen Kollektivstrafen und willkürliche Stadionverbote.
Dokumentiert werden zahlreiche Versuche, einen Dialog zwischen Fans, Polizei, Vereinen und Verbänden mittels Fankongressen und runden Tischen aufzubauen. Diese Versuche scheinen von wenig Erfolg gekrönt gewesen zu sein, die Fronten sind heute verhärteter als je zuvor. Davon zeugen auf der einen Seite immer absurdere Restriktionen und Verbote sowie Blocksperren und die Androhung von Geisterspielen bei wiederholten Vergehen. Auf der anderen Seite aber ebenso eine zu beobachtende erhöhte Gewalt- und Konfliktbereitschaft innerhalb der Fanszene.
Erinnert wird an überzogene Polizeiaktionen wie die Stürmung der St. Pauli-Fankneipe ‚Jolly Roger‘ im Juli 2009 oder die Einkesselung von rund 250 Fans von Fortuna Düsseldorf vor und während des Spiels gegen Union Berlin im April 2009. Doch auch in den Fankurven kam es zu besorgniserregenden Vorfällen, die nicht verschwiegen werden. So zum Beispiel die zahlreichen durch Pyrotechnik eigener Fans verletzten Anhänger des 1. FC Nürnberg beim Spiel in Bochum oder der Platzsturm der Berliner Fans beim Heimspiel gegen Nürnberg. Gerade die Fanbeauftragten der Liga äußerten in einem gemeinsam verfassten offenen Brief ihre Besorgnis über die Entwicklung und forderten von den Fans Verantwortung und Respekt. Alles wird nüchtern und ohne erhobenem Zeigefinger oder einseitiger Berichterstattung dokumentiert. Jeder Leser kann seine eigenen Schlüsse aus den beschriebenen Ereignissen ziehen.
Foto: Immer wieder ein ‚heißes‘ Thema: Der Einsatz von Pyrotechnik in den Fankurven.
Der Band zeigt aber vor allem durch die Fotos mehr als deutlich, dass Fußball ohne aktive Fans undenkbar ist. Die zu beobachtende Tendenz, den Sport zu einem familienfreundlichen Event in sterilen Multifunktionsarenen umzuwandeln, steht in krassem Gegensatz zu einer gelebten Fankultur.
‚Faszination Fankurve‘ ist erhältlich bei www.stadionwelt.de und kostet 9.90 €.
Fotos: stadionwelt.de, Andreas Gniffke
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