Die Quelle des EHEC Problems scheint gefunden, die Zahl der Neuinfektionen geht zurück. Ist die Krise vorbei? 5vier.de zieht eine vorläufige Bilanz.
Kaum ein Thema wurde in den letzten Wochen so heiß diskutiert, wie die Infektionswelle durch die EHEC Bakterien in Deutschland und Europa. Nun, da man offensichtlich den Ausgangspunkt der HUS-auslösenden Bakterien gefunden zu haben scheint, beginnen die Bürger und Experten ein paar andere Fragen zu stellen.
Die Herkunft von EHEC
Wie es aussieht kamen die Bakterien nicht auf Gurken, Tomaten oder Salat, sondern nun doch auf Sprossen. Das EHES-Bakterium vom Typ O104 wurde auf den Sprossen eines Bio-Betriebes im niedersächsischen Bienenbüttel nachgewiesen.
„Damit haben wir einen weiteren wichtigen Schritt in der Beweiskette getan, dass rohe Sprossen als wesentliche Quelle für die EHES-Infektionen der letzten Wochen anzusehen sind“, hieß es aus dem Nationalen Referenzlabors im Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Der Betrieb hat aller Wahrscheinlichkeit nach keine rechtlichen Folgen zu fürchten.
„Nach allen bisherigen Erkenntnissen wurde in dem Betrieb nichts falsch gemacht“, so der niedersächsische Landwirtschaftsminister Gerd Lindemann, „Der Hof hat hohe Hygienestandards und ist bisher nicht negativ aufgefallen.“
Warum dieser Fund so lange gedauert hat und wie es zu all den falschen Verdachtsmomenten kommen konnte, darüber hat sich bis dato keine offizielle Stelle äußern wollen.
Rückgang der Neuinfektionen
Auch scheint die Infektionswelle nun immer weiter abzuebben. Es gibt deutlich weniger Neuinfektionen, Ärzte hoffen, binnen der nächsten Woche alle Fälle unter Kontrolle zu haben. Vorbei ist das Problem damit aber noch nicht.
„Auch wenn die Epidemie ihren Höhepunkt wohl überschritten hat, sind weitere Todesfälle nicht auszuschließen“, erklärte Bundesgesundheitsminister Bahr. Ein Wiederaufflammen der Infektionswelle hält er aber für „sehr unwahrscheinlich“.
Was aus den bereits erkrankten nun wird, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Nach Daten des Robert-Koch-Instituts sind in Deutschland 30 Menschen an EHEC und dem daraus folgenden HUS gestorben.
„Etwa 100 Patienten sind so stark nierengeschädigt, dass sie ein Spenderorgan brauchen oder lebenslang zur Dauerdialyse müssen“, erklärte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, „EHEC-Bakterien sind weltweit auf dem Vormarsch. Auch in Deutschland wird es künftig immer wieder zu EHEC-Ausbrüchen kommen.”
Kritik an Umgang und Berichterstattung
Neben den direkten Opfern gibt es aber noch sehr viele andere: gesunde Menschen, die die letzten Wochen in Angst verbracht haben. Vieles davon hätte nicht sein müssen. Die Bakterien hätten sehr viel früher aufgehalten werden können. Laut Lauterbach hat allein die Tatsache, dass EHEC-Fälle per Post gemeldet werden müssen die Ausbreitung begünstig.
„Die Kliniken müssen in Zukunft jeden EHEC-Fall direkt per Mail an das Robert-Koch-Institut melden”, rät Lauterbach, „Die bisherige Meldekette vom Gesundheitsamt vor Ort über das Landesgesundheitsamt an das Robert-Koch-Institut dauert mindestens eine Woche. Viel zu lang, da breitet sich EHEC aus. Wir werden im Gesundheitsausschuss untersuchen, wie viele Erkrankungen durch eine elektronische Meldepflicht hätten verhindert werden können.” Auch die Art wie mit den Meldungen in Ämtern und Arztpraxen umgegangen wurde ist alles andere als vorbildlich.
„Wir haben Fälle, die zweimal mit alarmierenden Symptomen zum Arzt gingen und weggeschickt wurden. So etwas darf nicht passieren“, erklärte ein Sprecher des Uniklinikums Hamburg.
Ebenfall ins Fadenkreuz harter Kritik geraten, sind große Teile der Presse und die Regierungssprecher.
„Da wurde pure Panikmache mit völlig falschen Informationen betrieben“, beschwert sich Medienrechtsanwalt Peter Hausser, „Da war die Rede Erregern, Seuchen, Epedemien, Viren, Krankheiten – in einer der größten Boulevardzeitungen konnte man sogar von der ‘EHEC-Pest‘ lesen. Einen solch falschen und kontraproduktiven Misch-Masch aus pseudo-wissenschaftlicher Berichterstattung hat es seit Jahren nicht mehr gegeben. Selbst die Redaktionen, die es hätten besser wissen sollen, kopierten fröhlich nicht fundierte Meldungen über ‘Darmkeime‘ und mögliche Ursachen der EHEC-Infektion. Da wurde geraten Menschen nicht mehr die Hand zu geben, man konnte sich darüber informieren, welcher Mundschutz hilft [Anm. der Redaktion: gar keiner, eine Schmierinfektion lässt sich durch Mundschutz nicht verhindern] und ich habe sogar den Aufruf im Internet gelesen, nicht mehr vor die Tür zu gehen. Das war schon kriminell.“ Laut Hausser war es ihm schon nach drei Tagen nicht mehr möglich, den offiziellen Regierungssprechern zu vertrauen.
„Wer als ‘Gesundheitsexperte‘ bei einer Bakterieninfektion von einer ‘Darmkeim-Epedemie‘ spricht, der sollte sich lieber setzen“, fordert der Anwalt, „Entweder man weiß worüber man spricht und informiert die Bürger sachlich, oder man lässt es bleiben.“ Hausser kritisiert auch das Gesundheitsamt und andere offizielle Stellen, deren Informationen „sporadisch, unvollständig und undurchsichtig“ waren: „Man bekommt den Eindruck, dass da entweder überhaupt keine Absprache zwischen den Informationsstellen stattgefunden hat, oder das bestimmte Fakten bewusst ignoriert wurden.“
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