„Ein gutäs Boot, sehr gutäs Boot – nur Luke klemmt manchmal, ist abär nicht schlimm, Raum dahintär stäht unter Wassär. Aber kein Problähm, Wässer hat gelöscht Feuer, was hat gebrannt vorher in Raum.“
Unbekannter Matrose der „Roter November“, zu seiner Ablösung

Klemmende Luken, überflutete Räume und tobende Brände: Auf diesem Boot jagt eine Katastrophe die nächste… Foto: Stephan Nestel
Dieser Matrose könntest Du sein und in diesem Fall: Glückwunsch! Du hattest nicht nur die große Ehre, auf der „Roter November“, dem Stolz der gnomischen Marine, Dienst zu tun – nein, Du hattest auch das Glück, dieses Privileg zu überleben! Bei diesem Spiel schlüpft Ihr in die Rolle der Besatzung eines technisch noch nicht zu 100% ausgereiften U-Bootes und schlagt Euch mit der Tücke des Objektes herum: Da gibt es eine Schiffsmaschine (die gerne mal den Dienst verweigert), eine Luftaufbereitungsanlage (die nicht immer atembare Luft produziert), einen Reaktor (der öfters einer Kernschmelze entgegensteuert) und nicht zuletzt eine große Rakete (die so scharf darauf ist zu explodieren, dass sie ihren eigenen Start vergisst).
Und als wäre das nicht genug, besteht das Innere des Schiffs aus hochbrennbaren Materialien, die Türen klemmen und alles in allem ist Euer U-Boot ähnlich wie seine gnomischen Konstrukteure: Nicht ganz dicht. Aber seht es positiv: ein Wasserbruch zur rechten Zeit löscht wenigstens einen Brand… Bei so viel, äh, Verbesserungspotential an Bord ist es kein Wunder, dass „Roter November“ ein kooperatives Spiel ist, bei dem Ihr alle zusammenarbeiten müsst, wenn Ihr, wenn schon nicht sicher, dann wenigstens lebend in den Hafen kommen wollt…
Ein Unglück kommt selten allein
Euer Boot besteht aus zehn Räumen, die alle mit Luken untereinander verbunden sind. Besonders viel Spaß werdet Ihr mit Raum Nummer Fünf haben, denn dieser ist die einzige Verbindung zwischen dem Bug des Schiffes (Wo es Ausrüstung und die selbstmordgefährdete Rakete gibt) und dem Heck (mit Maschinenraum, Luftanlage und Reaktor). Außerdem ist da noch der Ozean, der Euer Boot umgibt und Heimat eines kurzsichtigen Kraken ist, der U-Boote nicht von leckeren Fischen unterscheiden kann…
Wie läuft nun eine Bootspartie mit der „Roter November“ ab? Zu Beginn des Spiels bekommt jeder Gnom zwei Ausrüstungsgegenstände (beispielsweise Werkzeug, Reparaturhandbücher oder Brechstangen) und wird in einen zufällig bestimmten Raum des Bootes gesetzt. Wohin genau, das entscheidet ein zehnseitiger Würfel. Außerdem gibt es für jeden Spieler einen Zeitmarker, der auf die Zeitleiste kommt, die außen um das Spielfeld läuft. Denn Zeit ist alles in diesem Spiel, die Autoren haben da eine wirklich schöne Idee gehabt:

Mit den praktischen Übersichtskarten findet man sich schnell mit dem Spielmaterial zurecht. Foto: Stephan Nestel
Alle Aktionen, die Ihr durchführen könnt, kosten Zeit (Nichtstun kostet mindestens eine Minute) und Euer Zeitmarker wandert je nach Euren Handlungen die Zeitleiste entlang. Das ist einerseits gut, denn wenn alle Zeitmarker der noch lebenden Gnome (ja, Gnome können auch sterben, ohne dass das Boot sinkt, zum Beispiel, wenn sie in einem überfluteten Raum ertrinken) das Ende der Zeitleiste erreicht haben, ohne dass die „Rote November“ zerstört ist, dann habt Ihr gewonnen. Leider tummeln sich auf der Zeitleiste auch jede Menge Ereignisfelder und wenn Euer Zeitmarker auf oder über ein Ereignisfeld zieht, dann passieren schlimme Dinge, das heißt, Ihr zieht eine Ereigniskarte.
Die Ereignisse lassen sich grob in zwei Kategorien unterteilen: Lästig und tödlich. Die lästigen Dinge sind klemmende Türen, Brände oder Wassereinbrüche. Irgendwann müsst Ihr Euch um diese Probleme kümmern, aber ob das ein paar Minuten früher oder später geschieht, ist Euch überlassen. Die tödlichen Ereignisse sind der Ausfall wichtiger Systeme, die drohende Explosion der Rakete und der hungrige Kraken, der Euch für einen Snack hält. Für diese Probleme habt Ihr in der Regel zehn Minuten Zeit, um sie zu beheben, bevor es Euch an den Kragen geht. Spieltechnisch heißt das, dass ein Katastrophenmarker zehn Felder hinter dem entsprechenden Ereignisfeld auf die Zeitleiste kommt – wenn alle Zeitmarker der Spieler daran vorbeigezogen sind, ohne dass das Problem behoben wurde, dann ist es aus.
Wie sollen wir das alles überleben?

Viel Liebe zum Detail und eine gehörige Portion Humor zeichnen das Artwork zu „Roter November“ aus. Foto: Stephan Nestel
Zum Glück seid Ihr dem Schicksal nicht hilflos ausgeliefert, Ihr könnt alle Gefahren beseitigen. Je mehr Zeit Ihr Euch für eine Aufgabe nehmt, desto besser stehen Eure Chancen, das Problem zu lösen, hat man genug davon, kann überhaupt nichts mehr schiefgehen. Dumm nur, dass immer mehr neue Katastrophen eintreten, je mehr Zeit vergeht. Es gilt also genau abzuwägen, welche Risiken Ihr eingehen wollt. Für die Reparaturversuche legt Ihr einfach fest, wie viel Zeit Ihr investieren wollt und würfelt mit dem zehnseitigen Würfel. Ist die gewürfelte Zahl kleiner oder gleich der eingesetzten Zeit, dann habt Ihr es geschafft. Das passende Werkzeug kann Euch dabei eine Menge Zeit sparen, weil es einen Bonus auf die Reparatur gibt. Eine Brechstange ist zum Beispiel genau so gut, wie drei Minuten ohne Brechstange an der Luke zu ziehen. Leider verbrauchen sich die Gegenstände, einmal gespielt müssen sie abgelegt werden.
Der Teufel steckt im Detail
Mit den bis hierher beschriebenen Regeln funktioniert das Spiel. Aber die Autoren hatten noch so ein paar nette Ideen, die dem Spiel seinen besonderen Charme verleihen. Da gibt es zum Beispiel die „Grog“-Karten. Eure Gnome können sich im Laufe des Spiels betrinken und das ist gar nicht schlecht, denn aus irgendeinem Grund bringt so ein Drink einen Bonus für Reparaturaktionen und nimmt die Angst vor brennenden Räumen. Leider macht er aber auch betrunken und ein angetüddelter Gnom kann in Ohnmacht fallen, was ihn für zehn Minuten außer Gefecht setzt. Das sind nicht nur zehn Minuten, die sein Zeitmarker weiterwandert und Katastrophen auslöst, sondern auch zehn Minuten, in denen er sich nicht retten kann, wenn zum Beispiel der Raum, in dem er liegt, überflutet wird. Und da ist dann noch die Sache mit dem Deserteur…
Eigentlich gewinnen und verlieren bei diesem Spiel alle gemeinsam – es sei denn ein Spieler hat den Taucheranzug gefunden und entscheidet sich dafür, das Boot zu verlassen: „Kameraden, haltet durch, ich hole Hilfe!“ – Jaja, von wegen. Wer das Boot kurz vor Spielende verlässt (ein Zeitmarker muss die Zehn-Minuten Grenze bis zum Ende der Zeitleiste überschritten haben), der gewinnt dann, wenn die „Roter November“ zerstört wird und ist der tragische Held, der es nicht geschafft hat, seinen Kameraden Hilfe zu bringen. Überlebt das Boot aber, dann ist er der Verräter, der die Crew im Stich gelassen hat und verliert.
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Fazit
Roter November ist ein liebevoll gemachtes Spiel mit vielen Details, die für Stimmung sorgen – und die diese Stimmung schnell ins Alberne kippen lassen. Natürlich ist der Name de Spiels an den Film „Jagd auf Roter Oktober“ angelehnt, natürlich findet sich überall im Artwork ein Roter Sterne und ziemlich sicher fängt irgändwär im Spiel an, in falschäm Klischee-Russischän Akzänt zu sprächän. Aber Albernheit hin oder her, auf der Roter Oktober zu überleben ist auch für erfahrende Spieler kein Spaziergang.
Ein Problem, das sich je nach Spielstil ergeben kann, ist der Tod von Gnomen im Spielverlauf. Bei unseren Runden war das nie so das Problem, die Spieler haben dann einfach als (hoffentlich) gute Geister den anderen Ratschläge erteilt. Wenn eine Runde das nicht will, dann kann es für jemanden, der gleich am Anfang des Spiels Pech hatte, langweilig werden…
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Dustin Bachstein meint
Dieses Spiel ist wirklich klasse! Auch wenn man meistens kurz vor Ablauf der Stunde doch ertrinkt, ist es zumindest ein unterhaltsamer Tod 😉