In den Medien wird derzeit kontrovers über den EHEC-Erreger debattiert. Nachdem nun erwiesen ist, dass der Erreger nicht über Gurken übertragen wird, tauchten in den letzten Tagen Vermutungen darüber auf, dass Sprossen die möglichen Überträger seien. Inzwischen kursieren im Internet auch skurrile Verschwörungstheorien, wie die des sogenannten „Fäkalien-Dschihad“.
Weiterhin wird intensiv von Gesundheitsfachleute nach der Quelle der EHEC-Infektionen gesucht. Nachdem Anfang der Woche Vermutungen aufkamen, dass Sprossen aus Niedersachsen die möglichen Erreger seien, wurde in ersten Labortests an verdächtigen Sprossen allerdings keine Belastung nachgewiesen. Das Robert Koch Institut (RKI) sprach bereits bei der Veröffentlichung der Vermutungen Zweifel aus. Die Suche nach dem Erreger geht weiter, in den Städten Hamburg, Lübeck und Bremen, welche besonders von der Krankheit betroffen sind, sind Teams des RKI im Einsatz.
29 Cent für eine Gurke
Es hätte für die Gurkenanbauern wohl gar nicht schlimmer kommen können: Während der Hauptsaison bleiben sie auf ihrer Ware sitzen und das obwohl viele der Landwirte nachweisen können, dass ihre Produkte mit dem Erreger nicht kontaminiert sind. Selbst amtliche Bestätigungen helfen nicht weiter, die Bauern können ihre Waren nicht verkaufen. Inzwischen sinken die Preise für Gurken, Tomaten und andere Gemüsesorten in den Läden; für 29 Cent kann mittlerweile eine Gurke in großen Märkten erworben werden.
Die Verluste die hierbei für die Anbieter entstehen bedrohen deren Existenz und dies betrifft nicht nur die kleineren lokalen Anbieter, sondern vor allem auch die spanischen Bauern. Die sowieso schon angeschlagene spanische Wirtschaft hat nun unter weiteren Einbußen zu leiden, spanische Tomaten und Gurken landen momentan nicht mehr auf dem Teller, sondern, wie auch viele deutsche Produkte, in der Tonne. Spanien behält sich rechtliche Schritte vor und kritisiert die deutsche Berichterstattung, aber vor allem die deutschen Behörden.
Kritik an Anstrengungen der Ehec-Forscher.
Und auch hierzu lande kommt Kritik auf, der ärztliche Direktor des Berliner Universitätsklinikum Charité, Ulrich Frei, kritisierte die Anstrengungen der Ehec-Forscher im Interview mit dem Tagesspiegel Berlin. Es mache ihn „unruhig“, dass seit dem Ehec-Ausbruch Anfang Mai „wir außer der verdächtigen Gurken aus Spanien noch immer keinen Hinweis auf die originäre [ursprüngliche] Erregerquelle haben.“
In diesem Zusammenhang kritisierte Frei auch die Arbeit des Robert-Koch-Instituts, die Fragebögen der Ehec-Patienten seien ihnen erst diese Woche zugeschickt worden. Frei kritisiert weiterhin, dass es nicht ausreichend gewesen wäre nur Fragebögen ausfüllen zu lassen, man hätte die Patienten interviewen sollen. Dass sich das Ausfüllen von Fragebögen, oder auch Interviewen von möglichen Infizierten als nicht unproblematisch erweist, liegt jedoch auch auf der Hand.
Wissen Sie noch, was Sie in den letzten zwei Wochen gegessen haben? Es ist schwierig Parallelen zwischen den Patienten herzustellen, welche Produkte gegessen wurden, und darüber hinaus auch wo und wann. Frei ist jedoch mit seiner Kritik nicht alleine, harsche Kritik am deutschen Krisenmanagement wurde auch vom EU-Parlament in Straßburg geäußert.
Fest steht, dass es weiterhin unklar ist über welchen Weg das Bakterium verbreitet wird. Mittlerweile wird auch Fleisch als möglicher Überträger vermutet. Ein Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation, Donato Greco, sagte der italienischen Zeitung La Repubblica: „Der Erreger ist üblicherweise im Darm von Rindern zu finden und damit auch in rohem Fleisch wie Tartar oder schlecht gekochten Hamburgern.“ Falls Rindfleisch die wirkliche Quelle des Erregers ist, so könne dies auch mit der Beigabe von Antibiotika in Tierfutter zu tun haben, so Greco weiter, hierdurch wären möglicherweise eine Resistenz bei den Erregern entstanden.
Vertriebswege und Gaststätten sollen zudem stärker kontrolliert werden, dazu rät die „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) und anderer EU-Behörden der Mitgliedstaaten. Untersucht wird derzeit auch ein Restaurant in Lübeck, hier sollen sich, so die Lübecker Nachrichten, 17 Menschen mit Ehec infiziert haben.
Nach Berichten des Nachrichtenmagazin Focus, steht der Ausbruch der Epidemie in einem möglichen Kontext mit dem Hamburger Hafengeburtstag Fest. Besucher des Festes seien eine Woche später, was dem typischen zeitlichen Verlauf der Erkrankung entspricht, mit Durchfall im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf eingewiesen worden, so der Focus.
Verschwörungstheorien, Atomkartelle und Fäkalien-Dschihad.
Im Internet kursieren mittlerweile ganz andere Theorien über die Verbreitung des Erregers. Es handele sich um einen Terroranschlag und unter dem Namen „Fäkalien-Dschihad“ wird die Krankheit in den Zusammenhang mit der Ermordung Osama Bin Ladens gerückt. Beweise für diese Behauptungen gibt es freilich nicht und obwohl die Theorien von Geheimtreffen des BND in Paris und vermeidlichen Besprechungen des Bundesministerium über Angriffe durch EHEC im Jahre 2008, von offizieller Seite klar dementiert wurden, wird im Internet fleißig weiter spekuliert.
Der „Fäkalien-Dschihad“ stellt hierbei freilich nur die Spitze vom Eisberg da, ebenfalls diskutiert werden wirtschaftliche Verschwörungen gegen Spanien, selbst die Atomindustrie steht unter Verdacht. Die Ehec-Erreger würden genutzt um von der Atomdiskussion abzulenken, so wird es zumindest von einem Nutzer im Verschwörungsforum wahrexakten.at präsentiert. Hierbei handelt es sich jedoch um Thesen einiger Nutzer, deren Theorien selbst in Verschwörungsforen auf Kritik stoßen.
Wie umgehen mit der Krankheitsgefahr?
Festzuhalten bleibt, dass Vorsicht durchaus geboten ist. Die Krankheit ist, im Gegensatz beispielsweise zur Vogelgrippe, eine weitaus bedrohlichere Erkrankung, welche zu gravierende Spätfolgen führen kann. Fraglich bleibt hierbei jedoch auch eben die Rolle der Medien. In Anbetracht der Aktualität ist die Presse darauf angewiesen die Aussagen von Laboren, Stiftungen oder anderen Presseorganen, meist ungeprüft, wiederzugeben. Hierbei kann jedoch selbst die Berichterstattung über eine Vermutung, wie im Fall der Gurken zu sehen ist, zu einer rapiden Abnahme der Käufer des Produktes und zu großen Schäden der Klein- und Großbauern führen.
Wie und was soll also berichtet werden? „Wird das EHEC-Rätsel nie gelöst?“, skandierte jetzt eine Boulevardzeitung theatralisch. Solche Beiträge sind jedoch kontraproduktiv, sie verunsichern und beängstigen mehr, als das sie zu einer Lösung beitragen. Solange kein Produkt als Überträger des Erregers ausgemacht wurde kann nur auf die Sicherheitstipps des RKI verwiesen werden und sachlich mit der Thematik umzugehen.
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