In Venedig sind es die singenden Gondoliere – in Trier die läutenden Schrotthändler. Die Branche der sogenannten Schrottis ist alt – besonders in der ältesten Stadt Deutschlands. Fast an jeder Ecke – in allen Farben und Stadtteilen, schmücken sie nicht nur altes Eisen und Metall, sondern tragen vielmehr auch zu einem sauberen Stadtbild bei – auch wenn die Stadt selbst sie eher als „Ungeziefer“ und als störend betrachtet. Ihre Arbeit ist hart – oftmals dreckig und mit großer Konkurrenz keineswegs einfach.
Die Szene ist rau – dass Geld nicht immer flüssig, leben Schrottis diese Berufung mit Leidenschaft, Herz und reichlich Motivation. Echte Kenner und Fachmänner in puncto Metall – riechen sie nicht nur ein blühendes Geschäft, sondern haben auch ein professionelles Auge in allen Bereichen ihrer Branche.
Auch Jonny David Welsch ist in dieser Szene tätig. Ein echter Trierer – mit Jahrgang 1985, wuchs er in Trier-Nord schon früh in dieses Geschäft hinein. Sein Vater – der mittlerweile verstorben ist, hob ihn hoch zum Schrotti, zeigte im den sogenannten „Beat“ der Straße und ließ ihn gewähren, oftmals auch auf eigene Faust. Groß geworden ist der heute 36-Jährige im Beutelweg. Das wohl berüchtigtste Viertel in Trier – wo mindestens einmal am Tag die Polizei aufkreuzt. Höflich auch „Rue de la Sack“ genannt – ist Jonny aber stolz auf seine Wurzeln, seine Stadt und seine Tätigkeit, die er überzeugend und mit großer Freude schon seit vielen Jahren ausübt. „Trier ist meine Heimatstadt. Hier bin ich geboren und hier werde ich auch sterben. Meine Kindheit – gerade in diesem Viertel, war meine schönste Zeit die ich bisher hatte. Ich denke noch heute gerne zurück“, erzählt der Trierer mit einem Lächeln.
Einen großer Stellenwert in seinem Leben hat seine Familie. Kinder und Frau – für ihn die pure Erfüllung seines Lebens. Rückhalt – Kraft und angekommen im großen Traum, verliebten sich Jonny und Alexandra bereits schon im Sandkastenalter ineinander. Die berühmte Sandkastenliebe – beide durften sie erleben, die noch heute zählt und mit starken Ketten verbindet. Zwanzig Jahre zusammen – seit 2018 schließlich auch den Bund der Ehe eingegangen, lieben sich beide noch wie am ersten Tag, wo noch Sandburgen und volle Windeln ihr Tagesgeschäft ausmachten. „Meiner Familie verdanke ich das – was ich hier und heute bin. Meine liebe Ehefrau! Sie geben mir alle so viel Kraft. Ich bin so überaus froh und stolz das ich diese Familie habe. Sie ist für mich alles“, untermauert Jonny rückblickend, während seine bessere Hälfte ihm gegenüber ein verliebtes Lächeln schenkte.
Dabei war nicht immer alles leicht. Große Rück- und Schicksalsschläge zehrten am Gemüt von Jonny und seiner Frau, die traurigerweise auch ein Kind im achten Monat verloren hat. „Das war für mich das Schlimmste was es gibt. Wir waren beide nervlich am Ende. Es hat uns das Herz zerbrochen – und stimmte uns sehr traurig. Unser Kind – noch nicht geboren und schon tot. Das Schlimmste was werdenden Eltern widerfahren kann“, betont der 36-Jährige mit schmerzverzerrtem Gesicht und setzt nach:
„Aus dieser schlimmen Zeit half uns damals nur die Tatsache – erneut den Versuch zu wagen, ein Kind zu zeugen. Dieses Mal ging auch alles gut und wir bekamen eine kleine Tochter. Sie hat unsere Tränen trocknen können – auch wenn wir den Verlust unseres Kindes niemals vergessen werden.“ Seine Erinnerungen sind stark – seine Liebe unbändig, nahm schließlich die „Micky Maus “ in seinem Leben eine wichtige und auch symbolträchtige Rolle ein. Von nun an stand die kleine Figur aus der Walt Disney-Welt als Symbol für sein damals noch im Mutterleib verstorbenes Kind.
Ob als Deko-Objekte in seiner Wohnung – oder auch als „Logo“ seiner Schrott-Entsorgungsfirma. Die kleine Maus hat in seinem Leben immer einen Platz – auch als Tattoo-Schmuck auf seinem Arm oder auch verewigt als Grabstein für sein Kind. „Aktuell habe ich drei Kinder. Doch ich sage immer und da stehe ich voll dazu – haben wir vier Kinder. Denn ich zähle mein verstorbenes Kind immer dazu und es wird auch immer ein Teil meines Lebens bleiben. Für mein viertes Kind steht somit die Micky Maus . Ein Symbol für uns alle – mit unendlich viel Liebe“, erklärt Jonny sein Umgang mit dem traurigen Schicksal.
Auch eine Art Ablenkung war seine „Schrott-Welt“. Die Erinnerung an seine Anfänge – sein Aufstieg und sein heutiges Business. „Ich wurde schon früh in meinem Leben mit dieser Szene konfrontiert. Mein damals älterer Bruder war schon Schrott für meinen Vater gefahren und so wuchs ich schließlich in eine Familie hinein, die praktisch nichts anderes machte, als mit Schrott zu handeln und im Endeffekt auch davon zu leben“, blickt der Trierer auf seine ersten Erfahrungen in puncto Schrott zurück. Er wuchs in dieser Branche – sammelte reichlich Erfahrung und sah schließlich auch die Schattenseiten einer Szene, die mehr Einzelkämpfer als Unterstützer pflegt. „Dieses Business ist extrem hart. Man muss dafür leben und praktisch hineinwachsen – sonst hat man kaum eine Chance zu überstehen. Wo früher noch ein Zusammenhalt unter uns Schrottis zu erkennen war – ist heute ein erbarmungsloser Kampf gegeneinander.
Die Konkurrenz ist sehr zäh und rau und gönnen tut man sich untereinander fast gar nichts. Ausnahmen bestimmen jedoch die Regel. Es gibt auch eine Menge Schrottis der alten Schule – die nicht nur zusammenarbeiten, sondern sich auch helfen, wenn der andere mal Probleme oder eine Panne mit dem Auto hat. Aber dies ist leider sehr selten“, untermauert der 36-Jährige das konkurrierende Risiko und schießt nach: „Leider gibt es in dieser Branche auch sehr viele schwarze Schafe. Unser Ruf ist sehr geschädigt – besonders bei Behörden und bei den Stadtvätern selbst. Es stimmt uns oftmals traurig und ratlos – und macht teilweise auch wütend. Wir machen einfach nur unseren Job – tragen zudem zu einem besseren Stadtbild bei und leben diesen Beruf mit Leidenschaft und bester Sorgfalt. Wir hätten uns schon mehr Gehör und Akzeptanz gewünscht.“
Seine Arbeit ist ehrlich – oft auch zu Gunsten eines guten Zwecks. Nichts alles von seinem Schrott-Erlös fließt in seine eigene Tasche. Viele Euros kommen Kitas zu Gute – oder anderen Trierer Einrichtungen. Sein Herz ist groß – nicht nur in Richtung seiner Familie, sondern auch seiner Stadt und seinen Mitmenschen. „Ich kann sehr gut leben – gar keine Frage. Aber wieso soll ich nicht auch etwas Gutes tun und ein paar Euros teilen?! Oftmals verzichte ich sogar auf das große Geld und arbeite fast umsonst. Ich mache es – weil ich ein gutes Herz habe und nicht in jedem Auftrag mein großes Geld sehe. Meine Familie und ich können sehr gut leben. Wir haben uns dies aber auch alles selbst erarbeitet. Darauf sind wir mächtig stolz und möchten den Menschen die es brauchen etwas zurückgeben“, betont Jonny selbstbewusst.
Ein hartes Pflaster – für sogenannte Quereinsteiger fast unmöglich, musste Jonny in all den Jahren auch oftmals „kotzen“. Ein mühseliger Einstieg – viele Hindernisse, harte Konkurrenz und ein gnadenloses Business. Getreu dem Motto – aller Anfang ist schwer, hob sich auch der 36-Jährige Schritt für Schritt in den „Schrott-Olymp“ hinauf. Ein großer Schritt – ein weiter Weg, ist er aber schließlich über Umwege und mit Rückschlägen angekommen, nicht zuletzt auch dank seiner tollen Frau, wie Jonny bekräftigt:
„Auch wenn der Anfang in dieses Geschäft sehr krass war und ich auf deutsch gesagt, viel Scheiße fressen musste, stand mir meine Frau Alexandra immer zur Seite. So eine Frau findest du nicht noch einmal. Sie ist einmalig – holte mich oftmals auf den Boden der Tatsachen zurück, gab mir Liebe und Mut, nie die Hoffnung und die Freude, an dem was ich mache, zu verlieren. In einer Branche – wo Quereinsteiger relativ chancenlos sind, habe ich nun Fuß gefasst und mir einen guten und ehrlichen Namen erarbeitet. Darauf kann man stolz sein.“
In einem Hit von Wolfgang Petry heißt es – Bronze, Silber und Gold, habe ich nie gewollt….! Doch welches Material lässt den berühmten Rubel besonders rollen? Was bringt das meiste Geld – bzw. wie werde ich reich? „Eindeutig Kupfer. Es bringt das meiste Geld – ist aber auch sehr begehrt bei der Konkurrenz und demnach sehr selten. Aber meine Firma nimmt alles an Schrott. Auch Kleinvieh macht Dreck. Für uns zählt nicht immer der Euro. Vielmehr der Spaß und Freude an dem was wir machen“, gibt Jonny weiter zu verstehen.
Über Geld redet man nicht. Man schweigt und genießt – so zumindest der Gedanke der guten Zunft. Doch bei meinem Besuch in Trier Nord – nicht an einem Sonntag, sondern inmitten der Arbeitswoche, durfte ich als neugieriger Redakteur in die glänzende Welt von Jonny David Welsch eintreten. Viel Gold – namhafte Marken, wertvolle Deko und Co. Die Welt von Jonny glänzt wahrlich – zumindest beim betrachten seiner Wohnung. Stimmt der Mythos also doch – Schrott macht reich? „Über Geld redet man nicht. Uns geht es sehr gut und für uns ist Geld auch nicht alles“, legt der Trierer gleich hinterher.
Und trotzdem wird der Eindruck geweckt – seine Branche ist eine mögliche Goldgrube. „Ausgesorgt und für die große Rente reicht es noch nicht. Wir können uns sehr viel leisten – wissen aber auch, dass die Zeit zum Zurücklehnen noch nicht gekommen ist“, ergänzt der Schrotti weiter. Lifestyle ist für ihn sehr wichtig – eine Bestätigung seines Verdienst, wie Jonny erklärt: „Sicherlich ist Lifestyle für mich und auch für meine Familie sehr wichtig. Es ist mein und unser Verdientes und davor brauchen wir uns auch keineswegs zu verstecken. Wie schon erwähnt – zum nur noch leben und genießen reicht es noch nicht. Dennoch pflegen wir schon jetzt ein unbeschwertes Leben – dass wir so in dieser Art und Weise auch noch lange und gerne ausüben wollen.“
Jonny hat alle Hände voll zu tun. Mit einem großen Fuhrpark – den tüchtigen Händen von seinem Mitarbeiter Richard und seinem Junior, der sich neben Jonny ebenfalls in die Schrott-Welt voll hineinhängt, blickt der Trierer, gestützt von einer tollen Familie, optimistisch und gut gestimmt in die Zukunft. Er lebt das Erbe seines Vaters motiviert weiter – in einer Branche, die wohl niemals aussterben wird und darf. Schrottis sind wichtig – für die Stadt, die Kultur und gehören doch auch irgendwie zum Trierer Stadtbild wie die Porta Nigra dazu. André Mergener
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